Juristische Anwendungsprogramme Teil III

Für die Leser dieser Zeitschrift ist die Frage nach der geeigneten Hardware-Umgebung ohnehin kein Problem: Aus gutem Grund ATARI ST. Für die Juristen unter Ihnen stellt sich nur die Frage: Lohnt sich der Kauf dieser Rechtsprechungsdatenbanken? Mit anderen Worten: Welche Vorteile bieten elektronisch gespeicherte Informationen im Vergleich zum herkömmlichen Arbeitsmittel des Juristen, dem (Hand-)kommentar, wenn sie im Wege der computergestützten Recherche erschlossen werden? Ein Vorteil ist die Aktualität. Kommentare erscheinen allenfalls jährlich, bei geringerer Auflage in mehrjährigem Abstand. Aktuellere Entscheidungen und Veröffentlichungen lassen sich daneben nur durch die Lektüre von Zeitschriften verfolgen, wobei jeder Jurist nur sein “Spezialgebiet” im Auge behalten kann. Andere Rechtsgebiete lassen sich nur über die halbjährlich oder jährlich erscheinenden Registerhefte, über Fundhefte oder Karteien erschließen. Sämtliche Recherchearten erfordern einen erheblichen Zeitaufwand.

Wenn man BGH-DAT einmal mit der Amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vergleicht, spricht für BGH-DAT die größere Anzahl der Entscheidungen, die nachgewiesen werden, nämlich 750 zu 134 im Jahre 1986. Dafür sind die Entscheidungen in der .Amtlichen Sammlung im Volltext.

Ein weiterer Vorteil der computergestützten Recherche liegt darin, daß der Anwender nicht auf bestimmte Zugriffswege beschränkt ist. Kommentare, Entscheidungssammlungen und -karteien sowie Fundhefte sind regelmäßig nach Gesetzen und Paragraphen geordnet, Zeitschriftenregister enthalten daneben häufig ein Schlagwortregister. In der Amtlichen Sammlung ebenso wie in den Fachzeitschriften befindet sich zwar ein Inhaltsverzeichnis und ein Gesetzes- und Paragraphenregister, aber diese erstrecken sich nur auf den jeweiligen Band. Übergreifende 5 oder 10 - Jahresregister werden in der Praxis selten benutzt, vermutlich wegen ihres hohen Preises und ihres Umfangs.

Elektronisch gespeicherte Informationen lassen sich demgegenüber meistens differenzierter erschließen, beispielsweise durch Beschränkungen hinsichtlich des Gerichts, des Datums oder anderer Kriterien. Andererseits gibt es bei BGH-DAT wie bei anderen elektronisch gespeicherten Rechtsprechungsdatenbanken prinzipiell keine Beschränkung des Nachweises auf bestimmte Zeiträume - der Benutzer kann den Suchzeitraum jedoch von sich aus beschränken, wenn er will.

Egal, ob man die BGH-Entscheidungen nun in gedruckter oder in elektronisch gespeicherter Form durchsucht - als Jurist wird man üblicherweise von einem Schlagwort ausgehen, es sei denn, es gibt eine gesetzliche Vorschrift, die genau das und nur das regelt, was man wissen möchte. Der Nutzen von BGH-DAT steigt somit in dem Maße, je differenzierter die gespeicherten Entscheidungen verschlagwortet werden.

Hier scheint mir noch einiges im Argen zu liegen. Die Anzahl der Schlüsselbegriffe beträgt zur Zeit 1095. Das ist im Vergleich zu den Stichwortverzeichnissen in gedruckten Medien immer noch wenig. Die Herausgeber von BGH-DAT scheinen die gespeicherten Entscheidungen "ach und nach verschlagwortet zu haben. Sinnvoller, aber auch erheblich arbeitsaufwendiger wäre es gewesen, zunächst ein Verzeichnis aller im Zivilrecht (und den angrenzenden Rechtsgebieten) einschlägigen Stichworte, also einen sog. Thesaurus, anzulegen. Das hätte zwar eine enorme Vergrößerung des Stichwortkatalogs zur Folge gehabt. Andererseits hätte es dann einen einheitlichen Standard der Verschlagwortung gegeben, ier für alle Bearbeiter verbindlich gewesen wäre. Wer sich einmal mit der Materie beschäftigt hat, wird wissen, wie unscharf unsere vermeintlich so präzise Wortwahl st und wie schwierig es ist, bei mehreren Bearbeitern eine einheitliche Verwendung von Begriffen zu erreichen. Diese Schwierigkeiten sind natürlich bei der Herausgabe von zwei oder drei Jahrgängen BGH-Rechtsprechung noch nicht offensichtlich, mit zunehmender Datenmenge werden sie vermutlich rasant ansteigen. Dieser Einwand kann auch nicht durch die ca. 3000 Schlagworte in der Datei BGHR von BGH-DAT nicht entkräftet werden, weil diese Schlagworte in die Datei SUCH noch nicht aufgenommen wurden.

Mit diesem Problem hängt auch die Versendung von Synonymen zusammen. Wer Beispielsweise mittels BGH-DAT die neuesten Urteile zu Konsumentenkrediten erfahren möchte, wird dieses Stichwort nicht im Schlüsselkatalog finden. Gut: der Jurist wird dann unter Ratenkredit nachschauen und dort fündig werden. Dennoch sind solche Verweise, wie auch ein Blick in die Stichwortverzeichnisse von gedruckten Medien zeigt, gerade für mit der Materie weniger vertraute Anwender nicht überflüssig.

Ich plädiere daher für die Verwendung eines einheitlichen, einmal festgelegten und von oben vorgegebenen Thesaurus für alle juristischen Datenbanken unter ADIMENS ST: Wie die beiden Datenbanken WEG-DAT und WEHRDAT zeigen, bietet sich ADIMENS ST auch zur Erstellung eigener privater juristischer Datenbanken an. Nur wenn ein einheitlicher Bestand an Schlüsselbegriffen vorliegt, ist der Import fremder Daten in die eigene Datenbank und umgedreht sinnvoll. Dem Hörensagen nach bestehen zwischen BGH-DAT und WEG-DAT Abstimmungsprozesse in dieser Richtung. Andererseits sollen der Übernahme der schon existierenden Schlüsselbegriffe in private Datenbanken urheberrechtliche Bedenken gegenüberstehen. Ich bin kein Urheberrechtler, aber das “simple” Abkürzungen urheberrechtlich geschützt sein sollen, leuchtet mir nicht ein.

Die Anlegung eines derartigen, erweiterten Thesaurus hätte eine erhebliche Vergrößerung der Datei “Schlüsselbegriffe” zur Folge, die aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit schon jetzt einer der Schwachpunkte der Datenbank ist, wenn man sich die Begriffe als Liste anzeigen läßt. Die Anzeige der Schlüsselbegriffe als Liste und das Springen mittels des Rollbalkens innerhalb der Liste dauert quälende Sekunden, die nervig werden, wenn man “seinen” Schlüsselbegriff nicht findet und nun das Alphabet nach einem anderen geeigneten durchforsten muß. deshalb sollte man sich alle Schlüsselbegriffe in einer Liste ausdrucken lassen. Ich schlage dennoch vor, zusätzlich ein Stichwortverzeichnis einzuführen, das zur Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit nur als informative Übersicht ohne Weiterverzweigungsmöglichkeit, also nicht als Schlüsselfeld angelegt ist. Um beurteilen zu können, ob eine weitere Suche sich lohnt, sollten danach, sofern schon vorhanden, die entsprechende Abkürzung (“wildcard”) als Schlüsselbegriff und die Anzahl der zu diesem Begriff gespeicherten Entscheidungen angegeben werden, damit der Benutzer entscheiden kann, ob er auf einen anderen oder einen allgemeineren Begriff ausweicht, um eventuell noch zum Ziel zu kommen, oder ob er seine Wahl des Schlüsselbegriffs noch präzisieren muß. Den jeweiligen Suchbegriff müßte der Benutzer nur kurz notieren und könnte dann gleich in der Datei “BGH” mit der Suche beginnen.

Jetzt höre ich schon den Einwand der Verfasser, daß ein differenziertes Stichwortverzeichnis überflüssig sei, weil man über die Optionen “Wahl definieren" und “Wahl verwenden” in dem jeder Entscheidung beigegebenen Kurztext suchen könne. Das klingt zwar zunächst einleuchtend. Mich befriedigt diese Alternative jedoch nicht. Ich würde diesen Einwand zur Not dann gelten lassen, wenn die Entscheidungen im Volltext gespeichert wären. Das sind sie jedoch nicht. Die Bearbeiter berufen sich jedoch darauf, daß die Zusammenfassung eine “Keminformation” darüber geben sollen, ob es sich lohnt, den Volltext in einer der Fundstellen nachzuschlagen, daß im Textfeld alle maßgeblichen Begriffe einmal in vollem Wortlaut eingegeben werden und daß die Bearbeiter darauf achten, möglichst die gleichen Bezeichnungen für gleiche Rechtsinstitute zu verwenden (1). Nach diesen Ausführungen schätze ich die Wahrscheinlichkeit, daß der gesuchte Begriff in dem “Extrakt” der Entscheidung enthalten ist, zwar als hoch, aber nicht als ausreichend hoch ein, daß man sich darauf verlassen kann.

“Man sieht nur, was man weiß”, heißt es in der Werbung für einen Reiseführer. Übertragen auf BGH-DAT heißt dies, man findet nur das, von dem man weiß, daß es gespeichert ist. Nach meiner Ansicht gibt es daher zu einem umfangreichen Thesaurus mit einer Übersicht der gespeicherten einschlägigen Entscheidungen keine Alternative.

Ohne dieses ausführliche Stichwortverzeichnis wird der Benutzer jedenfalls nach der “trial and error”-Methode Vorgehen müssen und sich im Laufe der Arbeit ein “Händchen” dafür zulegen müssen, wie weit er eine Anfrage einschränken darf, um noch zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Im Zweifel wird man mit einer möglichst pauschalen Anfrage beginnen und nach der Anzeige der gefundenen Entscheidungen entweder eine neue Anfrage starten, um die Anzahl zu verringern, oder die Entscheidungen auf das “Klemmbrett” übernehmen, um von dort aus weiter zu selektieren.

Dieses “Klemmbrett” ist dann auch eine der segensreichsten Einrichtungen von ADIMENS ST. Die Entscheidungen, die in diesen Zwischenspeicher übernommen wurden, lassen sich recht schnell abrufen. Man wird dabei in der Regel mit der aktuellsten Entscheidung beginnen und sich solange zurückarbeiten, bis man gefunden hat, was man suchte.

Die dritte Zugriffsmöglichkeit - neben Schlagwort und Gesetzesparagraph - ist über das Aktenzeichen. Nun wird es wohl für die wenigsten Benutzer von Interesse sein, alle Entscheidungen eines bestimmten Senats aufgelistet zu bekommen, selbst wenn man den Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs vor Augen hat. Um die Rechtsprechung eines bestimmten Senats in einem speziellen Bereich zu verfolgen, gibt es über Stichwort und Norm differenziertere Zugriffsmöglichkeiten. Interessant ist aber der Zugriff auf die Fundstellendatei über das Aktenzeichen. Dies liegt wie gesagt daran, daß die Register in Zeitschriften üblicherweise in jählichem oder halbjährlichen Abstand erscheinen. Eine löbliche Ausnahme ist hier die Zeitschrift “Der Betrieb”, die ein monatliches Register beifügt, in dem jedoch nicht die vorherigen Monate enthalten sind. Als Negativbeispiel im Hinblick auf die Aktualität können wohl die NJW-Fundhefte dienen, die über zwei Jahre hinterherhinken.

Als vierte Zugriffsmöglichkeit gibt es noch das Datum einer Entscheidung. Hier gilt das zum Aktenzeichen Ausgeführte entsprechend.

Die obigen Ausführungen über die Suchstrategie via Stichwortverzeichnis gelten natürlich in gleichem Maße für WEHR-DAT und WEG-DAT. Hier stehen insgesamt - nur - 261 bzw. 120 Stichworte in der Datei “Schlüsselbegriffe” zur Verfügung. Der Herausgeber von WEHRDAT behauptet mit einiger Schlüssigkeit, das diese Menge für dieses Spezialgebiet ausreiche. Auch hier scheint das Stichwortverzeichnis mit den eingegebenen Entscheidungen gewachsen zu sein. Die Zuordnung der Paragraphen erfolgte bei WEHRDAT entsprechend der Einordnung in der Sammlung der Bundesverwaltungsgerichtsurteile im “Buchholz”. Das heißt mit anderen Worten: Wer ein Problem hat, das unter einen Paragraphen des Wehrpflichtgesetzes oder des Zivildienstgesetzes schlüssig subsumierbar ist, greift gleich zum “Buchholz”, weil er dort die einschlägigen Entscheidungen chronologisch und zumindest in den wesentlichen Entscheidungsgründen vor sich hat. Der Einsatz von WEHRDAT kommt dann in Betracht, wenn es sich um ein Problem handelt, das zwar höchstrichterlich entschieden ist, wegen anderer Elemente in den Entscheidungsgründen jedoch “unter dem falschen Paragraphen” abgeheftet ist. Hier wird der Zugang über ein Stichwort oder an zweiter und weiterer Stelle aufgeführte Paragraphen den Zugriff auf Entscheidungen ennöglichen, die man im “Buchholz” nicht so ohne weiteres gefunden hätte. Dazu kommt, daß WEHRDAT - wenn auch nur in geringem Umfang - Entscheidungen enthält, die nicht im “Buchholz” veröffentlicht sind. Eine ähnliche Anlehnung an eine gedruckte Textausgabe scheint mir auch für WEG-DAT empfehlenswert zu sein. Hier liegt m.E. auch die große und ausbaufähige Chance von WEHRDAT und WEG-DAT: Wenn man sich auf ein praxisrelevantes Rechtsgebiet konzentriert, benötigt man auch das Wissen der unteren und mittleren Instanzen, weil längst nicht alle Streitigkeiten bis zum obersten Gericht, also zum BGH oder zum BVerwG, hochgetrieben werden. Das Wehrrecht bildet aus den oben erwähnten Gründen hier eine Ausnahme.

Damit komme ich zu einer allgemeineren Frage juristischen Arbeitens zurück. Ein Jurist, der über ein Rechtsproblem nach-denken muß, wird nicht immer gleich zu einer Entscheidungssammlung greifen. Er wird zunächst - zumindest aber parallel - zu einem Kommentar greifen, der einen Paragraphen näher erläutert und den aktuellen Stand von Rechtsprechung und Schrifttum darstellt. Fraglich ist, ob eine Rechtsprechungsdokumentation damit konkurrieren kann. Meines Erachtens leidet eine reine Rechtsprechungsdokumentation ungeachtet aller Vorteile unter einem großen Manko: Sie ist statisch. Sie stellt Entscheidungen ganz einfach nur dar, ohne jede Bewertung. Juristische Tätigkeit ist aber oft keine bloße Subsumtion eines Tatbestandes unter eine Rechtsnorm, sondern in der Regel zugleich eine Bewertung. Dies soll an zwei Beispielen deutlich gemacht werden.

Erstes Beispiel: Die höchstrichterliche Rechtsprechung kann sich ändern. Im Regelfall wird das Gericht diese Änderung schon im Leitsatz deutlich machen. Es gibt jedoch auch weniger offensichtliche Rechtsprechungsänderungen, die sich über eine Kette von Einzelfallentscheidungen vollziehen. Das kann soweit gehen, daß das Gericht eine Änderung der Rechtsprechung leugnet. Ebensogut kann sich auch der Inhalt einer Norm ändern, obwohl die Bezeichnung die gleiche bleibt. Wie wirken sich solche Änderungen auf das Suchergebnis aus? Werden solche überholten Entscheidungen aus dem Dateibestand ausgeschieden oder als überholt gekennzeichnet - wie in WEHRDAT, wo bei einigen Entscheidungen im Inhaltsfeld steht: “Altes Recht!!!”? Wenn diese Bezeichnung fehlt, ist der Leser dann überhaupt in der Lage, Veränderungen und Entwicklungen der Rechtsprechung wahrzunehmen? Schon dieses Beispiel macht deutlich, daß es mit der reinen Speicherung von Entscheidungen nicht getan ist, sondern daß bewertende Hinweise des Herausgebers oft unumgänglich sind.

Zweites Beispiel: Es gibt auch höchstrichterliche Urteile, die von Teilen des Schrifttums und auch von vielen Untergerichten abgelehnt werden. Als Beispiel se nur auf die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Unterlassungsanspruch des Betriebsrats hingewiesen (2). Auch wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung quasi Gesetzeskraft hat, ist sie doch nicht unveränderlich. Rechtsprechung ist immer Menschenwerk. Es kann sich daher für einen Anwalt mitunter lohnen, auch einmal gegen höchstrichterliche Entscheidungen zu argumentieren. Woher soll er die Gegenargumente bekommen? Eine rein positivistische Darstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung reicht daher nicht aus.

Meine These ist also: Eine Rechtsprechungsdatei kann sich nicht mit der Wiedergabe der Entscheidungsgründe begnügen. Für eine vernünftige juristische Arbeit muß dem Benutzer, der sich nicht auf allen Rechtsgebieten gleich gut auskennen kann, mit zumindest einigen kurzen Hinweisen Stellenwert und Bedeutung der dokumentierten Entscheidung deutlich gemacht werden. Unverzichtbar ist m.E. darüberhinaus der Verweis auf weiterführende Literatur.

Diese These wird dadurch gestützt, daß BGH-DAT und WEHRDAT in ihrer gegenwärtigen Form sonst nur Übergangslösungen darstellen. In absehbarer Zeit wird nämlich die Rechtsprechungsdokumentation auf Disketten von einem neuen Speichermedium abgelöst werden: dem vom Musikmarkt bekannten CD-ROM (= Compact Disk - Read Only Memory), also einem optischen Speicher, der auf dem Abspielgerät nur gelesen, aber nicht neu bespielt werden kann. Ihr Vorteil gegenüber den herkömmlichen Disketten ist die erheblich höhere Speicherkapazität. Die ersten Datenbanken auf CD-ROMs existieren bereits - überwiegend in den USA. In der Bundesrepublik wurde zuerst die Bibel auf CD gespeichert, für Theologen nicht uninteressant. Als Jurist hätte man lieber Standardkommentare wie beispielsweise den “Pa-landt” gesehen. Auf CD-ROM werden jedoch nicht nur Kommentare vertrieben werden sondern auch Rechtsprechungsdokumentationen. Wie so etwas aussieht, kann gegenwärtig schon besichtigt werden - allerdings nur für die schweizerische Rechtsprechung. Die IBIS Service AG bietet seit letztem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Bertelsmann Computer Beratungsdienst die seit 1960 veröffentlichten Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts auf CD-ROM unter dem Namen “LawBase” an (3). Die Erstellung dieser Datenbank auf CD war technisch recht einfach. Die veröffentlichten Entscheidungen wurden über Scanner eingelesen. Danach wurde das Ergebnis auf Schreibfehler überprüft und auf CD-ROM vervielfältigt. Die Frage, ob einem gleichen Vorgehen in Deutschland Schwierigkeiten wegen eines etwaigen Urheberrechts an - nicht amtlichen -Leitsätzen entgegenstehen, soll hier nicht weiter vertieft werden. Dies wäre zumindest dann obsolet, wenn die juristischen Fachverlage ihre Loseblatt - Entscheidungssammlungen wie beispielsweise den “Buchholz” auf CD-ROM bringen. Angesichts des geringen technischen Aufwandes ist ein “Nachziehen” deutscher juristischer Verlage m.E. nur eine Frage der Zeit. Bislang scheitert dies nur daran, daß die Verlage befürchten, mit elektronischen Medien weniger zu verdienen als mit gedruckten. Gleiches gilt für die Gesetzessammlungen, wie z.B. das deutsche Bundesrecht aus dem Nomos - Verlag, das ja bereits Online angeboten wird (4). Wenn man bedenkt, welche Arbeitszeit damit vergeudet wird, Loseblattsammlungen durch das Einsortieren von Nachlieferungen auf dem neuesten Stand zu halten, dürfte dies einem echten Bedürfnis der Praxis entsprechen. Daher steht der Richter, der sich statt einer riesigen Volltextdatenbank lieber den Schönfelder und den Erbs/Kohlhaas auf Disketten (bzw. auf CD-ROM) wünscht, weil er auf die Informationen schneller zugreifen kann und die Ergänzungslieferungen nicht mehr einsortieren muß, nur stellvertretend für viele.

In einem weiteren Stadium dieser Entwicklung wird konsequenterweise die Speicherung auch von Standardkommentaren wie dem “Palandt” auf CD-ROM erfolgen. Damit wäre auch das von mir eben beklagte Manko der reinen Rechtsprechungsdokumentationen ausgeglichen. Der Jurist würde sich den Zugang zur Problemlösung wieder über den Kommentar verschaffen. Stößt er auf eine (vermeintlich) einschlägige Entscheidung, wird er auf die Rechtsprechungsdatenbank umschalten und überprüfen, ob die zitierte Entscheidung ihm in seinem konkreten Fall weiterhilft.

Am Ende dieser Entwicklung steht dann eine Synthese aus Dokumentendatenbank (Gesetze, Verwaltungs Vorschriften, Rechtsprechung) und juristischem Kommentar. Die Kommentierungen werden fast genauso aktuell sein, wie die Veränderungen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung. Die jeweiligen Bearbeiter sichten die Literatur (bzw. zukünftig die Disketten), die ihnen von Gerichten und Verlagen gesandt werden und überarbeiten laufend ihre Kommentierung. Zum Preis eines gedruckten Palandt produziert beispielsweise der Beck-Verlag zukünftig vierteljährlich einen Palandt-CD, der im Abonnement vertrieben wird. Utopie? Und weil es eine Verschwendung ist, jedes Vierteljahr seinen CD-Palandt wegzuwerfen, beschert uns die Industrie -natürlich erst dann, wenn sich alles armortisiert hat - die wiederbespielbare CD, auch WORM genannt. Dann gibt es jeden Monat über Mailbox den neuesten Palandt...

Welche Funktion verbleibt dann noch für Rechtsprechungsdokumentationen auf Disketten? Ich sehe zwei Vorteile: Aktualität und Individualität. Aktualität kennzeichnet den Zeitraum zwischen zwei CD-ROMS, um aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Schrifttum zu dokumentieren. Hier wäre ein Diskettenupdateservice in kurzen zeitlichen Abständen denkbar. Allerdings auch nur solange, bis der Abruf aus ständig aktualisierten zentralen Datenbanken billiger ist als die Portokosten.

Von daher ist es nur folgerichtig, daß die in BGH-DAT gespeicherten Entscheidungen auch aus einer Online - Datenbank des Carl- Heymanns-Verlages abgerufen werden können. Seit Mitte des letzten Jahres können die Entscheidungen in monatlichem Abstand unter dem Schwarzen Brett im Mailboxsystem “ALexIS” abgerufen werden. Neunzig von Hundert der Entscheidungen, die der Bundesgerichtshof verkündet hat, werden dort bereits im Folgemonat dokumentiert (5).

Diese Tendenz der Zweiteilung in ein Grundwerk auf CD-ROM und aktuelle Ergänzungen ist übrigens auch bei den herkömmlichen Online - Datenbanken (siehe dazu auch die Übersicht im ersten Teil) zu beobachten. Ihre Technik ist im Prinzip bereits heute veraltet, die Betriebskosten viel zu hoch. Da Online -Recherchen unter diesen Umständen oft extrem teuer sind, planen einige Anbieter, die gespeicherten Bestände ihren Kunden auf CD - ROM zur Verfügung zu stellen.

Der Kunde kann zunächst im trauten Heim recherchieren. Ist er mit dem Ergebnis nicht zufrieden, oder legt er Wert auf die aktuellsten Informationen, recherchiert er dann online weiter. Vorreiter auf diesem Gebiet ist die Hoppenstedt Wirtschaftsdatenbank GmbH, die ihre Daten bereits jetzt auf CD - ROM vertreibt (6).

Die Software der “Schreibtischdatenbanken” bietet darüberhinaus den Vorteil der Individualität. CD-ROMs werden sich immer nur an einen Massenmarkt wenden und sich daher auf die obergerichtliche Rechtsprechung, Standardwerke oder finanziell lukrative Rechtsgebiete wie das Steuerrecht (nicht umsonst sind die Steuerberater den Juristen voraus, siehe nur DATEV) beschränken. Für den Richter oder Anwalt, der nicht in den Metropolen sitzt, ist die BGH-Rechtsprechung oft zweitrangig; wichtig ist die örtliche Rechtsprechung des LG oder OLG. Dazu kommt häufig eine Spezialisierung auf bestimmte Rechtsgebiete. Von daher besteht bei vielen Juristen Interesse am Aufbau einer individuellen Datenbank.

Wenn sich also die Herausgeber der hier vorgestellten Datenbanken gegen die bevorstehende CD-ROM-Invasion längerfristig behaupten wollen, können sie dies nur durch zwei Faktoren: einmal Anwenderfreundlichkeit. Dazu zähle ich insbesondere den problemlosen Parallelbetrieb von Textverarbeitung und Rechtsprechungsdatei. Es muß also möglich sein, an einem Schriftsatz oder Urteil zu sitzen, sich bei hakeligen Punkten in der Rechtsprechungsdatei zu vergewissern und ggf. Leitsätze und wesentliche Entscheidungsgründe in den gerade in Arbeit befindlichen Text zu übernehmen.

Zweitens: Durch Scanner mit Schrifterkennung wird das Einlesen einmal gedruckter Texte in die elektronische Datenverarbeitung zukünftig ein Kinderspiel. Texte werden zukünftig in beliebiger Menge im Computer zur Verfügung stehen. Die “Informationsflut” kommt erst noch. Entscheidend wird daher die Unterstützung des Anwenders beim Differenzieren und Selektieren der Informationen sein. Mit anderen Worten: Die Texte stehen nicht für sich. Nötig ist deren redaktionelle Bearbeitung. Wer konkurrenzfähig bleiben will, wird dem Anwender durch Urteilsanmerkungen von Kennern der jeweiligen Rechtsmaterie den Stellenwert der Entscheidungen verdeutlichen müssen. Zum Service sollte weiterhin der Hinweis auf einschlägige Bücher und Zeitschriftenaufsätze gehören.

Das kostet Geld. Es steht zu befürchten, daß es am Ende nur wenige Sieger geben wird. Umso mehr sollten die Justizverwaltungen schauen, daß sie einen Fuß in die Tür bekommen. Die Erfassung sämtlichere!) höchstgerichtlicher Entscheidungen und die Installation eines ATARI ST an jedem Richterarbeitsplatz mit ständig aktualisierter Rechtsprechung der jeweiligen Obergerichte wäre hier das Mindeste. Daß sich dieser Vorschlag utopisch anhört, liegt wahrscheinlich nur daran, daß hiermit zu wenig Geld verdient werden kann...

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Im Rahmen dieses Übersichtartikels kann natürlich nicht auf alle “Feinheiten” der Rechtsprechungsdatenbanken eingegangen werden. Die Vorteile und damit die Überlegenheit dieser Rechercheart im Vergleich zu den Printmedien erschließen sich dem Juristen ohnehin erst nach und nach im täglichen Gebrauch. Interessierten ATARI-ST-Usem kann hier nur empfohlen werden, sich mit den vielfältigen Möglichkeiten von ADIMENS ST vertraut zu machen und eine Demo-Version anzufordern, um diese Rechtsprechungsdatenbanken in seioner gewohnten Arbeitsumgebung auszuprobieren, wenn sie sich nicht gleich zum Kauf entschließen können. Schon anhand dieser Demo-Versionen lassen sich gute Einblicke in diese neue, zukünftig aber wohl alltägliche Arbeitsweise des Juristen gewinnen.

Als persönliches Fazit möchte ich an dieser Stelle festhalten: Der Kauf diese Rechtsprechungsdatenbanken kann -unbeschadet der vorstehenden Anregungen - uneingeschränkt empfohlen werden.

Der Kauf von BGH-DAT lohnt für alle Juristen, die im Bereich des Zivilrechts tätig sind, weil die elektronische Speicherung Recherchen in einem Umfang und einer Geschwindigkeit erlauben, die einmalig sind. Unverzichtbar ist der Kauf für Juristen, die auf aktuelle und unveröffentlichte Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen angewiesen sind. Unverzichtbar ist der Kauf außerdem den juristischen Fakultäten oder juristische Bibliotheken zu empfehlen - allein schon, um den Jurastudenten die Möglichkeit zu geben, sich mit den Möglichkeiten des Computereinsatzes bei ihrer Arbeit vertraut zu machen. Im juristischen Bereich gibt es dafür keine sinnvollere Anwendungsmöglichkeit.

Leider ist dieser Versuch einer Rechtsprechungsdatenbank wegen seiner Beschränkung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung in Zivilsachen etwas halbherzig. Es fehlt die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Rechtsgebieten, die relevante Instanzrechtsprechung sowie generell die Literaturdokumentation. Auch wenn man die gegenwärtigen Kosten für Speicherplatz auf Festplatten in Rechnung stellt, dürfte es dennoch kein Problem sein, Rechtsprechung und Literatur zumindest mit Leitsätzen bzw. Ab-stracts zu erfassen und zu versenden, so daß dem Juristen wenigstens eine elektronisch gespeicherte “NJW-Leitsatzkartei” zur Verfügung steht. Dies tut jedoch der Bedeutung von BGH-DAT als Pionier einer Schreibtischdatenbank im Bereich der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen Abbruch. Es ist vielmehr zu hoffen, daß diese noch fehlenden Bereiche alsbald ebenso wie bei BGH-DAT erschlossen werden.

Hier sind insbesondere die Justizverwaltungen aufgefordert, ihre ohnehin vorhandene Rechtsprechungsdokumentation auszubauen und auf die elektronische Speicherung auszudehnen. Dabei ist vor Online-Datenbanken wie Juris zu warnen, die aufgrund ihrer hohen Kosten von der Justiz praktisch kaum genutzt werden. Es ist (zumindest langfristig) kostengünstiger, jedem Richter einen PC mit Festplatte auf den Schreibtisch zu stellen und so eine Vielzahl von dezentralen Rechtsprechungsdatenbanken zu installieren.

Der potentielle Benutzerkreis von WEHRDAT ist dagegen geringer. Hier geht es um Rechtsanwälte, Richter und Beamte der Bundeswehrverwaltung, Beratungsstellen für KDV und ZDL und andere, die sich vorzugsweise mit dem Wehrpflichtrecht und den angrenzenden Materien beschäftigen. Da dies kein lukrativer Markt ist, wird eine Dokumentation auf CD wohl noch einige Jahre dauern. WEHRDAT könnte hier der Grundstock für eine persönliche Spezialdatenbank sein, die der einzelne Anwender um die Rechtsprechung seines Gerichtsbezirks ergänzt. Das gleiche gilt für WEG-DAT. Beide Spezialdatenbanken sind für ihren potentiellen Anwenderkreis zukünftig unverzichtbar.

Anschrift:
Universität Bielefeld
Fakultät für Rechtswissenschaft
Postfach 8640
4800 Bielefeld 1

Verzeichnis der Anmerkungen:

(1) Günther Krohn “BGH-DAT - Eine Offline Datenbank auf dem ATARI ST und auf ADIMENS ST” in: Computer und Recht 1988(1), S. 81.

(2) Bundesarbeitsgericht vom 22.2.1983-1 ABR 27/81 in:BAGE42, S. 11 ff.

(3) Siehe die Notiz in Computer und Recht 1988(1), 89. Die Anschaffungskosten sollen danach 7950 Franken (incl. CD - Laufwerk) betragen. Jährliche Updates werden für 2280 Franken angeboten.

(4) Siehe hierzu die Notiz in Computer und Recht 1987(6), 395.

(5) Siehe die Notiz in Computer und Recht 1987(6), 395.

(6) Näheres dazu bei Ralph Möllers in: P.M. Computerheft 1988 (März/April), 236-39 (38)

Bezugsanschriften:

BGH-DAT Carl-Heymanns-Verlag Luxemburger Str. 449 5000 Köln 4

WEHRDAT Werner Forkel Kriegsstr. 29 7500 Karlsruhe 1

WEG-DAT Klaus von Waldeyer-Hartz Habrechlstr. 4 7100 Heilbronn


Joachim Kleveman
Aus: ST-Computer 11 / 1988, Seite 134

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