Sinclair maßgeSchneidert


**So oder so ähnlich könnte man den letzten Streich von Sir Clive Sinclair bezeichnen. Der britische Computerhersteller Amstrad — in Deutschland durch die Schneider Computer Division präsent — kauft Sinclairs Computergeschäft. Bedeutet das das Ende für einen der Pioniere des Heimcomputermarkts — oder frischen Wind in dieser Klasse?**

Der Montag ist aller Laster Anfang. So könnte man meinen, wenn der 7. April 1986 isoliert betrachtet wird. Als ständiger ■Sinclair-Beobachter- ist man ja allerhand Kummer gewohnt, aber fünf Presseinformationen von fünf verschiedenen Stellen mit ähnlichem Inhalt, da fährt auch dem hartgesottenen unbelehrbaren Sinclair-Fan der Schreck in die Knochen.

Was war geschehen? Die Kinnear Limited. Sinclairs britisches -Sprachrohr«, meldet, in eleganten Redewendungen verpackt. eine »substantielle Reorganisation zur Verstärkung der Forschung und Produktentwicklung- Darunter ist der Verkauf der Sinclair-Computer, der Sinclair-Patente und der Name Sinclair auf Computern zu verstehen. Gekostet hat der ganze Deal 5 Millionen Pfund.

In Klartext: Für rund 17 Millionen Mark hat Amstrad seinen lästigsten Konkurrenten aufgekauft. Die stolze Pressemitteilung von Amstrad lautet: »Amstrad kauft Sinclairs Computergeschäft weltweit- Gleiches vermeldet der bisherige Sinclair-Produzent, der schottische Timex-Ableger. Er fügt hinzu, daß Amstrad in die bestehenden Sinclair-Verträge eintreten will.

Vollständiger — und einfacher zu verstehen — ist die Meldung der deutschen Amstrad-Vertragspartner, der Schneider Computer Division Nach der Bestätigung des Kaufs von Sinclair durch Amstrad deutet ein Absatz die zukünftige Strategie von Amstrad/Schneider an:

»Amstrad wird die Sinclair-Computerprodukte weiterhin unter dem Namen Sinclair vermarkten. Der Vertrieb in Deutschland, Österreich, Schweiz und den Benelux-Staaten wird von der Schneider AG in Türkheim übernommen. Der Verkauf der Sinclair-Computer wird parallel zum Verkauf der Schneider-Computer laufen, wobei die Sinclair-Geräte den Unterhaltungsbereich und die Schneider-Computer den gehobenen Bereich der Heimcomputer sowie den Bereich der Geschäftscomputer abdecken werden.« Weiter heißt es — nicht ohne Stolz: »Die Übernahme erfolgt fast genau zwei Jahre nach dem Einstieg der Firmen Amstrad und Schneider in den Computermarkt, festigt die weltweite Stellung und erlaubt es den beiden Unternehmen, in einen speziellen Marktbereich einzudringen, der traditionsgemäß von den Marken Commodore und Sinclair beherrscht wurde.«

Vergleicht man diese Meldung mit dem Text, den die deutsche Pressestelle von Sinclair (als ihre letzte gute Tat für Sinclair) verbreitet, dann ist man — was die Zukunft der Sinclair-Computer betrifft - auch nicht schlauer. Nirgends findet sich auch nur der kleinste Fingerzeig, was mit den gehobenen Versionen Spectrum plus, Spectrum 128 und Sinclair-QL wird. Aber genau das interessiert nicht nur die 400000 bisherigen Sinclair-Kunden, sondern auch die potentiellen Käufer und die Software-Anbieter für diese Computer.


Fragen über Fragen

Wie geht es mit Sinclair weiter? Dazu ein Interview mit Jürgen Schumpich, dem deutschen Repräsentanten von Sinclair.

Happy: Herr Schumpich, haben Sie neben den offiziellen Pressemeldungen von Sinclair eine persönliche Mitteilung zu dem Geschehen erhalten?
Schumpich: Ja, am 8.4. um 9.40 Uhr, aber daraus geht auch nicht mehr hervor, als aus den offiziellen Verlautbarungen.
Happy: Bezüglich Ihres Vertrages mit Sinclair haben Sie keine Information, etwa eine Kündigung, bekommen?
Schumpich: Nein, deshalb gehe ich davon aus, daß georderte Ware weiterhin ausgeliefert und von uns vertrieben werden kann Was in der Zukunft mit dem Service und dem Verkauf wird, ist unklar.
Happy: Was werden Sie unternehmen?
Schumpich: Ich habe mich sowohl mit Sinclair als auch mit Amstrad in Verbindung gesetzt. Darüber möchte ich aber momentan nichts sagen.
Happy: Was denken Sie, warum Amstrad das Sinclair-Geschäft gekauft hat?
Schumpich: Amstrad will seinen Marktanteil, der in England etwa 10 Prozent betragt, erweitern. Immerhin hat Sinclair dort einen Anteil von 30 Prozent. Amstrad ist einen lästigen Konkurrenten los und hat sich mit dem QL preiswert eine gute 32-Bit-Konstruktion gekauft. Mit einigen Modifikationen kann Amstrad damit auch in diesen Markt einsteigen.
Happy: Was denken Sie, warum Sinclair verkauft hat?
Schumpich: Ich könnte mir vorstellen, daß Clive Sinclair seine Management- und Marketingfehler erkannt hat und sich auf das beschränken will, was er kann: auf das Entwickeln. Er möchte innovativ tätig sein und sich nicht mit dem Problem der Vermarktung herumschlagen, zumal der Heimcomputermarkt auf Dauer nicht mehr so zukunftsträchtig ist.

Inwieweit die Nacht- und Nebelaktion nicht nur den Leuten von Amstrad und Sinclair dient, sondern auch Vorteile für die Käufer von deren Produkten bringt und eigentlich recht erfreulich ist, vermag auch Jürgen Schumpich nicht zu sagen. »Ich erwarte eine positive Lösung zum Thema Service und Auslieferung der von mir bereits an den Handel vorverkauften QL und Spectrum 128. Sie dürfen nicht vergessen, daß ich sowohl an den Sinclair-Geräten hänge und mich nach 13 Jahren Sinclair-Verkauf auch meinen Händlern und Endkunden verpflichtet fühle«, sagt er zum Abschluß des Gespräches.

Nicht nur Böswillige und Pessimisten kommen schnell auf die Idee, daß sich Sinclair wieder einmal aus einer selbst verschuldeten finanziellen Notlage befreien mußte und Amstrad die Gunst der Stunde nutzte, einen Rivalen abzuhängen. Und laut Bernhard Schneider von den Schneider Rundfunkwerken Türkheim, den wir auch befragten, ist das richtig.

Schneider: Sinclair ist ein bedeutender Name auf dem englischen Markt. Und die Zielrichtung der Spectrum-Reihe hegt ganz eindeutig unterhalb der unserer Computer.
Happy: Bedeutet das, daß der Name Sinclair bestehen bleibt?
Schneider: Ja - und zwar als vollständig eigenständige Angebotsreihe neben der der Schneider-Computer.
Happy: Da bleibt dann natürlich die Frage im Raum stehen, was mit dem QL geschehen wird. Jürgen Schumpich, der bisherige Generalimporteur, glaubt ja, daß Amstrad sich billig in eine neue Produktreihe eingekauft hat.
Schneider: Dazu kann ich noch nicht viel sagen. Sie müssen verstehen, daß im Moment die Lage noch nicht klar ist. Allerdings paßt der QL zur Zeit nicht in das Konzept von Amstrad/Schneider.
Happy: Also »stirbt« der QL?
Schneider: Wie gesagt, Konkretes kann ich noch nicht dazu sagen. Dazu müssen wir erst mit unseren Partnern in England sprechen. Das wird wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen geschehen. Aber sicher ist. daß der Sinclair-QL mit seinen Mikrodrives nicht in das derzeitige Schneider-Konzept paßt.
Happy: Sinclair, das heißt also in Zukunft Spectrum?
Schneider: Wobei man aber nicht nur den heutigen Spectrum darunter verstehen darf. Vielmehr wird unter dem Namen Sinclair eine Computerreihe entstehen, die auf den heutigen Geräten aufbaut. Aber Neuentwicklungen sind damit nicht ausgeschlossen. Auch der Spectrum 128 paßt in solch eine Reihe.
Happy: Somit darf also auch der Spectrum-Besitzer hoffen, daß sein Computer wieder ein interessantes Gerät für die Soft- und Hardwarehäuser wird?
Schneider: Das ist so gewollt.
Happy: Ab wann übernimmt Schneider den Verkauf der Sinclair-Computer?
Schneider: Alan Sugar (Firmeninhaber von Amstrad. die Redaktion) hat den Wunsch, daß wir seine neuen Produkte exklusiv in Deutschland, Österreich, Schweiz und den Beneluxstaaten vertreiben. Und das werden wir ab einem Datum im Sommer dieses Jahres auch tun. Welcher Termin da interessant ist, das steht im Moment noch nicht fest. Außerdem wollen wir uns zuerst einmal mit Jürgen Schumpich zusammensetzen. Denn es soll keinen Bruch für die Sinclair-Kunden geben. Aber alles, was in Zukunft von Amstrad unter dem Namen Sinclair kommt, wird im Hause Schneider überprüft und gegebenenfalls vertrieben. Für den Sinclair-Besitzer ist die Zeit des Ungewissen vorbei.

Faßt man die beiden Stellungnahmen zusammen, so zwingt sich felgender Schluß auf: Wer mit dem bisher angebotenen Programm des Spectrums zufrieden ist, kann auch in Zukunft mit einem bewährten Gerät arbeiten. Er bleibt nicht im Regen stehen. Die Preise allerdings, die werden fallen. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, haben sich (für das Weihnachtsgeschäft in fünfstelligen Zahlen) deutsche Importeure günstig mit Spectrum-Geräten eingedeckt. Neues für den QL wird es kaum geben. Er paßt halt nicht in das Konzept.

(Manfred-D. Kotting/hg)



Aus: Happy Computer 06 / 1986, Seite 10

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