DTP-Grundlagen: Teil 1 Typographie - aber wie?

„Wer über Layout und Typografie einen Text verfaßt, muß mindestens einen ausgefallenen Zeichensatz verwenden, zusammen mit einem peppigen und ausgefallenen Layout/4 Wenn Sie diesen Satz so unterstreichen können, befinden Sie sich leider in der Gesellschaft vieler anderer, die dem gleichen Irrtum nachhängen!

Blättern Sie versuchsweise einmal die Anzeigenseiten der Computerzeitschriften durch, und Sie werden viele entsprechende Beispiele finden. Aber wie sollte es auch anders sein, in einer so bunt und noch nicht farbsepariert zusammengewürfelten DTP-Gemeinde: Auf der einen Seite die Gestaltungsprofis in den Agenturen, die irgendwann in den letzten 5 Jahren damit begannen, ihre Arbeit mehr und mehr via Computer zu erledigen. Auf der anderen Seite all jene, die nicht über ihre Gestaltungsarbeit zum „Werkzeug Computer“ fanden, sondern umgekehrt, über ihre Arbeit am Rechner die Möglichkeit kostengünstigen Publizierens kennenlernten. Die relative Autonomie, die durch „Desktop Publishing“ im Satz-und Gestaltungsbereich ermöglicht wurde, ist jedoch eine zweischneidige Sache. „Alles in einer Hand“, eines der Schlagwörter des DTP-Marktes, bedeutet doch eigentlich nichts anderes, als Typograph, Setzer, Grafiker und Drucker in einer Per son zu sein! Daß dieses allein mit dem Erwerb einer DTP-Software nicht zu verwirklichen ist, werden viele auf eine mehr oder weniger frustierende Weise dann auch schnell erfahren haben.

In dieser Serie werden somit nicht die Qualitäten irgendeiner DTP-Software im Vordergrund stehen, sondern die tägliche Gestaltungsarbeit derer, die sie anwenden müssen. Sie werden den Weg einer Gestaltung vom ersten Entwurf bis zur fertigen Druckvorlage und die Aufbereitung der Dokumente für den Sieb- und Offset-Druck kennenlernen. Typographische Probleme im Umgang mit Schrift im DTP sollen ebenso behandelt werden wie formale und ästhetische Aspekte bei der Gestaltung von Geschäftspapieren (Briefbogen, Visitenkarten. Formulare, Prospekte usw.). Schwerpunkt wird also das praktische Know-how. und nicht unbedingt die Benutzeroberfläche des Calamus sein obwohl sich die Arbeitsbeispiele auf den Umgang mit dieser Software beziehen werden. Die behandelten Beispiele und einige Abbildungen sind im übrigen dem Handbuch „DTP Gestaltungs Praxis“ des „Artworks Business“-Gestaltungspaketes entnommen; das Artworks-Paket und diese Serie haben halt den gleichen Autor...

Ich möchte Sie jetzt schon bitten, mir eventuelle Fragen und Anregungen mitzuteilen. Im 4. Teil dieser Serie werde ich dann ausführlich auf Zuschriften eingehen, so daß für einen Moment vielleicht so etwas wie ein kleines Forum unter uns DTP’lern entsteht.

Rubbeln und Repros

Mit solch einer typographischen Gestaltung wird zwar aller Welt verkündet, daß man stolzer Besitzer eines Computer ist und seine Möglichkeiten auch auszuschöpfen gedenkt - ob man sich aber am nächsten Tag keine Disketten mehr kaufen kann, weil die Aufträge ausbleiben, ist eine andere Frage! Die Kunst besteht darin, sich mit den geeigneten Mitteln auf das zu reduzieren, was man aussagen will, im „Weglassen“ also.

Versuchen Sie einmal, sich in den Werbealltag einer kleinen Agentur hineinzuversetzen, in der es noch keine DTP-Anlage mit z.B. Mega ST, Layout-Software und Laserdrucker gibt (und das sind, glauben Sie mir ruhig, noch die meisten). Die direkt verfügbare Schriftenvielfalt dieser Agentur ergibt sich aus dem Bestand an „Abreibebuchstaben“, die auf mehr oder weniger vollständigen Bögen in verschiedenen Punktgrößen vorliegen. Die zentrale technische Einrichtung besteht hier fast immer aus der Reprokamera, mit der Zeichnungen und "gerubbelte“ Schriften in die gewünschten Größen gebracht und nach dem Zusammenkleben auf Papier oder Film ausbelichtet werden. Für eventuelle Entwurfsvarianten zur Kundenvorlage muß dann wieder der gleiche Weg eingeschlagen werden. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt auf der Hand: Man lernt seinen Atari so richtig schätzen! Aber ernsthaft. Ich habe selbst viele Jahre des Ruhbelns hinter mir. Wenn es mir damals möglich gewesen wäre, innerhalb einiger Augenblicke solch einen "Schatteneffekt“ wie im obigen Beispiel zu erzielen - ich hätte es wahrscheinlich auch so gemacht. Wenn aber die Entwicklung einer Schrift und damit einhergehend des fertigen Layouts einige Skizzen, Umkopieren, Kleben und Filmmontagen bedeutet, wird einem auch etwas bewußter, was da unter den eigenen Fingern entsteht. Ich will damit nicht sagen, daß viele DTP-Arbeiten durch die Möglichkeiten des Rechners etwas „bewußtlos“ geschehen - oder vielleicht doch...?

Was hat man aber unter „Typographie“ und „Layout“ eigentlich zu verstehen? Typographie (die Gestaltung von Buchstaben und Schriften) und Layout (deren Zusammensetzung zu Absätzen, Blöcken, Seiten usw.) sollen es einem Leser ermöglichen. Text in einem ästhetisch befriedigenden Umfeld ohne große Anstrengung aufzunehmen. Diese beiden Elemente bilden letztlich aber eine Einheit, die nur zur besseren Darstellung voneinander unterschieden werden kann (versuchen Sie sich zum Beispiel einmal ein „gutes Layout“ für die oben angeführte typographische Katastrophe vorzustellen...).

Schrittwahl

Letztlich ist die Wahl der Schrift eine Qual, die schon ganz am Anfang im Gestaltungsprozeß über das spätere Gelingen mitentscheidet. Besonders, wenn noch keine große Erfahrung in der Schriftgestaltung vorhanden ist. kann es nicht damit getan sein, sich „rein gefühlsmäßig“ für die eine oder andere Schriftfamilie zu entscheiden oder die bevorzugten Gestaltungsmittel anderer Layouter einfach zu übernehmen. Schauen wir uns also zunächst einmal an, mit was für Schriftarten wir in unserer Arbeit eigentlich zu tun haben.

Zwei große Schriftfamilien sind heute überwiegend im Gebrauch. Die ältere der beiden ist die Familie der Antiqua-Schriften (Antiqua=alte Schrift). Hervorstechendes Merkmal dieser Schriftfamilie sind vor allem ihre „Serifen“ (das sind die kleinen „Füßchen“ des Buchstabens, die in schlecht gestalteten Fonts für den Calamus einfach nur angestückelt werden, wodurch dann der gesamte Font für Vektorprogramme und Schneideplotter völlig unbrauchbar wird!). Diese Serifenschriften, allen voran die „Times“ und z.B. „Garamond“, sind heute noch vorherrschend in Büchern. Zeitschriften und Illustrierten.

Die andere große Schriftfamilie sind die „Grotesk“-Schriften, die sich zur Jahrhundertwende entwickelten. Stilmerkmal ist hier der völlige Verzicht auf Serifen. „Grotesk“ heißen diese Schriften übrigens, weil sie den Menschen damals genau so erschienen! Eingesetzt werden diese Schriften (z.B. „Swiss“, „Avant Garde“) vor allem in Anzeigen, Handzetteln, Prospekten usw. Alle anderen Schriften, z.B. grafische Schriften, Schreibschriften, werden unter dem Begriff „Auszeichnungsschriften“ oder „Headline-Schriften“ zusammengefaßt. Fast alle „neuen“ Schriften, die Sie für Ihr Layout-Programm erwerben können, stammen übrigens aus diesem Bereich. Nach diesen drei Schriftfamilien aufgeteilt, können Sie auch eine etwas professionellere Ordnung in Ihren persönlichen Font-Katalog bringen.

Um einen ersten Überblick über die Häufigkeit der Schriftfamilien in den unterschiedlichen Anwendungen zu bekommen, habe ich einmal ein Diagramm zusammengestellt (Bild 1). Es ist aus verschiedenen Untersuchungen zusammengefaßt und kann bei einer ersten Orientierung helfen. Deutlich wird, daß in der Gestaltung von Formularen die Serifenschriften eindeutig am häufigsten Verwendung finden. Bei Aufklebern (gilt auch für z.B. Anzeigen) sind dagegen die Grotesken führend. Zusammengefaßt könnte eine Orientierung also folgendermaßen aussehen:

Serifen: längere Texte (Bücher, Illustrierten), weicher und flüssiger Textfluß

Groteske: kürzere Sätze (Broschüren, Anzeigen), gleichmäßige Schriftstärke und Schriftgestaltung

Headline: kurze Sätze (Überschriften, Titel, Logos), Gestaltungsmoment im Vordergrund

Nehmen Sie diese Einteilung jedoch nicht zu dogmatisch! Wenn eine Schrift für eine bestimmte Gestaltung häufig verwendet wird, muß das nicht zwingend auch für Ihr Gestaltungsvorhaben die Ideallösung bedeuten. Aber auch hier ist es so wie in jeder anderen Kunst auch: über Vorgaben und Regeln zur Gestaltung können (und sollen!) Sie sich erst dann hinwegsetzen, wenn Ihnen diese Vorgaben auch vertraut sind.

Bild 1: Tendenzielle Verteilung der Schriftfamilien auf die einzelnen Gestaltungsanwendungen
Bild 2: Leider nur ein Beispiel unter vielen. So sieht ein „gestückelter" Vektor-Font aus, wenn Sie ihn in einem Vektorgrafikprogramm für eine ganz normale Outline-Schrift nutzen wollen.

Wofür Sie sich letztlich auch entscheiden mögen:

Verwenden Sie wenig unterschiedliche Schriften in einem Dokument!

Verwenden Sie wenig unterschiedliche Schriftgrößen in einem Dokument!

Verwenden Sie keine Headline- und „Effektschriften" (schattiert, outline) in einem Lesetext!

Bild 3: Das „E" der „Swiss". Die horizontalen Linien sind etwas dünner als die vertikalen.
Bild 4: Das gleiche nur haben zum Vergleich mit Bild 3 alle Linien die gleiche Stärke.

Für einen Lesetext können Sie im Normalfall von einer 9-12 Punkt großen Schrift ausgehen. Eine entsprechend kleinere wählen Sie für z.B. Anmerkungen und Bildunterschriften. Den Buchstaben- und Wortabstand sowie besondere Regelungen im Zahlensatz werden wir im nächsten Teil behandeln, wenn es um die Gestaltung von Briefpapieren und Visitenkarten im Calamus geht.

Der Knick in der Optik

Aufgrund der Beschaffenheit des menschlichen Auges erscheinen die horizontalen Linien eines Buchstabens dicker als die vertikalen. In der Schriftgestaltung versucht man dieser optischen Täuschung damit zu begegnen, daß man die horizontalen Linien eines ansonsten gleichmäßigen Buchstabens (z.B. der „Swiss/Helvetica“) etwas dünner zieht als die vertikalen. Mit Vorsicht genießen sollten Sie daher die Möglichkeit, mittels „Line-Art" (Didot) oder „Outline Art“ (DMC) Schriften zu strecken oder zu stauchen (=zusammendrücken). Stauchen Sie zum Beispiel einen Schriftzug horizontal, so behalten die horizontalen Linien natürlich ihre Stärke bei.

Die vertikalen werden jedoch, proportional zur Buchstabenbreite, verdünnt. Das Ergebnis widerspricht nicht nur dem Anspruch an ein harmonisches Schriftbild. Sie verweisen durch eine derartige Gestaltung auch sofort auf eine Schriftbehandlung durch den Rechner. Ein kompletter Font, der diese Behandlung über sich ergehen lassen mußte trägt dann häufig zusätzlich die Namensendung „Condensed“, was aber nur heißt, daß diese Schrift Buchstabe für Buchstabe gestaucht wurde. Für einige Zwecke mag dieses reichen. Eine richtige Condensed-Schrift ist jedoch wie eine "italic" (italic = geneigte Schriften) ein vom ersten bis zum letzten Buchstaben neugestalteter, eigener Font, dem der Ursprungs-Font mit seinen besonderen typographischen Merkmalen zugrunde liegt.

Bild 5: Das Swiss-“E“ (Bild 3), etwas gestaucht. Drehen Sie diese Seite einmal um 180°. Beim in Bild 3, das vorher ausgewogen war, scheinen die horizontalen Linien im Vergleich zu den vertikalen plötzlich dünner zu werden. Im gestauchten ist die Disharmonie der Linien zueinander noch deutlicher zu erkennen.

Jürgen Funcke
Talstr. 3
7800 Freiburg


Jürgen Funcke
Aus: ST-Computer 03 / 1991, Seite 48

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