Sylvies Tratschecke

Countdown läuft: 50, 49, 48 ...

Biodata, deren Firmensitz sich auf der Burg Lichtenfels befindet (im Winter sau-kalt), hat das Herstellen von Netzwerkknoten für den ATARI eingestellt. "Es liegen noch 50 Knoten für den ATARI-Markt auf Halde, und danach ist Schluß", sagte mir Tan Siekmann am Telefon. Tan hat seinen Handel voll und ganz auf den PC-Markt abgestimmt, und da laufen die Geschäfte ja bekanntlich sehr gut.

DMC bekommt Verstärkung ...

Von wem? Dr. Hans Riedl' unterstützt das DMC-Team seit 1.1.94. Erstes Lametta konnte sich Dr. Riedl bei Commodore verdienen, danach kurzer Sprung zu Wang Computer, noch mal zurück zu Commodore. um dann endgültig bei ATARI Computer einzusteigen. Dr. Riedl arbeitete von 1985 bis 1993 für ATARI als Leiter der Softwaresupport-Abteilung. Als Alwin Stumpf sein Praktikum in Amerika begann, wurde er 1991 auch noch Leiter der Abteilungen Technik und Öffentlichkeitsarbeit. Bei DMC wird er unter anderem das Programmiererteam betreuen, das nun unter dem Namen Adequate Systems auftritt. Eine weitere Aufgabe wird die Einführung von Calamus NT in den PC-Markt sein. Wie ich finde, keine leichte Aufgabe!

Caribic

Vor ein paar Tagen wollte ich unter die Sonnenbank, in mein geliebtes Sonnenstudio Caribic gehen. Der Besitzer fährt so ’ne 450iger Schleuder und trägt 'ne goldene Rolex (Schnauzbart hat er auch!). Mr. Caribic hat sich wahrscheinlich mit Computern und Windows in irgendeiner Kneipe (ich nehme an im Binding Eck) vertraut gemacht. Als ich dann gestern mein geliebtes Sonnenstudio Caribic betrat, war der große Tag gekommen. Mr. Caribic war über Nacht Computerbesitzer geworden. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Ich sah die Oberfläche von Windows auf dem Bildschirm und hatte sofort ein ungutes Gefühl - hier würde die Sonne heute für mich nicht aufgehen. Keiner durfte an den Touchscreen ran (obwohl ich ja sehr auf haptische Erlebnisse stehe). "Keine Selbstbedienung" stand auf einem Zettel. Mittlerweile, durch die Happyhour bedingt, versammelte sich eine größere Menschenmenge um die Wundermaschine. Es funktionierte nichts. Das Drama war dann aber erst richtig perfekt, als eine der netten Damen (die in der Regel Kunstgeschichte studieren und, weil sie keinen Job bekommen, im Sonnenstudio oder wahlweise in einer Videothek jobben), das falsche Feld am Touchscreen betätigte.

Totale Stromunterbrechung war die Folge. Zwei Damen, die sich derweil in Kabine I und 5 bräunten, wurden hysterisch, weil sich ihre Sonnenbänke nicht mehr öffneten. Für diesen außergewöhnlichen Fall sei im Programm noch nichts vorgesehen, sagte Mr. Caribic und fragte dann auch noch laut in die Menge: "kennt sich hier jemand mit Computern aus?" Während er verzweifelt nach einen Computerprofi Ausschau hielt (es waren nur Frauen anwesend), fiel mir ein, daß auf der IAA bei BMW jedes Jahr eine ähnliche Wundermaschine steht und schon seit Jahren einwandfrei läuft. Die Infosäule von BMW wurde von Jörg Drücker (Fa. Imagic) gebaut. Das Innenleben besteht aus einem ATARI ST, einer Festplatte von ICD und darauf läuft eine Spezial-Version seines Programms Imagic. ... Heute wurde die Sonnenbank wieder manuell bedient.

Newton I

Apples neuestes Spielzeug dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Aber es gibt nicht nur Rosiges über den Newton zu berichten. Hier ein Auszug aus der Herald Tribüne (aus dem Englischen übersetzt):

... Möglicherweise überwältigte der Druck, das Projekt zu beenden, einige der jungen Programmierer. Nach 18-Stunden-Tagen gingen einige von ihnen nach Hause und weinten. Ein paar gaben auf. Einer hatte einen Nervenzusammenbruch und endete im Gefängnis. Ein anderer nahm eine Pistole und brachte sich um. Ko Isono, ein 30 Jahre alter Programmierer aus Japan, hatte an dem Teil der Newton-Software gearbeitet, der die Bildschirmausgabe von Text und Grafik steuert. Als der Stichtag näherrückte, begann er, sich in die Enge getrieben zu zu fühlen. Am 12. Dezember vorletzten Jahres erschoß sich Isono. Sein Selbstmord brachte das Newton-Team beinahe aus dem Gleichgewicht.

Newton II

Jetzt gibt’s ihn auch bei uns: Den Newton, der das Handy als Yuppie-Spielzeug Nr. I ablösen könnte. Namensgeber Sir Isaac Newton (1643 bis 1727), ein englischer Physiker, gilt als Begründer der klassischen Mechanik. Ob jedoch aus Apples jüngstem Sproß einmal ein Klassiker wird, bezweifeln mittlerweile selbst Apple-Enthusiasten. Wahrscheinlicher ist es, daß dem Newton dereinst ein Plätzchen in Apples Werksmuseum eingeräumt werden wird, und zwar direkt neben der unvergessenen "Lisa" (wer erinnert sich noch?). John Sculley jedenfalls, der Apple den Newton eingebrockt hat, hat mittlerweile die Kurve gekratzt - ob es da wohl einen Zusammenhang gibt?

Aber der Reihe nach. Für die Trendmuffel unter uns: Beim Newton handelt es sich um ein PenTop, das in etwa die Größe einer besseren Mausefalle erreicht. Es verfügt über ein eigenes GUI (Grafics User Interface), ferner über einen Stift, mit dem man auf den Bildschirm schreiben kann. Von Apple nach einigen unbedeutenden Problemen in der Entwicklungsphase (s.o.) erstmals am 29. Mai 1992(!) in Chicago der Öffentlichkeit präsentiert, sorgte der Newton schnell für Furore in der Computerwelt. Dies ging allerdings weniger auf die tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten des "PDA" (bedeutet nicht etwa "Pending Delivery of Assistants", sondern "Personal Digital Assistant") zurück, als viel mehr auf diejenigen Features, die er laut vieler vollmundiger Ankündigungen des ehemaligen Pepsi-Verkäufers Sculley haben sollte. Insbesondere behauptet man bei Apple noch heute unverdrossen, der Newton könne lesen, was ihm sein Herr und Meister mittels eines speziellen Stifts auf den Bildschirm krakelt (man beachte den Unterschied: Bei Shiraz Shivjis Momenta war’s eine Spinnerei; kommt’s von Apple, ist’s "visionär" oder gar "innovativ"). Angesichts einer Trefferquote bei der Handschrifterkennung von ca. 40% wirkt es da schon wie unfreiwillige Komik (oder wie Pfeifen im Wald?), wenn Apple behauptet "Newton wird die Geschichte der Kommunikation neu schreiben".

Apple sind wohl bei der Konzeption des Newton mehrere schwerwiegende Denkfehler unterlaufen: Zunächst ist sein Display (6 cm mal 12 cm) schlichtweg zu klein, als daß darauf Texte erstellt werden könnten, die länger als zwei Sätze sind -von komplexeren Grafiken ganz zu schweigen. Termine und Adressen lassen sich zwar damit verwalten - hierfür läßt sich aber auch ein FiloFAX verwenden, und dem geht kaum jemals die Batterie aus. Bezeichnenderweise hält sich nach wie vor das Gerücht, selbst die Mitglieder des Newton-Entwicklungsteams hätten zu ihren Meetings ganz altmodisch einen Schreibblock und einen Bleistift bzw. ein PowerBook mitgebracht, während ihr kleinwüchsiger "Assistent" in der Aktentasche bleiben mußte. Als Pager, d.h. als echtes Kommunikationswerkzeug, ist der Newton dagegen wiederum zu groß und zu schwer. Wie’s anders geht, haben uns unsere Schweizer Freunde von Swatch mit der "BeepUp" gezeigt. Schließlich schreibt heute kaum noch jemand mit der Hand, weswegen ein Gerät wie der Newton dem Versuch gleichkommt, einen neuartigen Schallplattenspieler auf den Markt zu werfen.

Dies alles paßt zu dem amüsanten Gerücht, das mich zum Jahresschluß 1993 erreichte. Danach soll die Idee für den Newton von einem Apple-Mitarbeiter gekommen sein, der von Erzfeind Microsoft eingeschleust worden ist, um Apple endgültig den Garaus zu machen - als trojanisches Pferd sozusagen. John Sculleys Nachfolger ist Michael Spindler, ein Deutscher. Sein Spitzname lautet "The Diesel". Hoffen wir, daß unserem Landsmann nicht aufgrund des Newton-Jahrhundert-Flops der Treibstoff ausgeht. Newton-Software gibt es aus Deutschland auch schon. Die Firma Hans Soldan zum Beispiel bringt eine Software namens "RAMses" auf den Markt. Die Software soll Rechtsanwälten das Berechnen von Prozeß- und Vergleichskosten abnehmen, und mit dem "Sales Assist" von der Fa. Pythia können gewitzte Autoverkäufer ihre Auftragsannahme- und bearbeitung in BMW-Werkstätten erledigen. Die Zielgruppen in Deutschland sind also klar definiert: Rechtsanwälte und Autoverkäufer! Ich jedenfalls freue mich auf die CeBIT 1994, auf der Apple dem Vernehmen nach einen PDA für Linkshänder herausbringen wird (Projektname "Quayle", nach jenem unvergessenen amerikanischen Vizepräsidenten, der im Buchstabieren noch jeden PDA übertraf). Meine Handschrift könnte im übrigen wohl selbst der beste PDA nicht entziffern, und überhaupt: Wie würde der Newton wohl reagieren, drückte ich ihm meinen Kußmund auf den Bildschirm? Würde der Bildschirm rot anlaufen, oder würde sich der Winzling einfach ausschalten?...

... fragt sich bis zum nächsten Monat...



Aus: ST-Computer 02 / 1994, Seite 125

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