Formula Pro - Formelsatz der Luxusklasse

Bereits mit der ersten Version von Formula überraschte die Firma Purix Software die Formelsetzer unter den Atari-Usern. Einfache Direkteingabe aller Sonderzeichen über ein Panel, volles WYSIWYG und automatische Formatierung hießen die Trümpfe der Version 1.0.

Mit der stark erweiterten Version Formula Pro 2.0 werden die letzten offenen Wünsche erfüllt. Ganz oben auf der Liste der Anwenderwünsche standen eine Reihe von Spezialzeichen, die jetzt durch neue Fonts erreichbar sind. Die Blackboard-Zeichen inklusive der Ziffern dürften hier neben der Schreibschrift sowie den Grundschnitten fett, fettkursiv und Fraktur die wichtigsten Neulinge sein. Hinzu kommen als neue Einzelzeichen h-quer, lambda quer, quabla-Operator und Blitz.

Neue Zeichen

Wie verbreitet Drucker mit 600 dpi sind, läßt sich an dem immer wieder von Anwendern geäußerten Wunsch nach Unterstützung dieser hohen Auflösung sehen. Mit großer Sorgfalt wurden daher sämtliche Formula-Fonts von der auf Schriften spezialisierten Firma Types, Holger Schlicht um eine Version in 600 dpi ergänzt.

Eingabe

Alle normalen Zeichen werden über die Tastatur eingegeben. Für Operatoren und Sonderzeichen steht ein frei verschiebbares Panel zur Verfügung, dessen Tafeln durch Wahlschalter umschaltbar sind. Hier findet sich vom Bruch bis zur Matrix alles, was im Formelsatz benötigt wird. Editierbare Felder wie z.B. Zähler und Nenner eines Bruchs sind mit grauen Rechtecken gekennzeichnet. Bei Matrizen zeigen leere Kästchen die editierbaren Felder an.

Kleine Sprünge

Bei Zeichen wie dem Integral kommt man von einem Eingabefeld zum nächsten grundsätzlich mit der Return-Taste. Als Taste für die nächste Zeile dient daher Shift-Return. Mit der Tabulatortaste können zur perfekten Formatierung Tabulatoren wie in einer Textverarbeitung eingegeben werden. Auffällig ist neben den Standard-Tabulatortypen der fünfte Tabulatortyp, der die Form eines Gleichheitszeichens hat. Gibt man am Anfang einer Zeile mit Gleichheitszeichen einen Tabulator ein, bleibt das Gleichheitszeichen immer unter diesem Tabulator, es sei denn, daß vordem Gleichheitszeichen zu viel Text eingegeben wird.

Formulas Operator-Tafeln ohne die Font-Tafeln

Platzprobleme

Um Indizes auch im zweiten Grad noch gut auf dem Bildschirm lesen zu können, müssen die Formeln relativ groß dargestellt werden. Auf kleinen Bildschirmen wird die Formeleingabe daher besonders bei mehrzeiligen Formeln leicht unübersichtlich, obwohl Formula Pro bei der Formeleingabe wie eine Textverarbeitung scrollt. Speziell für dieses Problem läßt sich in Formula Pro das Panel auf den Teil mit den Wahlschaltern verkleinern. Die Zeichenauswahl verschwindet und klappt erst dann wieder auf, wenn man auf einen der Wahlschalter klickt. Bei gedrückter Maustaste kann nun das gewünschte Zeichen ausgewählt werden. Mit dem Freigeben der Maustaste klappt die Zeichenauswahl zu, und das Zeichen erscheint in der Formel. Liegt das Panel am unteren Bildschirmrand, klappt die Tafel nach oben aus.

Eine weitere Maßnahme zum Sparen von Bildschirmplatz ist die grundsätzliche Darstellung aller Formeln in einer Größe, unabhängig von der gewählten Ausgabegröße. Für die Ausgabe kann neben den Schriftgrößen 10, 11 und 12 Punkt zwischen den Auflösungen 300 dpi, 360 dpi und 600 dpi gewählt werden. Zur Druckkontrolle steht eine Druckausgabe für HP-kompatible Drucker zur Verfügung. Wer auf anderen Druckern ausgeben will, muß die Formel zunächst an ein Programm wie z.B. papyrus übergeben.

Speedo-Fonts

Für normale Textteile innerhalb von Formeln beherrscht Formula Pro neben der mathematischen Formatierung auch die Textformatierung, bei der andere Zeichenabstände verwendet werden. Hierzu muß auf Speedo-Fonts zugegriffen werden, die bei installiertem Speedo oder NVDI 3.X zur Verfügung stehen. Wer ohne ein Vector-Font-System arbeitet, kann Textteile auch mit der normalen Formula-Schrift schreiben. Die Formatierungsunterschiede sind relativ gering.

Wer Formeln zwischen verschiedenen Rechnern austauschen will, muß notieren, auf welchen Positionen in der Font-Auswahl welcher Font gelegen hat, denn die Speedo-Fonts werden nicht namentlich in der Formel gespeichert.

# Tips und Tricks zum Einbinden von Formeln in papyrus und Script

Eine Formel, die im Fließtext steht, sollte bei Textänderungen mit dem Text verschoben werden. Hierzu muß in papyrus für die als Bilder in den Text eingebundenen Formeln unter Objekt/Attribute die Funktion nur am Absatzanfang für den Objektanker ausgeschaltet werden. Die Formeln werden nun wie ein normales Zeichen mit dem Text formatiert. Um den für die Formel nötigen Platz zu schaffen, müssen unter der Formel feste Leerzeichen mit Control und der Leertaste eingegeben werden. Diese Kette von festen Leerzeichen muß exakt die gleiche Breite wie die Formel haben, damit die Formel als letztes oder erstes Zeichen in einer Zeile nicht übersteht Gegebenenfalls kann die Breite der Kette fester Leerzeichen durch die Veränderung der Punktgröße angepaßt werden. Da die Formel sich so wie ein normales Wort verhalten soll, muß vor und hinter den festen Leerzeichen ein normales Leerzeichen stehen. Wie hoch die Formel in der Zeile stehen muß, kann man am leichtesten ernennen, wenn unter Einstellung/Darstellung die Basislinien eingeschaltet sind.

Um den Zeilenabstand einer einzelnen Zeile der Höhe einer Formel anzupassen, kann eines der festen Leerzeichen unter der Formel einfach mit einer entsprechend hohen Punktgröße versehen werden. Da dies auch die Breite des Leerzeichens beeinflußt muß danach eventuell ein anderes festes Leerzeichen unter der Formel gelöscht werden. Voraussetzung für diese Technik ist daß im üneal der Zeilenabstand als Faktor und nicht als absoluter Wert eingestellt ist In Script führt, man mit gedrückter Control-Taste einen Doppelklick auf eine als Bild eingebundene Formel aus und kann in dem darauf erscheinenden Dialog den Modus Transparent ausschalten. Das Bild wird dann wie ein entsprechend großes Zeichen behandelt und normal mit dem Text formatiert Die Zeilenhöhe paßt sich automatisch an. Bei gedrückter Control-Taste kann ab der Version Script 4 die Formel in der Höhe verschoben werden.

Blockweise

Eine der wichtigsten Neuerungen in Formula Pro ist die Blockselektierung, die wie in modernen Textverarbeitungen durch das Überstreichen mit der Maus funktioniert. Zusätzlich können Blöcke zwischen Cursor-Position und Mausposition mit einem Shift-Klick markiert werden. Bestehende Blöcke können an beiden Enden durch Shift-Klicks erweitert werden. Mit den üblichen Befehlen für die Blockoperationen Kopieren, Ausschneiden, Einfügen und Löschen lassen sich Formeln bequem editieren. Bei eingeschaltetem GEM-Clipboard sind Formeln oder Formelteile schnell an andere Programme übergeben, wenn diese ebenfalls das GEM-Clipboard unterstützen.

Für eine noch bequemere Blockmarkierung kann ein Zeichen wie eine Wurzel samt ihres Inhalts durch einen Doppelklick selektiert werden.

Makros

Wer ständig Formeln setzt, kann häufig wiederkehrende Formelteile selektieren und als Makro speichern. Jedes Makro bekommt ein Kürzel wie z.B. „1A" als Namen und kann dann über die Escape-Taste und das Kürzel eingefügt werden. Da Formelteile auch bei Namen mit acht Zeichen kaum eindeutig zu benennen wären, empfiehlt es sich, jedes gespeicherte Makro einmal mit dazugesetztem Kürzel auszudrucken.

Was nicht im sonst sehr guten Handbuch steht: Falls eine solche Liste mal verloren geht, kann die Makro-Datei „FORMULA.MCR“ wiejede andere Formel geladen werden. Die gespeicherten Makros sind zeilenweise in der Datei enthalten, werden aber ohne ihr Makro-Kürzel angezeigt. Beim Öffnen der Makro-Datei muß in der File-Selector-Box der Pfad auf das entsprechende Verzeichnis umgestellt und der Extender auf das Sternchen (.) geändert werden

TeX

Das Besondere an Formula Pro ist die automatische und typographisch korrekte Formatierung der Formeln. Dabei orientiert sich Formula Pro an der Formel-Formatierung von TeX. Der wesentliche Unterschied zu TeX besteht in der direkten Eingabe der Formelzeichen, da Formeln in TeX zunächst in einer kryptischen Formelsprache eingegeben werden müssen. Diesen Code kann Formula Pro bei einer fertigen Formel zur weiteren Verarbeitung in TeX ausgeben.

Vergleicht man eine mit TeX und eine mit Formula Pro ausgegebene Formel miteinander, erkennt man die höhere Qualität der Formel aus Formula Pro an einigen Details wie den Strichdicken, die nirgends zu dünn werden. Verantwortlich für diesen Qualitätsvorsprung von Formula Pro ist vor allem der Font-Hersteller Holger Schlicht, der in den als Vorlage dienenden TeX-Fonts sämtliche Raster-Fehler beseitigt hat.

Klammern

Wenn in Formula Pro ein Formelteil geklammert werden soll, gibt man meist keine beginnende und schließende Klammer von Hand ein. Statt dessen wählt man über das Panel die gewünschte Klammerform, wodurch die öffnende und die schließende Klammer gleichzeitig eingefügt werden. Im nächsten Schritt wird der Inhalt der Klammerung eingegeben. Setzt man in der Klammer z.B. einen Bruch ein, wächst die Höhe der Klammern automatisch schrittweise mit dem Inhalt mit.

Entschließt man sich nachträglich, einen Formelteil zu klammern, markiert man ihn als Block und wählt dann den gewünschten Klammertyp.

Zwei Herzen

Formula Pro läuft als Programm und als Accessory. Der vom Programm für sich beanspruchte Speicher läßt sich über eine ASCII-Datei mit dem Namen „FORMULA.MEM" definieren, was besonders unter Multitasking-Systemen nötig ist. Die minimale Speichermenge, die Formula Pro zugeteilt werden muß, ist ein Megabyte. Auf Rechnern mit nur einem Megabyte läuft Formula Pro daher nicht mehr, denn das Betriebssystem belegt einen Teil des Speichers.

Übergabe

Die mit Formula Pro erzeugten Formeln sollten für eventuelle spätere Nachbearbeitungen als Formula-Datei gespeichert werden. Für die Übergabe einer Formel an eine Textverarbeitung oder ein anderes Programm stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Die Formel kann als Bild im IMG-Format gespeichert und im Zielprogramm geladen werden. Etwas schneller geht es über das GEM-Clipboard. Am bequemsten ist die Übergabe einer Formel über das XACC-Protokoll. Hierzu muß Formula Pro als Accessory oder in einer Multitasking-Umgebung laufen. Versteht das Zielprogramm dieses Protokoll, genügt ein Befehl, um die Formel z.B. in eine wissenschaftliche Arbeit einzubinden.

Beispielhafte Qualität mit 600 dpi

Besonders angenehm ist die spezielle Zusammenarbeit von Formula Pro mit papyrus. Per XACC-Protokoll an papyrus übergebene Formeln enthalten nicht nur die Bildinformation, sondern auch die Formelinformation. Dadurch kann jede in papyrus eingebundene Formula-Pro-Formel auch später mit einem Doppelklick auf die Formel an den Formelsetzer zurück übergeben und geändert werden. Die beiden Programme verschmelzen quasi zu einer Einheit. Voraussetzung ist allerdings eine papyrus-Version 3.52 oder höher.

Fazit

Formula Pro liefert eine sehr gute Ausgabequalität mit bis zu 600 dpi, die auch für Satzbelichtungen ausreicht. Für das Upgrade gilt, daß alle Wünsche erfüllt wurden. Vom Accessory-Betrieb mit Menüleiste im Fenster bis zum XACC-Protokoll für Single- und Multitasking-Systeme ist alles vorhanden. Formula Pro läuft problemlos unter MagiCMac und glänzt mit leichter Bedienbarkeit. Die Systemanforderungen sind 2 MB Arbeitsspeicher und Festplatte. Im Accessory-Modus oder Multitasking-Betrieb empfehlen sich 4 MB, um Platz für weitere Programme zu bieten.

Preis: 99,- DM

Bezugsquelle:
Purix Software
Volker Christen
Karlstraße 45
38106 Braunschweig

Formula Pro

Positiv:

Großer Funktionsumfang
sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Negativ:

nur ein Fenster für Formeln im ACC-Betrieb


Hagen Henke
Aus: ST-Computer 11 / 1995, Seite 36

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