Messebericht Comdex Herbst 1986

Bild 1: Ein Blick auf den ATARI-Stand

**Die Messe der Superlative? Für Atari und die diversen Software Häuser kann man diese Frage mit „Ja“ beantworten. Das Schwerpunktthema für Atari war auf dieser Ausstellung nicht die Hardware, sondern die Demonstration diverser Software Pakete. Es wurde zwar, wie auch auf anderen Messen vorher, der Blitterchip gezeigt, aber selbst in USA wurde zu einem definitiven Liefertermin keine Stellung bezogen.

Sogar eine deutsche Firma war durch Herrn Brockner aus dem Hause Print Technik vertreten, der hier zum ersten Mal seinen Video Digitizer der Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten präsentierte.**

Desktop Publishing war nicht nur auf dem Atari Stand ein Zauberwort, sondern viele Anbieter der MS DOS Rechner versuchten auf diesem Gebiet etwas zu zeigen. Interessant war die Feststellung, daß bedienungsfreundliche Programme dieser Kategorie auf Rechnern der MS DOS Klasse unendlich Zeit brauchten. Diejenigen, die in der Verarbeitung schnell erschienen, waren offensichtlich kaum bedienbar. Es wurden nicht weniger als fünf Programme vorgestellt. Dank der benutzerfreundlichen GEM Oberfläche und der hohen Rechnergeschwindigkeit dürften die vorher genannten Probleme beim Atari nicht auftreten. Wenn auch die Produkte in diesem Jahr nicht mehr verfügbar sind, sahen die ersten Test-Versionen schon recht brauchbar aus.

Graphic Artist, das schon in Deutschland erhältlich ist (Vertrieb: KFC, Königstein), wurde um Bibliotheken zum Desktop Publishing ergänzt. Dieses Programm scheint jedoch eher ein CAD Paket als ein Programm zur grafikorientierten Textverarbeitung zu sein, obwohl die Demoausdrucke mehr als befriedigende Ergebnisse zeigten.

Boffin und 1st_Word Plus, die teilweise als Desktop Publishing bezeichnet werden, machen als Textverarbeitung mit Grafik Option einen recht guten Eindruck, verfügen aber keinesfalls über Qualitäten, die diese Art von Programmen ausmachen.

Bild 2: Publishing Partner von Soft Logic

Ganz anders dagegen das Programm Publishing Partner der SoftLogic Corp. (Vertrieb: Knupe, Dortmund), welches die Möglichkeiten des Apple LaserWriter und jeder Postscript-fähigen Einheit unterstützt. Ausgaben von 6 bis 144 Punkten Spiegelschrift. Invertieren und seitenverkehrtes Schreiben sind nur einige der Möglichkeiten dieses Paketes. Als wichtigstes bei diesem Paket erscheint mir die Ausgabe WYSIWYG -„What you see, is what you get“, d. h. man sieht alles auf dem Bildschirm so, wie es hinterher auf dem Drucker ausgegeben wird, auch die volle Druckerseite, natürlich auf dem Monitor verkleinert dargestellt. Dieses Produkt soll ab Ende Januar 1987 auch in Deutschland verfügbar sein, wie mir Hersteller und Distributor auf der Comdex erklärten.

LaserType von Softlab ist ein weiteres Programm dieser Art, welches bereits auf dem IBM PC verfügbar ist. Mit der Atari Version kann zum Frühjahr 1987 gerechnet werden. LaserType ist eine Textverarbeitung, die speziell für den HP-Laserjet+ unterstützt, ebenfalls unter GEM läuft, zusätzlich jedoch mit sehr vielen Tastatur-Zusatzbefehlen unterstützt werden muß.

Die Firma XLENT stellte ebenfalls ein Programm vor, welches in diese Kategorie einzuordnen ist. Typesetter Elite stellt eine radikale Weiterentwicklung des bekannten Typesetters dar. Zusätzlich ist das Programm Mega Fonts erschienen, um Zeichensätze selbst zu definieren. Beide Programme sind im Vertrieb von Computer Technik Kieck-busch, Ransbach und ebenfalls ab Januar erhältlich.

Ferner wurde, jedoch nicht auf dem Atari Stand, Word Perfect angekündigt.

Word Perfect ist ein Textverarbeitungsprogramm das auf IBM PC’s bereits einen großen Erfolg hat. Dieses Paket wurde gleichzeitig für den Apple Macintosh und für den Commodore Amiga vorgestellt. Genaue Liefertermine und Vertriebswege waren leider nicht zu erfahren.

Atari selbst hat eine Textverarbeitung vorgestellt, die Microsoft Word sehr ähnlich ist. Ob dieses Produkt den „Standard“ von First Word ablösen kann wird sich in der Zukunft erweisen.

Bei den Programmiersprachen waren alle namhaften Hersteller vertreten. Neue Programmiersprachen außer Cambridge Lisn, das seit ca. 6 Wochen verfügbar ist, wurden nicht gezeigt. Vertreten waren die Firmen Metacomco, Mark Williams und TDI. Wie mir Andrew Spencer von Metacomco mitteilte, arbeite man in England hart an einer neuen Version des Lattice C Compilers, der sicherlich inzwischen genau wie der Megamax C Compiler zum Standard in diesem Bereich geworden ist.

Auf meinem Messerundgang fiel mir in der Westhalle ein leistungsstarkes CAD Paket auf, das 1 : 1 vom IBM PC übernommen wurde. Der Drafix Source wurde auf dem ST neu compiliert und lief, bis auf geringfügige Änderungen in der Bildschirmausgabe. Drafix wird zunächst nur für den monochrom Monitor angeboten, weil ein CAD Paket dieses Umfangs nur mit dieser Auflösung arbeiten kann. Das komplette Paket soll ab Januar verfügbar sein und über Knupe, Dortmund vertrieben werden. Der Preis von unter DM 1000,-ist schon erstaunlich. Das CAD Paket wurde sowohl auf IBM AT-03 als auch auf dem Atari 1040 gezeigt. Interessant war, daß der Atari bei der Berechnung fast doppelt so schnell war wie der AT.

Als weitere CAD- oder Zeichenprogramme wurden noch Grafik Artist (bereits oben erwähnt) gezeigt und eine neue Version von Easy Draw. Ein Update soll für ca. DM 50,- von CTK, Ransbach für registrierte Endbenutzer zur Verfügung stehen.

Bild 3: CAD auf dem ST mit Drafix

Degas Elite, von Tom Hudson, wurde ebenfalls gezeigt und ist bereits in Deutschland lieferbar. Es ist die konsequente Weiterentwicklung von Degas, das sich bei den Zeichenprogrammen bereits einen guten Namen geschaffen hat.

Auch bei den Tabellenkalkulationen hat sich etwas getan. VIP Professional ist in GEM Version gezeigt worden. Es ist direkt nach der Comdex in Stückzahlen lieferbar. Auch die deutsche Version soll verfügbar sein, wurde jedoch auf der Messe aus verständlichen Gründen (welcher Amerikaner kann schon deutsch?) nicht gezeigt. Festzustellen war, daß das neue VIP wesentlich schneller arbeitet als die alte Version. Angesichts dieser Tatsache ist die Preiserhöhung um rund 30 % schon zu verstehen. Wie und ob sich der erhöhte Preis auch in Deutschland niederschlagen wird, muß man ab-warten. Eine weitere Tabellenkalkulation die voll unter GEM läuft, war ebenfalls zu sehen und ist ab Januar in Deutschland bei CTK und Knupe erhältlich.

Data Becker Produkte wurden auf dem Tisch des amerikanischen Softwarehauses Abacus gezeigt. Alle von Abacus gezeigten Programme fanden reges Interesse bei den Besuchern. Speziell das Programm Platine ST (so der deutsche Name) fand besondere Beachtung.

Das Angebot an Spielen wächst ständig. Der Flugsimulator II von Sublogic wurde in der Farbversion gezeigt. Dieser ist ab sofort lieferbar. Auf die Schwarz-Weiß Version müssen wir noch warten, da in USA hauptsächlich der Farbmonitor verkauft wird und Sublogic zunächst den US Markt sieht.

Bild 4: Animator ST oder als die Neochrome-Bilder laufen lernten

Aegis stellte seinen Animator ST vor, der wirklich erstaunliche Farbgrafikanimation zeigte. Der Animator ST soll ab Januar verfügbar sein und läuft nur auf dem Farbmonitor. Bilder von Neochrome können mit diesem Programm weiter verarbeitet und bewegt werden.

Michtron und Microdeal zeigten die neuen Produkte Karate Kid II (nach dem gleichnamigen Film), und Space Shuttle. Beide Programme sind ab Dezember 86 verfügbar. Karate Kid beinhaltet sehr schöne animierte Grafiken und läuft natürlich nur auf dem Farbmonitor.

Desweiteren wurden von Activision, FTL, Electronic Arts und vielen anderen namhaften Herstellern die neusten Spiele vorgestellt. Die Spiele werden bei Erscheinen von der ST Computer Redaktion vorgestellt werden.

Bild 5: Der Berührungsbildschirm

Ein ganz neues Anwendungsgebiet mit dem Atari ST wurde von Video Touch vorgestellt und zwar ein Berührungsbildschirm. Auf einem Atari Farbmonitor waren farbige Felder dargestellt, die nach Fingerberührung die entsprechenden Programmpunkte abarbeiteten, bzw. ein Menü aus verschiedenen Gerichten zusammenstellen ließ und dazu gleich die Rechnung schrieb. Interessant könnte so eine Anwendung beispielsweise in der Gastronomie und SB Läden werden oder auch als Informationssystem auf Ausstellungen oder ähnlichem, wo der Benutzer, ohne eine Tastatur oder Maus bedienen zu müssen, bestimmte Eingaben am Bildschirm durchführen kann. Ein komplettes Entwicklungssytem bestehend aus Atari 1040, modifiziertem Farbmonitor, einer Harddisk (20 MB) und einem Bon Drucker von Star wurde für ca. $ 5000,-angeboten.

Auf der Comdex Herbst 1986 wurden sehr viele neue und interessante Produkte für den Atari ST vorgestellt. Die Qualität der Programme nimmt ständig zu, so daß man sagen kann, daß der Atari auch in der Business Welt seinen Platz unter den führenden Computer Systemen finden wird. In Deutschland wird die nächste Cebit in Hannover sicherlich auch das ein oder andere hier angekündigte Produkt zeigen oder bereits früher in der ST Computer besprochen werden.

Rainer Kleinhans



Aus: ST-Computer 01 / 1987, Seite 16

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