Videomaster und Colourmaster - Die Zwei

Mit dem Videomaster-Paket des noch aus „Sinclair ZX-Spectrum“-Zeiten bekannten britischen Herstellers Microdeal bietet der deutsche Distributor R.O.M. logicware einen preisgünstigen Einstieg in die Technik der Videodigitalisierer. Das Set ist in verschiedenen Ausführungen erhältlich: ATARI ST- und TT-Modelle können mit dem Digitizer-Modul zum „Multimedia“-Rechner aufgerüstet werden, optional wird auch das RGB-Splitter-Modul „Colourmaster“ geliefert.

Das Falcon-Paket, das uns zum Test zur Verfügung stand, besteht aus beiden Modulen und unterstützt zusätzlich auch die Falcon-Truecolour-Auflösungen. Als Bonbon enthält dieses Paket noch das HiSoft-Grafikprogramm „Truepaint“ in der Version 1.03. Allen Ausführungen liegen zusätzliche Farbfilter für Videokameras bei. Die ST/TT-GrundVersion ist zum Preis von 198,- DM erhältlich, inkl. des optionalen RGB-Splitters kostet sie 298,- DM. Die Falcon-Version schlägt mit 348,- DM zu Buche.

Nach dem Öffnen des quietschbunten Kartons erblickt man das Videomaster-ROM-Port-Modul, die beiden Handbücher und vier Disketten. Eine der Disketten enthält die Videomaster-Software, auf den drei anderen befinden sich Truepaint und einige Grafikdateien. In einem eigenen Karton steckt der RGB-Splitter „Colourmaster“ mit einem weiteren, kleinen Handbuch. Neugierig nahmen wir die beiden Module zur Hand und betrachteten sie. Nun ja, einen robusten Eindruck machten sie nicht; zudem weisen beide auf der Rückseite große Aussparungen im Gehäuse auf, die nicht nur den Blick auf die Platine freigeben. Während der Digitizer sich mit dem ROM-Port als Steckplatz zufriedengibt, verlangt der RGB-Signal-Splitter zusätzlich noch nach dem Drucker-Port und dem zweiten Maus-/Joystick-Adapter.

Das Digitizer-Modul

Es weist an seiner linken Seite eine Video-signalbuchse und zwei Drehregler zur Kontrast- und Helligkeitsregelung auf. Der Anschluß des Digitizers am ROM-Port ist wie üblich unproblematisch - neben der Videosignalbuchse verbleibt jedoch wenig Platz, so daß der Kontrastdrehregler nur noch schlecht mit den Fingern zu fassen ist. Als Videosignalquelle kommen eine Scart Buchse oder der Videosignalausgang eines Videorecorders und/oder einer Videokamera in Frage. Der Stereoton wird über einen Chinch-Klinkenadapter in die Mikrofonbuchse des Falken eingespeist. Nach dem Start des TOS-Programmes VMASTER findet der Anwender sich in einer GEM-ähnlichen Oberfläche wieder, die vier, im englischen Handbuch als „Karten“ bezeichnete, Menüs zur Verfügung stellt.

Der Videomaster wird im Paket mit dem Bildbearbeitungsprogramm Truepaint ausgeliefert

Die Videokarte

Hier befinden sich die Hauptbedienungselemente des Digitizers. In der linken oberen Ecke ist ein Fenster, in dem die aufgenommenen Szenen oder das aktuelle Bild in Graustufen dargestellt werden. Zwei Buttons unter diesem Fenster dienen der Aufnahme bzw. Wiedergabe der Filme. Am unteren Rand des Bildschirmes ist ein Fenster zu sehen, das das Audiospektrum der aufgenommenen Szene wiedergibt. Die weiteren Bedienungselemente auf der rechten oberen Seite dienen der Aufnahmesteuerung, zu Dateioperationen und Wiedergabefunktionen. Ein spaßiges Feature ist der Watch-Button, mit dem sich das aktuell anliegende Bild in Echtzeit betrachten läßt. Diese Funktion dient vorwiegend dem Ermitteln der gewünschten Anfangsstelle eines Filmes, sie läßt sich aber auch ganz hervorragend zum Fernsehen am Computer mißbrauchen.

An einer Leiste mit bezifferten Buttons sucht sich der Anwender die gewünschte Aufnahme- und Wiedergabegeschwindigkeit aus. Die Skala erstreckt sich über 7 Geschwindigkeiten von 2 bis 25 Bilder/ sec., zusätzlich läßt sich ein „Time Lapse“ einstellen, der Aufnahmen in frei definierbaren, diskreten Intervallen >=1 Sekunde erlaubt. Natürlich ist die Länge eines Filmes limitiert durch den zur Verfügung stehenden Arbeitsspeicher, die gewählte Aufnahmegeschwindigkeit und den reservierten Audiospeicher. Zufriedenstellende Ergebnisse lassen sich bereits mit 8 oder gar nur 6 Bildern/sec. erzielen, Szenen mit einem schnellen Schwenk erfordern hingegen mindestens 12, wenn nicht sogar 25 Bildern/sec. Im günstigsten Fall, d.h. ohne reservierten Audiospeicher, reicht der Arbeitsspeicher eines 4MB-Falcons für ca. 7,6 sec. Film bei 25 Bildern/ sec. Entsprechend länger geraten die Aufnahmen bei einer reduzierten Bildrate. Mit dem Editbutton läßt sich die gerade aufgenommene Szene editieren: Überflüssige Bilder am Anfang oder Ende werden entfernt, Zwischenschnitte gelöscht oder umkopiert. Hier lassen sich auch andere Bilder einfügen und der Bildspeicher auf den Audioteil erweitern. Anschließend kann man diese editierte Szene auf der Festplatte als FLM- oder VID-Datei speichern. Im Setup-Menü lassen sich der 75Q-Eingangs-widerstand per Button umschalten, die Hintergrundfarbe wählen und eine Bildhöhen- oder -breitenanpassung einstellen. Mit dem „Full screen“-Button wechselt

der Anwender in den Vollbildmodus, nicht ohne eine Warnung, daß dadurch der gesamte Bild und Audiospeicher gelöscht werde, gelesen zu haben. Im Menü angelangt, wählen wir zwischen monochromer oder farbiger Darstellung und hoher oder niedriger Auflösung. Die monochromen Auflösungen bedürfen keiner weiteren Einstellung, und es kann sofort mit dem „Grabben“ begonnen werden. Bei der Anwahl der Farbdigitalisierung erscheinen weitere Buttons, die der getrennten Aufnahme der RGB-Screens dienen, der Farbabgleich kann jedoch getrost auch der Auto-Funktion überlassen werden, die meist recht gute Ergebnisse liefert. Sollte der Anwender jedoch den manuellen Abgleich bevorzugen, kann er die drei Einzelbilder im Merge-Menü probe weise oder endgültig zum Gesamtbild übereinander-legen. Schließlich lassen sich die erstellten Werke auf der Festplatte sichern oder auch früher gefertigte Bilder zur Nachbearbeitung laden.

Der Vollbildmodus stellt gerade in den Farbauflösungen höhere Ansprüche an das verwendete Videoequipment: Dieser Modus ist nicht mehr echtzeitfähig, sondern verlangt ein absolut stillstehendes Bild ohne jegliches Zittern, da das Bild im Automodus ca. 7 sec. lang abgetastet wird. Jedes Wackeln führt dazu, daß die Konturen der drei einzelnen Farbbilder nicht kongruent abgebildet werden. Das führt zu leicht psychedelisch wirkenden, abstrakten Gesamtbildern. Sollte ein Videorecorder als Bildquelle für Vollbilder Verwendung finden, muß dieser also über ein einwandfreies, stabiles und verzerrungsfreies Standbild verfügen. Prinzipiell wäre ein Recorder der gehobenen Preisklasse mit Quickstart-Mechanismus und komfortablen Edit-Funktionen von Vorteil, insbesondere das Einzelbild-Shuffling zur genauen Ansteuerung von interessanten Szenen käme sehr gelegen. Als Alternative eine Videokamera ohne Stativ verwenden zu wollen, wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Das Stativ wird zur Aufnahme von Vollbildern mittels Kamera unbedingte Voraussetzung sein. Mit einer solchen Ausrüstung lassen sich allerdings schon ganz ordentliche Ergebnisse erzielen.

Der RGB-Splitter unterstützt den Anwender beim manuellen Farbabgleich. Er ermöglicht ein komfortables Anpassen der roten, grünen und blauen Anteile des Videosignals und somit qualitativ bessere Vollbilder.

Auch Kapitän Blaubär ist von Videomaster beeindruckt.
Die Oberfläche präsentiert sich im modernen 3D-Look.
Dieses Bild des Künstlers „Kandinsky“ wurde mit dem Videomaster digitalisiert.

Die Audiokarte

In diesem Programmteil stehen Funktionen zur Aufnahme und Manipulation von Soundpassagen zur Verfügung. Samples können verstärkt werden, eine Fader-Funktion ist vorhanden, blockweises Kopieren, Löschen, Verschieben und Faden sind möglich. Auch die Aufnahme von Samples ohne Bilddigitalisierung ist vorgesehen; diese Samples können an beliebiger Stelle eingefügt werden. Analog zu der „Watch“-Funktion des Video-Screens findet sich in diesem Menü eine „Listen“-Funktion, die dem Abpassen der gewünschten Audiopassage dient. Bei den Samples gilt das gleiche wie bei den Bild-Scans; Die maximale Länge der Samples wird durch den freien Arbeitsspeicher und durch den für die Bilder reservierten Speicher limitiert.

Ein kleines Manko ist die Tatsache, daß der linke und der rechte Kanal zwar getrennt dargestellt werden, eine Tonmanipulation sich jedoch grundsätzlich auf beide Kanäle auswirkt. Leider ist das von einigen Videorecordern gelieferte Audiosignal zu stark, was zu völlig verrauschten Aufnahmen führte. Abhilfe schafft in einem solchen Fall nur das Zwischenschalten der hoffentlich vorhandenen Stereoanlage.

Die Sequenzerkarte

Das dritte Menü bildet das eigentliche Herzstück der Vmaster-Software. Hier werden die aufgenommenen und editierten Samples und Bildfolgen zu kleinen Filmen zusammengeschnitten. Zur Vorbereitung werden erst die Bildfolgen und die Samples in ihre entsprechenden Pufferspeicher geladen. Mit Hilfe der Editierfunktionen werden anschließend bestimmten Tasten einzelne Bereiche der Bild- und Tonfolgen zugewiesen. Ist auch diese Aufgabe, die der Programmierung eines Makrorecorders ähnelt, abgeschlossen, so ist der Sequenzer fertig zur Aufnahme. Die Aufnahme selbst ist recht einfach: Der REC-Button wird angeklickt, und die Aufnahme startet. Der Anwender kann nun an den passenden Stellen die jeweiligen Tasten-„Makros“ abrufen. Die bei den meisten Menschen zuerst sicherlich auftretenden Timing-Fehler lassen sich glücklicherweise noch nachträglich ausbügeln. Während der Aufnahme läuft in einem kleinen Fenster ein Zeitband mit, das die verstrichene Zeit in Zehntelsekunden anzeigt. Es erweist sich bei der Nachbearbeitung der Sequenz als sehr hilfreich. Unter diesem Fenster befinden sich Pfeil-Buttons, die denen von Tapedecks in ihrer Funktion sehr ähneln. Sie dienen dem Auf-und Abscrollen in der Sequenzliste, in der die jeweiligen Tastenmakros zum Zeitpunkt ihres Aufrufes während der Aufnahme vermerkt sind. Neben dem Sequenz-Listing-Fenster befinden sich die Buttons, mit deren Hilfe die schon angesprochenen Fehler ausgemerzt werden können. Ist die Sequenz zur Zufriedenheit bearbeitet, kann sie als VSQ-Datei gespeichert werden. Sollte noch Speicher vorhanden sein, ist auch das Anhängen einer weiteren Sequenz durchaus möglich. Der Sequenzer ist ein echtes Highlight dieses doch recht kleinen Programmes, und die Arbeit mit ihm fällt leicht.

Die Systemkarte

Zu guter Letzt werfen wir noch einen Blick auf das Konfigurationsmenü. Ein Punkt ist für das Löschen der Bild- und Tonspeicher gedacht, ein weiterer zur Information über die aktuelle Speicherbelegung des Video-und Audiobereiches und des noch zur Verfügung stehenden Arbeitsspeichers. Derselbe Dialog erlaubt das Verändern der maximalen Bilderanzahl. Eine Erhöhung bewirkt natürlich eine verringerte, maximale Sampling-Dauer, eine Verringerung des Bildpuffers hingegen einen vergrößerten Audiospeicher. Der dritte Punkt dient der Einstellung allgemeiner Aufnahmeparameter und entspricht dem des Videokarten-Setup-Dialogs. Ein Programminfo- und ein Quit-Button bilden den Abschluß dieses Dialogs.

Fazit

Angesichts des Preises der Geräte kann man sicherlich keine Profiqualität hinsichtlich der Verarbeitung und der Leistungsfähigkeit erwarten. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist aber das fragile Gehäuse, insbesondere des RGB-Splitters. Trotz allem muß man sagen, daß das Arbeiten (oder auch Spielen) mit dem Gerät viel Spaß macht, solange man keine - bei diesem Preis - unangemessen hohen Anforderungen an die Bildqualität stellt. Die Handbücher sind in einem einfachen, leicht verständlichen Englisch geschrieben, so daß sich auch die Anwender mit etwas eingerostetem Schulenglisch zurechtfinden sollten. Laut Rücksprache mit R.O.M. logic-ware befindet sich auf den ausgelieferten Disketten jedoch eine deutsche Übersetzung der Handbücher. Summa summarum weisen die Module ein recht gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf und können dem geneigten Hobbyisten viel Freude bereiten.

Bezugsquelle:

R.O.M. Logicware Raschdorffstraße 99 13409 Berlin

Preise:

ST- und TT Version: 198,- DM
inkl. RGB-Splitter: 298,- DM
Falcon-Version: 348,- DM

Videomaster

Positiv:

einfache Bedienung
günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis

Negativ:

wackeliges Gehäuse
Anschluß am Drucker-Port nicht optimal (Colourmaster)


Dirk Michel
Aus: ST-Computer 12 / 1994, Seite 46

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