The Pawn

Sie schlendern ahnungslos durch die Stadt, werden von einem seltsamen Mann niedergeschlagen und beraubt und erwachen nicht etwa wieder auf der Erde, sondern in einer anderen Dimension, einem anderen Land: Kerovnia. Wenn das nicht genug Stoff für ein gutes Adventure bietet? Dieser Behauptung kann man umso mehr zustimmen, je weiter man sich in die Verhältnisse dieses Landes eingelesen hat und mit allen Verstrickungen und Problemen vertraut ist. Kerovnia ist ein Land, in dem sich die technischen Neuerungen unserer Zeit, wie Milchshakes, Telefone und Radios auf amüsante Weise mit einer altertümlichen und mystischen Welt vermischen. Zwerge und Hofzauberer geben sich hier ein Stelldichein. Dazwischen durchaus moderne Dinge, so daß selbst der abgehärteste Adventurespieler zunächst einmal etwas verwirrt ist.

Dieses Gefühl ist aber durchaus auch in bezug auf die politischen Verhältnisse innerhalb des Landes angebracht. An der Spitze ringt der labile und schwächliche König Erik beinahe vergeblich um neue Autorität und Anerkennung. Der Grund? Bei einem gegen ihn gerichteten Anschlag wurde seine Frau getötet, die ihm immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Die schuldigen Zwerge wurden des Landes verwiesen, aber mit ihnen ging auch gleich der wichtigste Wirtschaftsfaktor von Kerovnia. Die kleinen Wesen produzierten den besten und stärksten Whiskey, der zu einem wichtigen Exportprodukt des Landes geworden war. Der Herrscher steht nun vor einer schweren Entscheidung: Soll er dem Willen des Volkes entsprechen und die Zwerge wieder einbürgern, oder muß er den mächtigen Kreisen des Getränkemarktes nachgeben, die um ihre Marktanteile fürchten.

Eine verfahrene Situation, die umso bedrohlicher erscheint, als demnächst Wahlen vor der Tür stehen. Der Retter in der Not ist nun der Spieler, der einen Weg finden muß, die Verhältnisse in Kerovnia wieder zu ordnen und eine Lösung des Problems zu finden.

Abgesehen von dieser originellen Hintergrundstory hat "The Pawn" aber noch einiges mehr zu bieten. Am hervorstechendsten sind dabei die mit großer Auflösung dargestellten Grafiken mit denen die meisten Orte des Spiels unterlegt sind. Natürlich kann man das Programm auch auf einem SW-Monitor laufen lassen, doch die wahren Wunder dieser Kunstwerke offenbaren sich erst auf dem Farbmonitor. Drei volle Tage arbeitete ein Grafiker nur an einem Bild und diese Mühe sieht man ihm auch an. Die hohe Qualität kann mit den Bildschirmausdrucken leider nicht vermittelt werden. Doch ein Tip: Gehen Sie in den nächsten Computershop und sehen Sie selbst.

Neben der Grafik beeindruckt "The Pawn" durch einen außergewöhnlich guten Parser, der mit einem ca. 700 Worte großen - Wortschatz aufwartet. Satzeingabe und Verständlichkeit erreichen dabei eine Stufe, die bisher nur von Infocom geschafft wurde, dem Pionier in Sachen Textadventure.

"The Pawn" wartet also mit einer einmaligen Synthese von Farbgrafiken und einem hohen Sprachverständnis auf, das endlich die Text- und Grafikadventurefreaks in einem Spiel zusammenbringt. Die originelle Handlung trägt ihr Übriges bei, um das Programm an dieser Stelle für den Spieleoskar 1986 zu nominieren. Der wird zwar noch nicht vergeben, aber angesichts dieser Leistungen sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Auf den Punkt gebracht, bedeutet das: uneingeschränkt empfehlenswert für alle, die Unterhaltung am Computer suchen und nicht unbedingt mit einem prallen Geldbeutel gesegnet sind.

Hersteller: Rainbird + Magnetic Scrolls
System: Atari 520 ST+
Preis: ca. 99,- DM
Bezugsquelle: Profisoft GmbH


Thomas Tai
Aus: Computer Kontakt 08 / 1986, Seite

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