Multilinguale Textverarbeitung mit Signum2! und Sigrevers

In den Geisteswissenschaften spricht sich allmählich herum, daß der Computer die tägliche Arbeit erleichtern kann. Zu diesem Zweck kaufte ich mir, als Student der ev. Theologie, vor 1 1/2 Jahren einen ATARI 1040 ST und das Textverarbeitungsprogramm SIGNUM. Dieses Programm beinhaltet unter anderem einen sehr einfach zu bedienenden Fonteditor (Font = Zeichensatz), der mich dazu reizte, einen speziellen Hebräischfont für unsere Arbeit am Lehrstuhl für Altes Testament (Prof. Dr.D. Michel) zu erstellen. Ein Neutestamentler regte mich daraufhin an, einen analogen Font für neutestamen tliche Texte (Griechisch) zu erstellen, da er seine Dissertation damit erfassen wollte (inzwischen ist die auf einem NEC P6 mit Carbonbändern ausgedruckte Vorlage für den Offset vom Verlag angenommen worden). Um die entstandenen Fonts einem weiteren Kreis von Interessenten zukommen zu lassen, übernahm Application Systems /// Heidelberg die Fonts als SIFOX Theologie in ihren Pool von SIFOX-Fonts (SIFOX=Signum Font Exchange) auf.

Informationsknotenpunkt

Auf einen kleinen Artikel in der Zeitschrift “Computer persönlich”, in dem ich über unsere Arbeit berichtete, meldeten sich Interessenten aus dem gesamten Bundesgebiet. Es stellte sich aber heraus, daß das System noch nicht 100% in der multilingualen Textverarbeitung eingesetzt werden konnte. Es fehlte ein Zusatzmodul, das das Rechts-links-Schreiben ermöglicht.

SIGREVERS das komfortable Rechts-links-Schreiben

Die bei mir eingegangenen Wünsche wurden an die Firma Application Systems weitergeleitet und blieben nicht unbeantwortet. Zuerst erschien Mitte 1987 die erweiterte Version SIGNUM 2!, die Accessories zuläßt.

Anfang März 1988 durfte ich dann das erste Accessory testen. SIGREVERS ermöglicht den SIGNUM-Anwendern nicht bloß das Schreiben in Rechts-links-Richtung, sondern es erlaubt auch, den Zeilenumbruch am linken Rand vorzunehmen und die einzelnen Zeichen direkt zu überschreiben (s. Bild 1).

ARABICUM -THEOLFONT plus

Da uns, die wir Hebräisch schreiben, nun ein mächtiges Arbeitszeug an die Hand gegeben war, wuchs der Anwenderkreis stetig an. An unserem Fachbereich Ev.Theologie, der Uni Mainz, hatte sich der ATARI bereits als mächtiges Werkzeug etabliert, aber auch andere Universitäten wurden auf unsere Arbeit aufmerksam. Damit die noch fehlenden Fonts erstellt werden konnten, erklärten sich Professoren und wiss. Mitarbeiter mehrerer Universitäten zur Mithilfe bereit.

Die vorhandenen SIFOX-Theologie-Fonts wurden komplett überarbeitet, durch Zusatzfonts erweitert (z.B. bieten die Griechischzusatzfonts nun fast alle Akzentkombinationen) und im Fußnotenformat gezeichnet. Herr Blum, der Lehrbeauftragter für Jiddisch an der Uni München ist, regte einen speziellen Hebräischfont für das Jiddische an. Zur Abrundung wurde die neu entstandene Fontdiskette THEOLFONT plus noch um einen Koptischfont erweitert.

Auf der Fontdiskette ARABICUM befinden sich 4 Arabisch-Persischfonts (2 Größen - 2 Zusatzfonts, u.a. mit Ligaturen) sowie 4 umfassende Umschriftfonts (gerade, kursiv, und in der Schriftart TIMES in 2 Größen). Beide Disketten können direkt bei der Firma Application Systems, über Ihren Händler oder bei mir bezogen werden.

Hebräische Wortkunde

Eines unserer Teilprojekte, die Wortkunde des biblischen Hebräisch, gab den Anstoß zur Schaffung der Fontdisketten ARABICUM und THEOLFONT plus. Die Wortkunde wird von Herrn Prof. Konrad Ehlich (Linguist - Uni Dortmund) verfaßt und von Herrn Prof. Dr. Diethelm Michel (Altes Testament - Uni Mainz) als Herausgeber betreut.

Aufbau

Die neuartige Wortkunde soll das Erlernen der hebräischen Vokabeln erleichtern. Der erste Teil führt in die Benutzung der Wortkunde ein und wird von einer kurzen Lehre der hebräischen Nominalbildung abgeschlossen. Den Hauptteil bildet der Wortteil, der insgesamt etwa 1000 Vokabeln aufführt, von denen 500 wegen ihres häufigeren Vorkommens und der größeren Bedeutung im AT vorrangig gelernt werden sollten. Hierzu werden diese Vokabeln nebst den Übersetzungshilfen und Erläuterungen in einer größeren Schrifttype erfaßt (s.Bild 2). Der Wortteil ist in 3 Spalten unterteilt. In der 1. Spalte steht das hebräische Wort und in der 2. eine erste Grundübersetzung. Die 3. Spalte bietet weitere Bedeutungen (z. B. fis awön - Vergehen, Schuld und Strafe). Durch Pfeile (—>, <—) werden dabei Entwicklungen innerhalb dieser semantischen Struktur, des Bedeutungsbereiches, angegeben. Die Abgrenzung dieser Bedeutungsbereiche der einzelnen Wörter geschieht in der Sprache vor allem durch benachbarte und entgegengesetzte Begriffe. Die Wörter, die untereinander so gegenseitig bezogen sind, sich gegenseitig bestimmen, formen ein sprachliches Spannungsfeld, ein O - Wortfeld. Daneben finden sich z.B. noch Hinweise auf typische Wendungen. Nominalbildungsklassen und Lehnwörter aus dem Jiddischen.

Fontbedarf

Die Zweiteilung der 1000 Vokabeln bedingt, daß alle Fonts, die in der Wortkunde Vorkommen, je in einem 11er- (11 Punkt Größe) und 9er- (9 Punkt Größe) Format vorliegen müssen. Daraus ergäbe sich rein rechnerisch ein Bedarf von 10 Fonts, da neben Deutsch und Hebräisch noch Griechisch, Umschrift und spezielle Editionszeichen benötigt werden. Signum gestattet aber nur, 7 Fonts gleichzeitig in einem Dokument zu verwenden. Dabei kommt uns der Umstand zu Hilfe, daß den Umschriftfonts die ohnehin verwendeten TIMES-Fonts zugrunde liegen. Deshalb können die kleinen Buchstaben des Alphabetes hier weggelassen werden. Es bleiben also nur wenige Zeichen übrig, die benötigt werden. Ebenso bedarf es nur relativ weniger Editionszeichen (z.B. das Zeichen für Wortfeld O und o - wie Sie sehen, können auch die Anführungszeichen nach Typensatzregeln geändert werden), so daß 4 Fonts in einen zusammengefaßt werden können. Am Schluß blieb sogar noch Platz für einige Ligaturen übrig, um das Hebräische noch korrekter wiederzugeben (—> Font WORD-KADD).

Problemlösungen

Wie Sie aus den Beispielen ersehen können, steht in der 3. Spalte oft ein Text im Blocksatz. Dabei gehe ich folgendermaßen vor: Zuerst wurden 3 Tabulatorpositionen festgelegt - je zum Beginn einer Spalte. Wenn in der 3. Spalte dann ein längerer Text zu erwarten ist, der später in Block gesetzt werden soll, springe ich mit der Taft-Taste zur 3. Spalte, drücke Esc e (einrücken markieren) und betätige danach die Return-Taste. Nachdem der Text der 3. Spalte geschrieben ist, wird er in Block gesetzt (dies kann natürlich auch nachträglich vorgenommen werden). Nach Positionierung des Cursor in der ersten Zeile (1. und 2. Spalte) wird die erste Zeile des Blockes mit Ctrl F7 hochgezogen. Jetzt positioniert man auf das erste Wort der 3. Spalte und verschiebt mit Ctrl Tab den Zeilenrest bis zur nächsten Tabulatorposition, womit die 3. Spalte fertig wäre. Es hört sich komplizierter an, als es in der Praxis ist.

Daneben bietet SIGNUM 2! die willkommene Hilfe der Tastenprogrammierung. Diese ist einfach zu bewerkstelligen und erleichtert die Arbeit ungemein. Über Fl (F = Funktionstaste) löse ich z.B. folgende Arbeitsschritte aus: Esc a (Absatz), Ziehen der durchgehenden Linie, Return, Esc a (Absatz). Zusätzlich habe ich noch kompliziertere Makros erstellt, die in den Fußnotenbereich und die zu schreibende Zeile positionieren, den Zeilenabstand umstellen, die Fußnotenfonts auf die Tastatur legen etc. - alles nur über Fl und betreffende Taste auszulösen.

Um Speicherplatz zu sparen, ignoriert SIGNUM die Leerzeichen, was nur beim automatischen Unterstreichen stört. In der Wortkunde werden aber alle deutschen Übersetzungen unterstrichen, so daß die herkömmliche Methode des Unterstreichens mehrerer Wörter lästig wäre. Um Abhilfe zu schaffen, habe ich auf 3 Tasten des Zusatzfonts Unterstriche in 3 verschiedenen Längen gelegt, die dort zu stehen kommen, wo auch der automatische Unterstrich steht. Wenn ich also mehrere Wörter zu unterstreichen habe, wird automatisches Unterstreichen mit Esc u eingeschaltet, und zwischen den Wörtern drücke ich statt der Leertaste die gewünschte Taste aus dem Zusatzfont.

SIGREVERS im Dauerbetrieb

Aus den Beispielen kann leicht ersehen werden, wie oft zwischen der Linksrechts- und der Rechts-links-Schreibrichtung gewechselt werden muß. Bis heute trat kein Problem mit SIGREVERS auf. Zu schätzen weiß ich die Möglichkeit, mit F9 direkt zu überschreiben, da es sich stets um vokalisiertes Hebräisch handelt. Gegenüber den Systemen auf einem IBM-Kompatiblen (z.B. mit WordPerfect) haben wir den Vorteil, alles so auf dem Monitor zu sehen, wie es später ausgedruckt wird, während es z.B. bei unseren Kollegen, die mit WordPerfect arbeiten, ständig zu Frust kommt, weil sie die Vokalzeichen (über Steuerzeichen eingegeben - verschwinden nach Eingabe, wenn in Normalschrift umgeschaltet wird) erst am Ausdruck kontrollieren und korrigieren können.

Zukünftige Anwendungen

Für unsere zukünftigen Anwendungen wünschen wir uns noch eine erweiterte ASCII-Tabelle zum Einlesen von Daten (z.B. Hebräisch) aus einem Datenbankprogramm (bei uns ADIMENS) in SIGNUM. Laut Auskunft des SIGNUM-Programmierers dürfen wir damit in der nächsten Programmversion rechnen. Andere Wünsche werden hoffentlich in näherer oder fernerer Zukunft realisiert werden können, als da wären Registererstellung, Datenbanksystem mit den Fähigkeiten von SIGNUM (z.B. für Wörterbuch und Konkordanzerstellung).

Syrisch

Neben Hebräisch, Griechisch, Koptisch und Arabisch benötigen wir Theologen, aber nicht nur wir, noch das Syrische. In einer Gemeinschaftsproduktion Oxford (England)-Mainz-München werden in der nächsten Zeit die beiden wichtigen Syrischdialekte Serto und Estrangela entstehen (nach dem Schriftbild der Oxford University Press). Nach Fertigstellung werden sie wohl den registrierten Anwendern der THEOLFONTplus gegen einen geringen Unkostenbeitrag zur Verfügung gestellt werden.

Tagung in Bethel

Vom 10.-13. Oktober nahm ich an der Tagung Computer und Wissenschaftliche Theologie in der Kirchlichen Hochschule Bethel teil. Als offizieller Vertreter des Fachbereiches Ev. Theologie der Uni Mainz sollte ich unsere Computeranwendungen vorstellen. Es zeigte sich, daß wir mit ATARI-Computern in Verbindung mit SIGNUM 2! und den THEOLFONTS das beste Textverarbeitungssystem für Griechische und Hebräische Anwendungen haben (z.B. im Vergleich zu WORD + LOGOS oder WordPerfect). Diesen Vorteil erkaufen wir uns z.Z. leider noch mit dem Mangel an gewissen Zusatzangeboten, die WORD oder WordPerfect haben (z.B. automatische Registererstellung). Wenn man aber den Bedienungskomfort von SIGNUM und SIGREVERS berücksichtigt, fällt die Entscheidung auf jeden Fall zu unseren Gunsten aus. Leider -daran konnte unsere Demonstration auch nichts ändern - wollen viele DOS-Fans die objektiven Tatsachen einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Ein interessantes Zukunftsprojekt könnte die Kombination EUMEL-ATARI-SIGNUM bringen. Vom Betriebssystem Eumel und besonderer Zusatzsoftware unterstützt soll die Dialogfähige Computerkonkordanz (AT) zur wissenschaftlichen Analyse eingesetzt werden können. Da der ATARI im Systemfont den kompletten Konsonantenbestand des Hebräischen bietet, wird er als Terminal eingesetzt. Durch SIGNUM sollen dann die gefundenen Verse weiterbearbeitet (z.B. vokalisiert) und in SIGNUM-Qualität ausgedruckt werden können.

Anwenderkreis

Über meine Fontdisketten habe ich inzwischen gelernt, wie weitgefächert der Interessentenkreis ist. Neben Professoren, Doktoren, Promoventen und Studenten der altsprachlichen Fächer sowie Pfarrern sind dies interessierte Laien. Er reicht von der Bibliothekarin über die pensionierte Musikwissenschaftlerin bis zum Tierarzt, der sich als Numismatiker auf den Orient spezialisiert hat. Seit kurzem gibt es die Fontdisketten THEOLFONT plus und ARABICUM auch für Frankreich und England (gleicher Zeichenbestand aber andere Belegung).

Als Theologen bedrückt mich aber die Zahl der schwarzen Schafe, die nicht registrierte Anwender sind. Ich werde damit konfrontiert, wenn ich auf eine Bestellung hin, zuerst einmal nach der Registrierungsnummer frage. Meistens erhalte ich dann keine Antwort mehr. Hoffentlich merken diese Anwender bald, daß sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Gute Software kann nur dann noch verbessert werden, wenn sie weiterhin gekauft und nicht schwarz kopiert wird. Wer sich näher informieren will und den frankierten Rückumschlag nicht vergißt (1,30 DM), darf sich an die folgende Adresse wenden:

Veit Brixius Römerstr. 48 6501 Budenheim



Aus: ST-Computer 12 / 1988, Seite 160

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