Interview mit adequate systems

Wie bekannt, haben die ehemaligen Calamus-Programmierer Anfang dieses Jahres eine eigene Firma gegründet, adequate systems. Und seit dieser Zeit laufen auch die Verhandlungen zwischen adequate systems und DMC um die zukünftige Weiterentwicklung des Calamus. Das aktuelle, neue Update des Calamus SL wird nun von DMC fertiggestellt und dürfte wohl in Kürze zur Auslieferung kommen. Doch wie geht es dann weiter? Nach dem Interview mit Dr. Riedl aus der Geschäftsleitung von DMC (STC 5/94) sprach ich nun mit Raimund Thiel und Klaus Garms, Geschäftsführer von adequate Systems.

ST-Computer: Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen zwischen adequate systems und DMC zur gemeinsamen Weiterentwicklung von Calamus und weiterer Produkte?

Klaus Garms: Die Verhandlungen, wie sie jetzt geführt worden sind, gehen im Prinzip auf Gespräche zurück, die wir schon geführt haben, als wir noch für DMC gearbeitet haben. Wir würden nach wie vor eine solche Zusammenarbeit als sinnvoll sehen und begrüßen. Zu solchen Verhandlungen ist natürlich ein beiderseitiges Interesse essentiell notwendig. Im Moment stellt sich für uns die Situation so dar, daß DMC an einer solchen weiteren Zusammenarbeit kein Interesse äußert.

ST-Computer: Wie wird es da weitergehen mit dem Calamus SL?

Raimund Thiel: Calamus SL ist an sich ein so mächtiges System, daß die Entwicklung von Calamus nicht unbedingt im Vordergrund stehen muß, sondern auch über die Module vonstatten gehen kann. Das sieht man ja auch schon an unseren neuen eigenen Modulen.

Klaus Garms: Im EBV-Bereich hatte das Calamus-System eindeutig eine Lücke. Diese Lücke füllen wir folgerichtig mit den ersten drei Modulen MERGE, FILTER und PAINT. Es ist uns klar, daß das System noch viele weitergehende Möglichkeiten bietet, die wir auch nutzen werden.

ST-Computer: Kann man denn sagen, daß der Calamus als System grundsätzlich schon so stabil ist, daß die Programmentwicklung nur noch über die Module weiterlaufen kann?

Raimund Thiel: Gut, es gibt sicher noch einige grundsätzliche Verbesserungsmöglichkeiten in Calamus selbst, z.B. die Schmuckfarbenseparation, aber Calamus ist de facto jetzt schon sehr ausgereift, und unserer Meinung nach wird sich die Modulphilosophie erst jetzt richtig zeigen.

ST-Computer: Was hat Euch zum Abschied von DMC und zur Gründung einer eigenen Firma bewogen?

Klaus Garms: Auf die Dauer kann man ein solches Projekt wie Calamus ohne langfristige Perspektive für alle Beteiligten nicht durchfuhren. Wenn eine Geschäftsleitung auf hierarchischen Strukturen besteht, dann hat sie auch die Verpflichtung, solche Perspektiven aufzuzeigen. Wenn sie dies nicht tut, muß sie mit den Konsequenzen leben. Das Team, das Calamus im wesentlichen entwikkelt hat, war schon vor der Gründung von DMC unabhängig entstanden. Es war nur folgerichtig, das vorhandene Potential in einer organisatorischen Struktur zu bündeln.

ST-Computer: Nun hat der Calamus NT, abgesehen von seiner weitgehenden Identität mit dem ATARI-Calamus, ja auch den "Quasi-StandardVorteil": Grafiker und Profis in der Druckvorstufe können leichter mit Kunden vom Massenmarkt PC kommunizieren, und gerade für Neukunden ist der PC, dafür ATARI dasWort"Marketing"scheinbar nicht existiert, wohl näher als ein TT, Eagle oder die Medusa. Was für Vorteile bietet da noch der Calarnus auf der ATARI-Plattform?

Raimund Thiel: Der Vorteil liegt in der vorhandenen, breiteren Soft- und Hardware-Plattform. NT ist im Moment ein sehr kleiner Nischenmarkt, und es ist noch nicht abzusehen, daß sich das ändern wird. Zusätzlich ist Calamus SL mit dem ATARI ein zuverlässiges und produktives Werkzeug, das sich in der Praxis tausendfach bewährt hat.

Klaus Garms: Hinzu kommt noch, daß das TOS-Betriebssystem mit seinen Weiterführungen, z.B. in MagiX!, handhabbarer ist als die meisten anderen Systeme und wesentlich effizienter mit der Hardware-Rechenleistung umgeht.

ST-Computer: adequate systems und Digital Arts sind die beiden Firmen, die derzeit den ATARI-DTP-Markt durch ständig neue und innovative Entwicklungen bestimmen. Zwischen Calamus und DA's Layout gab es in den letzten Jahren ja eher einen Kleinkrieg als eine anwenderfreundliche Kompatibilität der Formate. Günther Kreidl (Digital Arts) sagte auf dem DTP-Forum der ProTOS in Ulm etwas von einem "möglichen Zwi- schenformat", das den Austausch auch von Dokumentenformaten zwischen beiden Layoutern ermöglichen könnte. Sind hier also Annäherungen in Sicht?

Klaus Garms: Die Rivalität, wie sie in der Öffentlichkeit gesehen wurde, hat zwischen den beteiligten Personen in dieser Schärfe eigentlich nie existiert. Man sollte aber auch die technischen Schwierigkeiten nicht unterschätzen, vor allem, wenn es um die Dokumentenformate geht. Wir sind aber nach wie vor aufgeschlossen dafür, Austauschmöglichkeiten zwischen verschiedenen Produkten herzustellen. Beispielsweise können wir jetzt schon Filtereinstellungen und Pinselinhalte zwischen unseren Modulen und DA's Picture austauschen.

ST-Computer: Was ist in Zukunft noch von adequate Systems zu erwarten?

Klaus Garms: Wir haben Konzepte schon immer langfristig angelegt. Während wir jetzt noch eine längere Zeit auf der bislang aufgebauten Grundlage arbeiten können, werden wir trotzdem den nächsten Schritt vorbereiten. Schließlich sind wir in der Zwischenzeit ja nicht stehengeblieben, sondern haben auch grundsätzlich neue Ideen entwickelt. Bis dahin stehen aber noch eine ganze Reihe kurzfristiger Produkte auf der Tagesordnung.

ST-Computer: Wir danken für das Gespräch!

Mit Raimund Thiel und Klaus Garms sprach Jürgen Funcke.



Aus: ST-Computer 07 / 1994, Seite 66

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