SuperCharger mit AT-Power? - Die Odyssee geht weiter

Im Oktober 1989 stellten wir Ihnen den SuperCharger vor. Dieses Gerät emuliert einen MS-DOS-Rechner. Inzwischen ist es weiter verbessert worden; viele Erleichterungen sollen dem Anwender das Leben noch leichter machen, als es ohnehin schon war. So sind in der neuen Version 1.4 der Software einige Fähigkeiten hinzugekommen, von denen andere Emulatoren nur träumen können.

Der SuperCharger ist bislang der einzige MS-DOS-Emulator, der direkt angesteckt werden kann. Es muß also kein Eingriff in den Rechner durchgeführt werden, sondern der Mini-PC läßt sich direkt in den DMA-Bus des ST einstecken. Dadurch werden Lötarbeiten unnötig -ein großer Vorteil gegenüber dem Rest der am Markt erhältlichen Emulatoren. Zuerst jedoch eine kleine Übersicht über die Fähigkeiten des Geräts für alle die, die den Artikel in der Oktober-Ausgabe des Jahrs 1989 nicht lesen konnten bzw. können.

SuperCharger besitzt einen Norton-Faktor von 4,0. Der Performance-Test von Richard B. Johnson bescheinigt ihm eine Performance (ich würde das Wort gerne übersetzen, nur wie?) von 297 Prozent. Alle wichtigen getesteten Programme funktionierten einwandfrei.

Genialer Hotkey

Damit sind die Gleichheiten zum Oktober '89 allerdings auch schon abgehandelt, denn der Rest des Geräts ist ziemlich neu, ja sogar brandheiß. Vielleicht haben Sie bei anderen Emulatoren schon festgestellt, daß sie einen “Hotkey" besitzen. Während man beim SuperCharger mit der Tastenkombination Alt-Control-Backspace in den ST-Modus zurückschalten kann und diese Funktion als Hotkey bezeichnet wird, dient die Hotkey-Funktion bei anderen Emulatoren lediglich zum Invertieren der Bildschirmfarbe. Hier liegt die erste Neuerung des SuperChargers, denn ab sofort ist auch diese (unwichtige) Funktion implementiert: Mit Alternate-S-A schaltet man auf die inverse Darstellung um (Switch to Alternate Color Key). Dieser kleine Unterschied zwischen den Hotkey-Funktionen ist übrigens im Handbuch recht amüsant beschrieben.

Neben dieser Funktion, die für einen Emulator alles andere als wichtig ist. hat man natürlich auch “vernünftige" Erweiterungen eingebaut. Durch Alternate-Control-Backspace gelangt man, wie bereits gesagt, in den ST-Modus zurück. Während dieser Zeit wird der SuperCharger gestoppt und arbeitet nicht weiter. Wird nun das Programm ABIO.TOS gestartet, befindet man sich wieder im MS-DOS-Modus. Das Programm befindet sich dabei genau an der Stelle, an der es gestoppt wurde. Das ist immer noch keine Neuerung, aber auch nicht bei jedem Emulator zu finden. Die wichtigste Neuerung ist, daß das ABIO.TOS, also quasi das Betriebssystem des SuperChargers im ST selbst, nun auch als Accessory installiert werden kann. Schön, werden Sie sagen, das ist immer noch nicht sonderlich neu. Was allerdings passiert, wenn man Shift-Control-Backspace drückt, sprengt die Vorstellungen aller bisher dagewesenen Emulatoren: echtes Multitasking mit dem ST!

Multitasking

Drücken Sie die oben beschriebene Tastenkombination, springt SuperCharger zurück in den ST-Modus. Hier kann nun, wie gewohnt, weitergearbeitet werden. Die Neuerung (jetzt kommt sie endlich) dabei ist, daß der SuperCharger im MS-DOS-Modus im Hintergrund weiterarbeitet! Das heißt im Klartext: Zwei Rechner arbeiten gleichzeitig. Wollte man früher eine Datenbank erstellen, die man beispielsweise mit dBASE und Adimens bearbeiten wollte, verlief es folgendermaßen: MS-DOS laden, dBASE laden, Datenbank erstellen, zwischendurch einen Kaffee trinken, nach Beendigung in den ST-Modus, die entstandene Datenbank in Adimens verarbeiten, zum Schluß einen erläuternden Text zur Datenbank schreiben. Ein anderes Beispiel: Sie müssen 10 Texte schreiben und alle ausdrucken. Also verfahren Sie wie folgt: Schreiben, Drucken und Warten; Schreiben, Drucken und Warten..

Wie funktioniert es denn jetzt genau? Ganz einfach: MS-DOS aktivieren, dBASE laden, Datenbank erstellen lassen. Nun fällt allerdings die Kaffeepause weg, denn während (!) die Datenbank erstellt wird, schaltet der SuperCharger-Benutzer um in den ST-Modus und schreibt bereits jetzt einen erläuternden Text oder spielt eine Runde Tetris, natürlich kann man auch schnell in einer Mailbox anrufen oder seine Festplatte reorganisieren; die Möglichkeiten dieser Anwendung finden keine Grenzen. Das andere Beispiel ist ebenso leicht auf diese Anwendung zu übertragen: Sie schreiben im ST-Modus einen Text. Sobald Sie fertig sind, wechseln Sie in den MS-DOS-Modus und lassen den Text über den eingebauten Drucker-Spooler ausdrucken. Während das geschieht, können Sie bereits auf dem ST den nächsten Text bearbeiten. Durch diese Möglichkeit erlangt der SuperCharger einen erheblichen Vorsprung zu anderen Emulatoren - bislang beherrscht kein anderer das Multitasking. Das wird auch so schnell nicht der Fall sein, da der SuperCharger der einzige ist, der ein eigenes RAM dieser Größe (ab 512 kB) besitzt.

MS-DOS im TOS

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie befinden sich im ST-Modus und klicken mit der Maus auf die Datei “PCTOOLS.EXE". Was würde ein “normaler" ST dazu sagen? Ganz einfach: “Diese Datei kann nur angezeigt oder gedruckt werden". Nun existiert im SuperCharger die Möglichkeit, ein LMJNCH.TTP zu installieren, das auf Dateien mit den Endungen “COM", “EXE" und "BAT" anspricht. Was soll überhaupt passieren: PCTOOLS.EXE wird angeklickt. Dann soll der Emulator gestartet werden, der wiederum von sich aus PCTOOLS starten soll. Nachdem PCTOOLS beendet ist, soll der Emulator automatisch beendet werden und zurück in den TOS-Modus gehen. Sie denken, das ist nicht möglich? Und doch, mit dem SuperCharger kein Problem. Sofern das Programm LAUNCH.TTP installiert ist, schaltet der ST immer dann in den MS-DOS-Modus um, wenn eine EXE-, COM- oder BAT-Datei angeklickt wird. Nach deren Abarbeitung gibt der Emulator die Arbeit automatisch an den ST zurück. Dazu kann man eigentlich nur ein Wort sagen: genial! Wer einmal mit dieser Funktion gearbeitet hat. möchte den Komfort auf keinen Fall mehr missen.

Noch mehr

“SuperCharger mit AT-Power?" heißt die Überschrift dieses Artikels. Natürlich sitzt im Gehäuse des Geräts noch immer ein NEC V30-Prozessor, im Gegensatz zu einem AT, der ja normalerweise mit einem 80286-Prozessor ausgerüstet ist. Wieso also “AT-Power"? Nun, ein 80286 besitzt gewöhnlicherweise einen Satz von Möglichkeiten, der im BIOS (Basic Input-/Output-System) festgehalten ist. Die Werbung würde sagen: “Herkömmliche Waschmittel haben..." - ich sage: herkömmliche Emulatoren haben das AT-BIOS nicht eingebaut. Das hat der SuperCharger ebenfalls nicht, ein großer Teil des BIOS ist jedoch mit dem des AT-BIOS kompatibel, von daher darf man sicherlich behaupten, daß der SuperCharger ein Quasi-AT-Emulator ist. Wo viele Firmen auf den Prozessor setzen, das BIOS aber vernachlässigen, zeigt Beta Systems korrekte Ansätze: Das BIOS stimmt einfach. So läuft beispielsweise auch Windows problemlos mit dem SuperCharger, was bestimmt nicht jeder MS-DOS-Emulator von sich behaupten kann. Sicher kann man sich denken, daß somit auch andere Programme, die ursprünglich für einen “echten” 80286-Rechner konzipiert sind, ihre Funktion nicht verweigern werden.

Viele weitere Neuigkeiten warten auf denjenigen, der den Charger gebrauchen will: Endlich kann auch die serielle Schnittstelle benutzt werden. Die Atari-Maus liegt weiterhin auf COM1 und belegt damit dauerhaft eine Schnittstelle, was jedoch nicht weiter schlimm ist. da nun über COM2 auch die serielle Schnittstelle des ST angesprochen werden kann. Die Atari-Maus ist als Mouse Systems-kompatible Maus ansprechbar. Bis zu einer Übertragungsgeschwindigkeit von 9600 Baud konnten keine Probleme mit COM2 festgestellt werden. Selbst Telix, das Shareware-DFÜ-Programm für den PC schlechthin, funktionierte einwandfrei und gab keinerlei Grund zum Ärgernis. Telix ist sehr hardware-nah programmiert und greift direkt auf einige Bauteile zu. die im SuperCharger eigentlich nicht vorhanden sind - trotzdem funktioniert es einwandfrei. Wo wir gerade bei Schnittstellen sind: Der ATARI-Laser kann übrigens auch angeschlossen werden.

Verfügte der SuperCharger in der Oktober '89-Version nur über MGA- und CGA-Emulation, kann jetzt auch die Hercules-Auflösung benutzt werden. Dabei ist man einen ähnlichen Weg wie bei PC Speed gegangen: Da die Hercules-Auflösung höher als die des ST ist, kann man den Bildschirm entweder nach links, in die Mitte oder nach rechts schieben. Dazu genügt ein Druck auf die “/”-Taste auf dem Ziffernblock. Die anderen Auflösungen haben keine Veränderung erfahren und funktionieren natürlich weiterhin problemlos.

Toolbox

Unter dem Namen “Toolbox” wird seit Version 1.30 auch eine Möglichkeit für Programmierer mitgeliefert, den SuperCharger für eigene Anwendungen zu nutzen. Das ist auch sinnvoll, denn wieso sollte man das SuperCharger-RAM nicht nutzen, wenn man es schon auf dem Schreibtisch stehen hat? Eine beispielhafte Anwendung wird auch bereits mitgeliefert, eine RAM Disk, die vom ST aus zu nutzen ist, soll dem Anwender das Leben erleichtern. Mit der RAM-Disk läßt sich vom ST aus auf das RAM des SuperChargers zugreifen. So wird der Speicher des ST um eine beträchtliche Größe erweitert. Der Vorteil der RAM-Disk: Sie ist schnell, zuverlässig, groß und außerdem resetfest! Das heißt: Solange dem SuperCharger der Strom nicht genommen wird, bleiben die Daten in seinem Speicher erhalten. Auch wenn der ST resettet wird, spielt es keine Rolle: Alle Daten sind nach wie vor enthalten, lediglich den Treiber für die RAM-Disk müssen Sie neu laden.

Daraus ergeben sich natürlich einige Anwendungen, die ohne den SuperCharger nicht möglich wären. Das Multitasking sprach ich ja bereits weiter oben an, so allerdings erhält das Wort ein weiteres Mal eine neue Bedeutung. Läßt man im Hintergrund nicht den Emulator laufen, sondern bedient sich “nur” des V30-Prozessors, lassen sich nette Effekte erzielen. Apfelmännchen, die wirbelwindartig über den Bildschirm huschen, Primzahlenberechnung in Windeseile, Paßwortsicherung im SuperCharger-RAM oder eben “nur” die oben erwähnte RAM-Disk sind lediglich einige Anwendungsgebiete, die sich durch die Toolbox eröffnen. Sicher dürfte es auch ein leichtes sein, sich aus dem SuperCharger ein intelligentes Cache-Programm für seine Festplatte zu schreiben - wer hätte schließlich nicht gerne 0,5 oder 1 MB Cache mit eigenem V30-Prozessor?

Beispiele für Anwendungen, die im, um oder am SuperCharger funktionieren, sind auf Diskette und im Handbuch enthalten, so daß dem erfahrenen Programmierer keine Probleme bei der Programmierung widerfahren durften. Allerdings sollte man zumindest in C oder Assembler programmieren können, um die Funktionen adäquat ausnutzen zu können.

Schlußbetrachtung

Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Der SuperCharger hebt sich durch die exzellente Implementation des “Hotkeys” von allen anderen Mitbewerbern mehr als positiv ab. Ebenso kann sich das BIOS des Testgeräts sehen lassen, da es einen AT-kompatiblen MS-DOS-Rechner nachahmt, und der SuperCharger dadurch die Bezeichnung “AT-Emulator” besser verdient als “PC-Emulator”, Außerdem wird, und das ist längst nicht der Regelfall, MS-DOS 4.01 mitgeliefert - dieses Betriebssystem allein kostet bereits einige hundert Mark. Das Gerät ist einfach ansteckbar und muß nicht eingelötet werden - ein weiterer Vorteil gegenüber anderen Emulatoren. Der Preis von DM 875,- mutet auf den ersten Blick recht hoch an. Bedenkt man aber, daß MS-DOS 4.01 mitgeliefert wird, ist der Preis doch sehr günstig. Zum Schluß sollten Sie einen Vorteil nicht außer Acht lassen: Der SuperCharger läuft tadellos auf dem TT! Kein anderer MS-DOS-Emulator kann das bis jetzt von sich behaupten.

MP



Aus: ST-Computer 07 / 1990, Seite 52

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