Orgatec - Köln im Herbst

Der 27. Oktober 1990 ist ein kalter und windiger, doch sonniger Herbsttag. Unser Weg führt an diesem Morgen nach Köln, Schauplatz der Orgatec, sozusagen der KDV-Herbstmesse.

Als wir mittags ankommen, ist es leider nur noch kalt und windig, hoffentlich entschädigt uns die Ausstellung. Eigentlich ist die Orgatec eine Büromesse, doch sind mittlerweile die Inhalte der Büroarbeit eine Untergruppe der EDV geworden. Wir tun der Veranstaltung gewiß nicht unrecht, wenn uns Drehstühle und Bleistiftanspitzer nicht interessieren. Es geht in Köln also um Lösungen einer ganzen Reihe von Problemen, die im Büro auftreten. Von der klassischen Textverarbeitung als Ersatz für die Schreibmaschine bis hin zur Auftrags- und Kundenverwaltung, speziell für den KFZ-Betrieb.

Wenngleich drei Hallen offiziell den Peripheriegeräten und Systemkomponenten Vorbehalten sind, so darf man nicht das Angebot und den Überblick erwarten. den die CeBIT alljährlich im Frühjahr bringt. Siemens und Hewlett-Packard. zwei große Hersteller, zeigen denn auch keines ihrer Hardware-Produkte als reinen Selbstzweck. Bei ihnen dienen die Gerätschaften lediglich als Träger für Software-Pakete. Kein Taschenrechner bei HP. kein Drucker bei Siemens - der Freak kommt nicht auf seine Kosten.

Bei Atari

Der neue TTM 194 von Atari: ein leistungsstarker High-Resolution Monitor für den TT

Doch gerade das macht die Orgatec so interessant. Die Besucher hier haben ganz konkrete Anforderungen. Sie wissen, wozu ihnen der Rechner nutzt oder nutzen soll. Unser erster Weg führt natürlich zum Atari-Stand. Hier zeigen, wie gewohnt, die verschiedenen Software Hersteller ihre Produkte an den einzelnen Tischen. Die Messe sei ruhig, aber geprägt von der Fachkenntnis der Besucher. Das ist die einhellige Meinung, als wir reihum nach der Stimmung fragen.

Von Atari selbst gab’s nur eine klitzekleine Neuigkeit: Der Großbildschirm zum TT ist endlich lieferbar. Der TTM 194 (ECL Technik), so der Name, ist ein 19"-Monochrommonitor, verfügt über eine Bildauflösung von 1280x960 Bildpunkten, arbeitet mit einer Zeilenfrequenz von 72 kHz und einer Bildfrequenz von 72 Hz. Der TTM 194 kostet einzeln DM 2198.- und zusammen mit dem TT030/4 DM 8498,-.

Der Blick auf Tempus Word zeigt uns eine Version, die verdammt nah an der 1.0 ist. Die Menüs, die Dialoge, alles ist komplett umgestrickt worden und macht einen sehr guten Eindruck. Das Einbinden von Bildern und die Rechenfunktion, aber auch ein Lexikon mit Duden-Umfang sind gegenüber der von uns in der Juni- Ausgabe getesteten Version noch hinzugekommen. Eine wahre Freude ist es, das Programm auf einem TT zu sehen. Es arbeitet dann trotz grafischer Darstellung schneller als Tempus.

Ebenfalls ein alter Bekannter ist DynaCadd. Sicherlich haben Sie unseren Test in der Oktober-Ausgabe letzten Jahres gelesen. Seitdem hat sich einiges getan in Kanada, woher das Programm kommt. Eine Version für AT-kompatible Rechner ist nun verfügbar. eine solche für den Amiga und eine speziell für den Atari TT stehen kurz vor der Vollendung. Auf der CeBIT soll ebenfalls die Macintosh-Version gezeigt werden. Und - last not least - über eine UNIX-Variante wird ebenfalls nachgedacht. Alle Programme haben den gleichen Preis von 2623 DM. Sicher nicht uninteressant, ein professionelles CAD-System einzusetzen, das auf so vielen Systemen lauffähig ist. Die Krönung wäre dann die uneingeschränkte Netzwerkfähigkeit des Programms, um alle Maschinen z.B. via Ethernet unter einen Hut zu bekommen.

Doch die wichtigste Neuerung ist, daß es wieder einen deutschen Vertrieb für DynaCADD gibt. Die Firma CRP Koruk hat sich der Software hier in Deutschland angenommen. CRP führen auch Updates von allen bisherigen Versionen auf die momentan aktuelle V1.82 durch, die für nicht gerade barmherzige 790 DM nunmehr deutsche Handbücher beinhalten. Ferner werden von der Konstanzer Firma auch Komplettsysteme und Schulungen angeboten.

Kleiner Druckerrundgang

Eine klare Tendenz im Druckermarkt zeichnete sich ja bereits auf der CeBIT ab: Die Laser kommen. Immer preiswerter werden sie, und in dieser Beziehung gibt Atari mit dem neuen SLM 603 mal wieder eine Orientierung (siehe Test in dieser Ausgabe). Wir wollten wissen, was sich sonst noch tut im Markt der schreibenden Ausgabegeräte.

Schick anzusehen: Die neuen EPL-Laserdrucker von Epson

Nicht enttäuscht hat uns Epson. Im Gegensatz zu fast allen anderen Herstellern, die uns auf die CeBIT vertrösteten, gabs hier richtig neue Drucker zu sehen. Der bereits in Hannover gezeigte EPJ 200 ist nun lieferbar. Das 3600 DM teure Gerät ist ein Zwitter: Als Tintenstrahler druckt er aus 64 Düsen, emuliert dabei mit 300 DPI Auflösung jedoch einen Laserdrucker. Das Papierformat beträgt DIN A3, ein automatischer Einzelblatteinzug ist drin und Endlospapier ist ebenso möglich. Epsons neue Laserdrucker-Reihe heißt EPL. Sie beginnt mit dem 7100, der mit 4000 DM der preiswerteste ist. Besonderheit: Der Drucker ist über seine beiden Schnittstellen von zwei Rechnern aus gleichzeitig anzusprechen. Die Reihe endet mit dem 7500, der eine Post-Script-Emulation in seinem Innern birgt.

Ein Kyocera für (fast) jedermann und jederfrau: der F-800 T

Kyocera-Produkte decken mehr den High-End- und Profi-Bereich ab. Doch von dort kommt eine neue Reihe von Laserdruckern. die sich durch die Möglichkeit auszeichnet, den Ausbau der Geräte aufzustocken. Der kleinste ist der F-800 T. der mit sage und schreibe 79 festen Fonts und drei skalierbaren daherkommt. Er kostet 4218 DM. Je nach Speicherausbau verspricht uns Kyocera die Eignung für besondere Einsätze: DTP, CAD. Dann bekommen die Kinder natürlich auch andere Namen und heißen dann F-800 TI und TIV.

Von Minolta kennen wir eigentlich die Kameras und (wir sind nicht auf der Photokina!) noch die Kopierer. Nun will auch dieser Hersteller sein Know-How nicht einzig den OEM-Partnern zur Verfügung stellen. Es gibt also auch einen Laserdrucker von Minolta, den SP 101, der preislich unter 4000 DM liegt. Mit 32 Fonts und einen speziellen Fein-Toning System kommt er auf den Schreibtisch.

Ein Laser vom Kopierspezialisten: der Minolta SP 101
Kein Problem mit vielen Formularen: Multischachtdrucker von BDT

Hochstapler

Hoch hinaus will der deutsche Hersteller BDT mit seinen Druckern. Die fallen bereits optisch aus dem Rahmen, denn sie verfügen nicht nur über einen oder zwei Einzelblattschächte. Man ist in Rottweil nicht kleinlich und fängt mit vieren an. Das verspricht bestes Papier-Handling überall dort, wo mit verschiedenen Formularen gearbeitet wird. Die Maske ist schnell in die Textverarbeitung eingegeben, doch vor dem Druck muß noch das richtige Formular eingespannt werden. Der neue Ergoprint 310 von BDT setzt dem nun ein Ende. Vier oder sechs Papierzuführungen, deren Lage der Drucker erkennt (man kann die Kassetten also vertauschen), rationalisieren die Arbeit in Praxen und Büros. Auf dem Bild ist unschwer zu erkennen, daß es sich bei der Maschine selbst um einen modifizierten HP-Deskjet handelt. Mit 300 DPI und Tintenstrahltechnik ein qualitativ hochwertiges und leises Druckwerk.

Es gibt noch Nadeln

Bei einigen Ausstellern haben wir den Eindruck, als wollten sie ganz und gar die Laserdrucker in den Vordergrund stellen. Bei Star ist das anders. Hier liegt nahezu das ganze Geschäft auf den pieksigen Rabauken. Demnach gibt's auch gleich Neuigkeiten: Drei Drucker, die alle in das Marktsegment passen, in dem sich Star am wohlsten fühlt: Am unteren Preisrand nämlich. Der LC-20 ist der Nachfolger des LC-10, des bislang billigsten und erfolgreichsten 9-Nadlers von Star. Der unverbindliche Preis liegt bei 550 DM - mal sehen, was der Handel draus macht. Er ist ein wenig schneller, hat vier Fonts und nun auch mechanische Tasten. Sein Gehäuse, wie auch das seiner Brüder - zeigt modische Kurven im Windkanal-Look. Der 750 DM teure LC-200 ist eine ähnliche Maschine. Ebenfalls neunnadelig, verarbeitet er Blätter in DIN A3-Breite, druckt jedoch nur DIN A4. Besonderheit: Das Papier kann nun auch durch den Gehäuseboden zugeführt werden, der Schubtraktor (mit Paper-Park, logo) mutiert dafür zum Zugtraktor. Und ein 24-Nadler darf natürlich nicht fehlen. Der LC24-200 bedruckt DIN A3-Format, kann das Papier ebenfalls von unten einziehen und glänzt mit vielen Schriften. Er kostet 1000 DM, die Farbversion mit dem Zusatz 'CL’ im Namen noch einmal 100 DM mehr.

Und noch mehr Nadeln: Citizen, mit dem Swift24 (siehe Test in der Mai-Ausgabe) ja sehr erfolgreich, hat das Gerät innerhalb eines Jahres 75000 mal in Europa verkauft. Jetzt ist es abgespeckt worden und kommt als ‘Abrundung nach unten’. Die neue Maschine heißt '124D', 2 LQ-Fonts, Papier-Park, NEC P6-Emulation, das sind die Features des 798 DM teuren Einstiegs-24-Nadlers. Offenbar ist die Nachfrage aus dem betrieblichen Bereich groß, denn nun gibt es auch eine breite, eine DIN A3-Version des Swift24 mit dem Namen Swift24X und dem Preis von 1598 DM.

Wiederum im ganz unteren Preisbereich setzt Seikoshas neuestes Produkt an: Der SP 1900 AI ist mit 499 einer der billigsten 9-Nadler überhaupt. Er soll vor allem über Kaufhäuser verkauft werden, und dann wird der Preis sicher noch drunter liegen. Dabei ist er mit Epson- und IBM-Emulation, Papier-Park und halbautomatischem Einzug nicht einmal mager ausgestattet.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgen die neuen Produkte von NEC. Da sind zunächst der P20 und P30 zu nennen. Die beiden unterscheiden sich lediglich in der Druckbreite. Sie lösen den bisherigen Low-Cost-24-Nadler von NEC ab, den P2plus. Dabei ähneln sie äußerlich und innerlich stark dem P60/70 (siehe Test in der September-Ausgabe). Sie sind lediglich langsamer und nicht ganz so komfortabel. Hinzugekommen ist aber ein 'Flip’-Traktor, der sich von Zug- auf Schubbetrieb umbauen läßt.

Drei auf einen Streich: neue 9- und 24-Nadler von Star
Ablösung für den P2plus: Der P20 ist der neue kleine NEC.

Noch mehr Laser

Neu bei NEC sind ebenfalls die Laser mit den schönen Namen Silentwriter2 S60 und S60P. Die beiden unterscheiden sich durch die PostScript-Fähigkeit des letztgenannten. Sie basieren - wie übrigens die neuen Epson-Laser auch - auf dem Druckwerk des bereits erwähnten Minolta SP 101. Bei NEC ist man jedoch stolz auf den speziellen Controller, den man den Geräten eingepflanzt hat. Sie sollen schnell sein und den Toner äußerst effektiv nutzen. In der Standardausführung besitzen beide Maschinen 1,5 bzw. 2 MByte Speicher. Mit der Erweiterung desselbigen kann man sich also getrost Zeit lassen. Der ‘normale' S60 ist kompatibel zum HP-LaserJet und wird unter 4000 DM kosten.

Leisetreter: Der Silentwriter2 S60 ist NECs Low-Cost-Laser.

Eine ganz schlaue Methode, um sich die Speichererweiterei bei den Laserdruckern zu ersparen, ist den Brother-Technikern eingefallen. Diese Erweiterungen sind nötig, weil ein Laser- oder besser: ‘Seitendrucker' seitenorientiert arbeitet und diese Seiten komplett im Speicher aufbereiten muß, ehe er sie druckt. Wenn es sich dabei um ein Bild handelt, braucht er dafür ein Megabyte Platz. Doch lassen sich gerade Bilddaten phantastisch komprimieren. Das sieht man ja an allen komprimierenden Dateiformaten (*.IMG, *.TIF etc.). Warum sollte also nicht auch ein Drucker in der Lage sein, die Daten komprimiert im Speicher abzulegen und erst beim Druckvorgang auszupacken? Genau das tun fortan alle Brother-Seitendrucker. Vom kleinen HL-4 bis zum großen HL-8PS. Und jetzt sollen auch für eine komplette Grafikseite 512 kByte reichen. Der HL-4 hat übrigens ein Brüderchen bekommen: Der HL-4 PS verfügt über eine PostScript-Emulation, genannt BrotherScript.

Nicht unerwähnt bleiben sollen zwei ganz unterschiedliche Maschinen, die eines gemeinsam haben: die Tintenstrahltechnik. Canon hat da mit dem Bubblejet bereits Erfahrung. Der Neue zielt aber direkt in den Aktenkoffer. Er heißt BJ-10e, ist so groß wie ein DIN A4-Blatt, ca 4 cm hoch und wiegt ganze 1,8 kg. Somit hat sich der kleine, aber bereits wichtige Markt spezieller Laptop-Drucker weiter verdichtet.

Mit dem Diconix, einem kleinen Tintenstrahler, ebenfalls für den Laptop-Bereich, hat auch Kodak einen Fuß in diesem Markt. Nun gibt es den Diconix 330C, wobei das ‘C’ für Farbe steht. Er emuliert den HP PaintJet, den wohl verbreitetsten Farb-Tintenstrahler. Ab nächstem Jahr soll der neue Kodak für 3800 DM erhältlich sein.

Hiermit beenden wir unseren Rundgang über die Orgatec'90. Natürlich nicht, ohne Ihnen versprochen zu haben, daß Sie die interessantesten der hier vorgestellten Geräte demnächst in diesem Theater erleben.

IB



Aus: ST-Computer 01 / 1991, Seite 25

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