Wordplus-Texte in TeX-Qualität

Die hervorragende Ausgabequalität von TeX dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben: Buchsatzqualität - und das Public Domain. Da der ATARI ST ja gerne als bessere Schreibmaschine benutzt wird, mag so manche Studentin und so mancher Autor mit dem Gedanken spielen, sein altgedientes Wordplus durch TeX zu ersetzen.

Die Sache hat aber einen Haken, nämlich die Bedienung von TeX. Nix Maus und nix WYSIWYG. Kryptische Kommandos sind angesagt. Statt Fettschrift, die auch dem Bildschirm als solche erkennbar ist, verlangt TeX ein trockenes \bf. Und sind dann die wichtigsten Steuerbefehle gelernt, fängt der Streß erst an. Wie bringe ich das Programm dazu, ausgerechnet hier oder dort keinen Seitenumbruch zu machen und das Wort „Urinstinkt“ nicht nach der zweiten Silbe zu trennen?

Gerade die Leute, die am meisten schreiben, möchten sich in der Regel auf ihre Textarbeit konzentrieren und sich nicht mit den für andere Leute sicher spannenden Geheimnissen der Maschine herumschlagen. Deshalb haben sie sich ja den ATARI ausgesucht, wo alles so schön anschaulich zu bedienen ist. Zum Rechner gesellt sich dann gewöhnlich noch ein Drucker und Wordplus: ein durchaus typischer Arbeitsplatz für Leute, die ihren Computer fast ausschließlich für Textverarbeitung brauchen. Tatsächlich muß man dem guten alten Wordplus bei allen Schwächen doch zugute halten, daß es die wichtigsten Anforderungen des täglichen Schreibens abdeckt. Was die Einfachheit der Bedienung betrifft, dürfte es wohl unübertroffen sein. Die Funktionen beschränken sich auf das Notwendige und sind auch von Anfängern schnell zu erlernen. Der Griff zum Handbuch ist kaum erforderlich. In meinen Augen ist das nicht das schlechteste Konzept.

Aber schön wär’s natürlich doch, wenn denn wenigstens die Examensarbeit oder Dissertation, das selbstverlegte Buch oder andere größere Werke besser gedruckt werden könnten. Aus dieser Situation heraus ist WPlusTeX entstanden (PD-Disk 299). Das Programm konvertiert Texte, die mit Wordplus geschrieben wurden, in TeX-Quelltexte... und plötzlich erscheinen sie tatsächlich in TeX-Qualität.

Doch ganz so einfach, wie das jetzt klingt, geht’s eben doch nicht. Wer jetzt glaubt, ein TeX mit der Bedienungsoberfläche von Wordplus vor sich zu haben, wird enttäuscht. Nach der Konvertierung sind gewöhnlich noch einige Nachbereitungen erforderlich. Da wird die Seite an einer ungünstigen Stelle umgebrochen, bestimmte Einrückungen erscheinen nicht so, wie sie gedacht waren, usw. Hier muß sich nach wie vor ein TeXperte oder auch eine TeXpertin dransetzen und manuell nachbessem. Die Idee ist eher folgende: Leute, die eben ihre Texte schreiben und ansonsten nicht viel mit Computern zu tun haben wollen - eine durchaus verständliche Einstellung erstellen, ganz wie gehabt, ihre Texte unter Wordplus und wenden sich dann, wenn der Text inhaltlich steht, an jemand in ihrem Bekanntenkreis mit TeX-Kenntnissen. (Für eine Einladung zum Essen oder durch sonstiges gutes Zureden lassen die sich gewöhnlich überreden.) Dort wird der Text einmal durch das Konvertierungsprogramm WPlusTeX gedreht und kommt als TeXdatei heraus. Die Arbeit des/der TeXkundigen beschränkt sich dann darauf, das äußere Layout den Wünschen entsprechend zu gestalten, ein paar Nachbesserungen vorzunehmen und schließlich den endgültigen Ausdruck zu besorgen.

Die wichtigsten Merkmale des Textes werden vollautomatisch übertragen. Fett-und Kursivschrift, Unterstreichungen, hoch- und tiefgestellte Passagen werden entsprechend umgesetzt; Einrückungen, Zentrierungen und rechtsbündige Zeilen erscheinen auch so in TeX. Fußnoten und Grafiken werden ebenfalls übersetzt. Unkomplizierte Texte können oft sogar ohne nennenswerte Korrekturen in TeX ausgedruckt werden.

Einige Dinge lassen sich allerdings nicht sinnvoll übertragen. Tabellen beispielsweise müssen völlig neu angeordnet werden; woher sollte das Programm schließlich wissen, daß irgendwelche Wörter mit Absicht genau bündig untereinander stehen? Der Textinhalt der Tabelle braucht immerhin schon nicht mehr neu getippt zu werden. Über komplexe mathematische Formeln im Text braucht wohl kein Wort gesagt zu werden, aber H?0 und x2 klappen allemal. Wenn Sie Texte neben Grafiken anordnen, werden auch Nacharbeiten im Layout nötig, das Kopieren der Grafikdatei, der TeX-Befehl zum Einbinden der Grafik und die horizontale Plazierung der Grafik werden Ihnen aber bereits abgenommen.

Wenn das Programm den betreffenden Autoren/innen auch keinen direkten Zugang zu den Leistungen TeXs ermöglicht, scheint es mir für größere Texte doch eine nützliche Brücke zu schlagen.

Heinz-Günther Fischer

Zum Vergleich: Links Probeausdruck mit TeX und rechts Probeausdruck mit 1st Wordplus

Folgende TeX-Disketten sind bis jetzt in unserem PD-Service erschienen:

TeX-Grundpaket PD 250 & 251 P6-Druckertreiber PD 252
PD-TeX-Metafont PD 253 & 254
Grafikfähige Druckertreiber PD 276
Laserdrucker-Fonts PD 277
8/9-Nadeldrucker-Fonts PD 278
Makros und Fonts (Musik. Chemie) PD 284
WPTeX PD 299



Aus: ST-Computer 06 / 1990, Seite 148

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