EZ-Score Plus: Ein preisgünstiges Notendruckprogramm im Test

Notendruckprogramme waren bisher auf dem Musiksoftwaremarkt noch eine Seltenheit, vor allem für den ST. In letzter Zeit erst wurden einige Programme entwickelt. Eines davon, namens EZ-Score Plus von der amerikanischen Firma Hybrid Arts, soll hier vorgestellt werden.

Üblicherweise ist Notendruck-Software sehr teuer, da die Umsetzung von Musik mindestens genauso, eher noch aufwendiger ist, als ein komplexes Desktop Publishing Programm. Der Preis des Hybrid Arts Programms ist daher eine kleine Sensation: Nur 199.- DM soll es kosten. Für diesen Preis erhält man ein sehr ausführliches Handbuch im Ringordner und eine Programmdiskette, deren Inhalt auf jeder beliebigen ST-Konfiguration lauffähig ist, sowohl in Schwarzweiß als auch in Farbe.

Wie gut kann das Programm dem Anspruch, ein wirklich professionelles Notendruckprogramm zu sein, genügen, der auf der ersten Handbuchseite verkündet wird?

EZ-Score Plus (EZ kommt übrigens von ‘easy’, was bekanntlich ‘leicht’ bedeutet), bietet maximal drei Noten-Systeme, in denen die Musik spielen kann, an. Das bedeutet, daß maximal ein Trio (ohne Klavier) notiert werden kann, mehr darf man vom Easy-Score nicht verlangen. Partituren sind also nicht drin. Damit ist die Frage nach der Professionalität, die oben gestellt wurde, eigentlich schon beantwortet, so richtig, ganz und total professionell ist das nicht, vor allem auch wegen einiger weiterer, je nach Musik weniger schwerwiegender Einschränkungen. Aber für den Hobby- und Arrangementbereich, wo selten größere Partituren, oft aber Chorsätze oder Solostimmen verlangt werden, bietet EZ-Score einige Möglichkeiten, die andere Notendruckprogramme auch größerer Kategorie oft vermissen lassen, und das Programm erlaubt es, diese Features komfortabel einzusetzen. Besonders die Texteingabefunktion für Vokalmusik versetzte mich geradezu in Begeisterung, ebenso die Tatsache, daß das Programm fast alles, was man sich an musikalischen Sonderzeichen wünschen kann, zur Verfügung stellt. In der neusten Version, die seit der Musikmesse ausgeliefert wird, ist auch ein Zeicheneditor integriert, mit dem eigene Sonderzeichen ediert werden können.

Bild 1: Auswahl der Notensysteme

Nach dem Laden des kopiergeschützten Programms (Backup-Kopien sind I nicht möglich, beziehungsweise erfordern das Einlegen der Originaldiskette) erscheint ein typischer GEM- Bildschirm mit einer Menüleiste oben, einem Fenster mit Notenlinien und einer Menüleiste unten - Moment, Menüleiste unten??? Jawohl, da sich wohl nicht alle Features des Programms in eine Menüleiste packen ließen, wurde einfach auch an den unteren Bildrand eine gelegt. Die obere Menüleiste enthält alle Werkzeuge und Kommandos, die man für die Arbeit so braucht, in der unteren findet man all die Noten, Pausen und Sonderzeichen, die man auf einem Notenblatt so finden kann. Zur Bedienung sei, wenn ich schon mal dabei bin, kurz gesagt, daß die ganze Benutzeroberfläche recht komfortabel und leicht durchschaubar ist - keine Probleme also bei der Einarbeitung. Hinzukommt, daß fast alles auch über die Computertastatur erledigt werden sann. Wie bekommt man die Noten in den Computer? Im EZ-Score gibt’s dafür drei verschiedene Verfahren. Ihnen allen gemeinsam ist aber, daß zuerst einmal ein sogenanntes Format restgelegt werden muß, sprich die Anzahl der Systeme, ihre Klammerung, Notenschlüssel, Takt und Vorzeichen. In Sachen Anzahl und Klammerung der Systeme sind nicht allzuviele Möglichkeiten vorgesehen, um genau zu sein, insgesamt vier Formate stehen zur Verfügung: Ein einzelnes System für Solostimmen, ein Doppelsystem mit geschweifter Klammer (Klaviersystem), ein Doppelsystem mit zusätzlicher Solostimme und schließlich drei Systeme mit Akkolade, also für drei Solostimmen. Der Abstand zwischen den Systemen st in weiten Grenzen einstellbar, so daß zum Beispiel auch mehrere Strophen Text unter eine Melodie passen.

Eingabe der Noten

Wenn man ein Format gewählt hat, kann man mit der Eingabe der Noten beginnen. 1. Möglichkeit: Das Nagetier. Einfach aus der unteren Menüleiste ein Symbol auswählen, eine Viertel- oder Achtelnote beispielsweise oder eine Pause oder ein Fortissimozeichen oder was auch immer und per Mausklick in die Notenlinien setzen. Dabei gibt es vertikal eine ‘Snap’-Funktion, die dafür sorgt, daß Noten immer brav auf oder zwischen den Notenlinien landen, wie sich das gehört. Leider gibt es keine horizontale Rasterung, die bei der Eingabe gleiche oder zumindest regelmäßige Abstände zwischen Noten oder Akkorden erlaubte, auch eine automatische Formatierung, die ähnlich der Blocksatz-Funktion einer Textverarbeitung für Ordnung im Notenbild sorgt, fehlt. Aber dazu später mehr. Statt mit der Maus, können Sie Noten mich über ein angeschlossenes Midi-Keyboard eingeben. Die Noten erscheinen dabei genau an der Stelle, auf die die Maus zeigt. Schließlich liegen, wie oben bereits angedeutet, auch viele Symbole auf der Tastatur, so daß Sie auch auf diese Weise Noten plazieren können.

Bild 2: Auch Gitarrenakkorde lassen sich darstellen

Alle diese manuellen Eingabemöglichkeiten haben, wie gesagt, den Nachteil, daß die (horizontale) Positionierung nicht nur von Hand erfolgen kann (was sehr nützlich ist), sondern von Hand erfolgen muß, was sehr viel Arbeit und Sorgfalt bedeutet. Ich persönlich vermisse ein automatisches Setzen von Noten sehr. Dies ist um so ärgerlicher, als das Programm offensichtlich eine Formatier-Routine enthält, denn es können, als vierte Eingabemöglichkeit sozusagen, auch Stücke, die mit einem Hybrid Arts Midi-Sequencerprogramm eingespielt wurden, automatisch in Notenschrift übersetzt werden (Dazu, mal wieder, später mehr). Das funktioniert zwar nicht immer, wohl aber meistens reibungslos. Dabei entsteht ein richtig schön formatierter Notentext. Warum kann man diese Formatierung bloß nicht auf manuell eingegebene Noten anwenden?

Wenn man die Noten einmal im Computer hat, kann man sie auch wieder abspielen. Dazu kann man nicht nur ein Midi-Keyboard verwenden (im Interesse der Klangqualität natürlich zu empfehlen), nein, auch Abhören über den Atari-Monitorlautsprecher ist möglich, zumindest solange Sie nicht mehr als drei Töne gleichzeitig zu spielen versuchen -überzählige Noten werden dann ignoriert.

Selbstverständlich können die Noten auch anderweitig bearbeitet werden. Sie können Sonderzeichen, Wiederholungszeichen, Arpeggios und Triller. Akzente, Dal Segno- oder Da Capo-Symbole setzen, Bindebögen oder Glissandolinien sowie Crescendo- oder Diminuendo-Pfeile einfügen, kurz, fast alles, was das Herz begehrt. Selbst Wiederholungen mit abweichendem Schluß sind möglich. Besonders wichtig für Vokal-Stimmen ist es, daß man die Fähnchen von kleinen Notenwerten nach beheben zu Balken zusammenfassen kann (bzw. muß), oder auch nicht. Eine rein automatische Balken-Funktion ist sehr unbefriedigend, weil damit komplizierte Taktarten nicht vernünftig dargestellt werden können und bei Vokalstimmen die Regel, daß jede Textsilbe ein eigenes Fähnchen, nur Koloraturen aber einen Balken bekommen dürfen, zwangsläufig nicht eingehalten werden kann. Kurzum, diese Möglichkeit ist sehr wichtig, trotz allem wäre es aber schön, wenn für die einfachen Taktarten wie 4/4 oder 3/4 auch eine Automatik zur Verfügung stünde.

Auch die Richtung der Notenhälse kann frei bestimmt werden (oder, ausnahmsweise, auch automatisch gesetzt werden), was polyphone Stimmführungen mühelos möglich macht. Schließlich kann man mit dem üblichen Cut- und Paste-Editing auch beliebige Teile einer Komposition herausschneiden, kopieren und einfügen, um schnell das gewünschte Arrangement zu erhalten. Eine weitere Funktion erlaubt das Einfügen von kleinen Zwischenräumen, so das man leicht Platz für vergessene Sonderzeichen oder Text schaffen kann. Schlüssel-, Vorzeichen- und Taktwechsel mitten im Stück sind möglich, leider müssen aber Tonart und Takt immer für alle Stimmen gemeinsam gelten (also nichts mit der Klarinette über dem Klavier).

Apropos Text: Die Texteingabe für Vokal-Stimmen ist einfach chic: Das System anwählen, unter (oder über) dem der Text erscheinen soll, und losschreiben. Jeden Druck auf die Space-Taste faßt der Computer als Silben-Ende auf und zentriert die Silbe automatisch unter der Note, unter (oder über) der sich der Cursor gerade befindet. Danach springt der Cursor zu nächsten Note usw. Das geht schnell und elegant, eine Möglichkeit, Unterstriche zwischen Silben herzustellen, ist auch vorgesehen. So schön kriegt man Song-Texte per Hand nicht unter die Musik.

Bild 3: Noten sind u. u. über Popup-Menüs zu erreichen

Eine sehr hübsche Besonderheit des Programmes ist die Möglichkeit, Akkordbezifferungen und Grifftabellen für Gitarre im Notenbild unterzubringen. Songbook-Autoren aus Jazz und Pop herhören, hier könnt Ihr Euch jede Menge Arbeit sparen. Die Definition der Symbole ist sehr komfortabel und schnell. Super!

Leider, leider ist EZ-Score nicht sehr musikalisch. Er kann zwar eingegebene Noten abspielen, aber er führt keinerlei musikalische Kontrollen durch. So wird die Eingabe nicht auf Takttreue überprüft, es können beliebig viele Noten wüst im Takt verteilt werden. Besonders fehlt aber eine Transponier-Funktion, die (z.B. bei einem Tonartwechsel) automatisch die Notation anpasst. Gleiches gilt für Takt- oder Schlüssel Wechsel. Diese Funktionen vermisse ich doch sehr schmerzlich. Die oben bereits zitierte Klarinette macht beim Einspielen über ein Midi-Keyboard dann genauso Mühe, wie jedes andere transponierende Instrument. Im Grunde geht diese Kritik in die gleiche Richtung, wie auch die fehlende automatische Notentextformatierung. EZ-Score bietet alle Möglichkeiten, wenn es darum geht, grafische Veränderungen am Notenbild vorzunehmen, wie bei einem spezialisierten, objektorientierten Grafikprogramm. Mit musikalischen Veränderungen tut sich das Programm dagegen sehr schwer. Nachträgliche Takt- oder Tonartänderungen in ein Stück einzufügen, oder die Stimme einer Fuge zu transponieren, um sie nicht noch einmal eingeben zu müssen, ist schlicht-weg unmöglich. Leise macht sich der Seufzer ‘Zwei Seelen wohnen. Ach, in meiner Brust’ breit - Auf der einen Seite exzellente Edier- und Satzmöglichkeiten (Balken usw.), auf der anderen ein erheblicher Mangel an ‘musikalischen’ Möglichkeiten. Eigentlich wird man für längere Sätze nicht um einen Sequencer von Hybrid Arts herumkommen, z.B. den EZ-Track, der schon im Namen eine gewisse Seelenverwandtschaft andeutet. Die oben erwähnte ‘Auto Score ’-Option, mit der man über Midi eingespielte Stücke in das Notendruckprogramm übertragen kann, ist die einzige wirklich komfortable Möglichkeit, längere Werke einzugeben. Dabei ist es möglich, z.B. Taktwechsel von vornherein (sprich im Sequencer) einzuplanen und im Endeffekt ein wirklich sauberes Layout zu bekommen (nach gewisser Nachbearbeitung). Die Funktion arbeitet nicht immer fehlerfrei, es ist jedoch kein Problem, mit den Edierfunktionen solche Fehler zu korrigieren. Mühsamer können da schon Einspielfehler bzw. Ungenauigkeiten werden. Notation stellt ja immer nur eine Näherung der Musik dar, je exakter Sie spielen, desto besser gibt das Notenbild auch Ihre Musik wieder. Das Programm ist mit dem Hybrid-Switch kompatibel. Dies ist ein Programm, das es ermöglicht, mehrere Hybrid Arts-Programme gleichzeitig im Speicher zu halten und zwischen diesen Programmen mit einem Tastendruck umzuschalten. Man muß also nicht immer neu laden, wenn man zusammen mit einem Sequencer arbeitet.

Zum Druck

Das Programm druckt auf einer ganzen Reihe Epson- oder IBM-kompatibler 9-Nadeldrucker, sowie auf dem NEC P6. Die Druckqualität ist gut. Besonders schön ist der Textausdruck gelungen: Hierfür wird nämlich nicht der Atari-Zeichensatz verwendet, sondern Standard GDOS-Fonts, wie sie z.B. auch in DEGAS ELITE verwendet werden können. Dabei können drei verschiedene Fonts benutzt werden: Einer für Texte, einer für Titel und einer für Untertitel-Zeilen. Beim Druck stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung, ob Seitennummern gedruckt, das erste System eingerückt oder Titel und Untertitel mitgedruckt werden sollen. Zwei Qualitäten stehen zur Verfügung. Für Europäer ärgerlich ist die Beschränkung auf amerikanisches Papierformat; das Papier darf zwar unter Umständen größer als 11 Zoll sein, der zusätzliche Platz wird aber nicht genutzt (Wie sieht denn das aus...).

Schließlich können Noten auch als DEGAS-Bild abgespeichert werden, um sie dann mit dem Malprogramm weiter zu bearbeiten.

Bild 4: Probeausdruck mit EZ-Score Plus

Fazit

EZ-Score bietet einige sehr nützliche und leider wenig verbreitete Möglichkeiten, läßt aber andererseits auch einiges vermissen, das ihn zu einem wahrhaft professionellen Programm machen würde. Besonders gelungen sind die Texteingabe und die Akkord- und Grifftabellenfunktion, auch die Bindebogen- und Balkenfunktion ist ein wahrlich überdurchschnittliches Feature. Für eine Menge Anwender, vor allem im nicht professionellen Bereich, dürfte dieses Programm genau das richtige sein: es ist einfach zu bedienen, komfortabel und preislich interessant. Man darf sehr gespannt auf den bereits angekündigten großen Bruder des EZ-Score sein, der, wenn er die Schwächen seines kleinen Bruders ausräumt, die professionelle Notendruck-Landschaft sehr erweitern wird.

Mir gefällt der EZ-Score. Erwarten Sie keine professionellen Leistungen von diesem Programm, wohl aber eine Menge Möglichkeiten für Ihr Geld.

CS



Aus: ST-Computer 06 / 1988, Seite 84

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