Die MagiC-PC-Ecke

Original-TOS unter MagiC-PC verwenden

Diesmal soll es um ein sehr interessantes Thema gehen, nämlich die Verwendung des Original-TOS unter MagiC-PC. Bei der Installation von MagiC-PC befinden sich nicht allzu viele Dateien im MagiC-PC-Verzeichnis, also kann man mal schnell untersuchen, um was es sich eigentlich handelt. Unseren Verdacht erregt die Datei MagiC_PC.OS. Das OS klingt schwer nach Operating System. Diese Datei wird beim Starten von MagiC-PC offensichtlich mitgeladen und wie ein ROM-Image im Speicher abgelegt.

Nun liegt eine Vermutung nahe: Wenn hier einfach ein ROM-Image gestartet wird, sollte ein guter Emulator theoretisch doch auch mit dem zurechtkommen, was im normalen ROM enthalten ist.

Schnell ist ein Programm geschrieben, das das Original-TOS ausliest und in eine Datei verfrachtet. Und siehe da: Wenn man MagiC_PC.OS durch diese Datei ersetzt, startet tatsächlich das ganz normale TOS 1.4.

Mit dem kleinen Programm ROMCOPV.TOS (liegt in unserer Redaktions-Mailbox) kann man auf einem Original-ATARI das TOS in eine Datei befördern, die damit funktioniert. Verwendbar sind die TOS-Versionen 1.00 bis 2.06, also das normale TOS von 520er bis Mega STE. TT-und Falcon-TOS gehen nicht, weil ja , nur ein ST emuliert wird.

Forschergeist

Das sieht doch ausgesprochen interessant aus, und wir forschen noch ein wenig weiter. Wirentdecken jede Menge interessanter Details und fassen hier mal das Ergebnis zusammen:

MagiC-PC sucht beim Starten nach zwei Dateien, die das Betriebssystem enthalten können. Zuerst wird nach ROM.OS gesucht. Istdiese Datei nicht vorhanden, wird MagiC_PC.OS geladen. Standardmäßig ist die Datei MagiC_PC.OS installiert. Da fragt man sich natürlich, wozu die Datei ROM.OS gut sein soll.

ROM.OS ist tatsächlich für ein alternatives Betriebssystem vorgesehen. MagiC-PC geht nämlich davon aus, daß in dieser Datei ein TOS vorhanden ist, das dann geladen und gestartet wird. Bleibt die Frage offen, wieso MagiC-PC das kann? Aber was soll’s? Es reicht, daß es geht!

Wieso das nicht dokumentiert ist. läßt sich wohl auch erklären. Mit der Verwendung des ROM-TOS ergibt sich ein kleines Lizenzierungsproblem, daher kann ASFI es nicht mitliefern. Dazu ist man auch nicht gezwungen, hat man doch mit MagiC sowieso ein komplettes Betriebssystem, das ohnehin mehr Funktionen (z.B. Multitasking) bietet als das Original-TOS und zudem noch schneller ist. Es kann aber dennoch ganz interessant sein, das Original-TOS zu installieren, weil damit eine ganze Menge alter Programme funktionieren, die auch schon auf dem ATARI unter MagiC gestreikt haben, weil sie fröhlich direkt auf dem Bildschirm rummalen und auch mit dem Multitasking gewisse Schwierigkeiten haben.

Die Lizenzierungsfrage könnte man nach gängiger Rechtsprechung so deuten, daß der Benutzer das ROM-TOS unter MagiC-PC benutzen darf, solange er nicht gleichzeitig seinen ATARI einschaltet, denn sonst würde das Programm ja zweimal zur selben Zeit verwendet. Beim Verkauf des alten ATARI würde das Nutzungsrecht dann auch erlöschen. Also am besten die ROMs rausbrechen und das Platinenstück auf den PC legen. Dann ist man rechtlich abgesichert.

Außer der Lizenzierungsproblematik gibt es noch ein paar andere Details, die zu beachten sind. Dazu kommen wir jetzt. Eine wesentliche Einschränkung ist die, daß das XFS, also das Filesystem, mit dem MagiC-PC die Windows-Laufwerke anspricht, im normalen TOS natürlich nicht vorhanden ist. Infolgedessen muß man sich dann doch wieder mit den Laufwerkscontainern einlassen. Aber das ist keine so dicke Einschränkung, wie man zunächst glaubt - doch dazu später mehr.

Für einen ersten Test machen wir einfach mal folgendes: Mit ROMCOPV wird auf dem ATARI das ROM-TOS in eine Datei und dann auf eine Diskette kopiert. Falls ein Drive-Container für Laufwerk C: vorhanden ist, sollte man dafür sorgen, daß im Autoordner nicht irgendwelcher Kram gebootet wird, den das alte TOS möglicherweise nicht mag.

Hat man das Laufwerk (wie in der Standardinstallation üblich) auf ein Windows-Laufwerkgemappt, dann muß man einen Drive-Container für C: anlegen.

Abb. 1: MagiC-PC in Aktion. Links unten ein schwedisches TOS 1.00 und rechts mal mit LOGO.

Wie macht man das mit dem Laufwerkscontainer?

Das geht so: Man wählt im MagiC-PC-Menü „Einstellungen/Laufwerke“ ein freies Laufwerk aus, also zum Beispiel „D“. Dann klickt man auf „Laufwerks-Container“. Untendran wird dann DISC_D.MPC angezeigt. Mit Klick auf „Auswählen“ und im folgenden Dialog auf „Öffnen“ wird der Pfad auf den aktuellen MagiC-PC-Pfad angepaßt, also beispielsweise „C:\MAGIC_PC\ DISCJD.MPC“. Nun „OK" wählen. Im folgenden Dialog kann dann die Größe des Laufwerks bestimmt werden, und nach Klick auf „OK“ legt MagiC-PC die Datei für den Laufwerkscontainer an.

An das Original-C-Laufwerk kommt man wieder dran, wenn man im Lauf-werksdialogC: wieder auf das ursprüngliche Windows-Verzeichnis zeigen läßt, also im Normalfall MagiC_PC\MagiC_C.

Die Datei mit dem ROM-TOS kopiert man in das Verzeichnis von MagiC-PC. Das alte MagiC_PC.OS kann man ruhig lassen, wo es ist, denn wenn ROM.OS vorhanden ist, wird das Ma-giC-OS nicht beachtet. Man kann also jeweils durch Umbenennen von ROM.OS steuern, ob MagiC oder TOS als Betriebssystem geladen wird. Wenn man es sehr oft wechseln will, ist es natürlich am besten, wenn man MagiC-PC zweimal in jeweils verschiedenen Verzeichnissen installiert.

Wird MagiC-PC mit dem neuen ROM.OS als Basis gestartet, sollte man sofort in das MagiC-PC-Fenster klicken und gleich noch die Leertaste drücken, weil das TOS sonst ewig nach der Boot-Diskette sucht, und das dauert eben sehr lange. Wir dachten am Anfang, daß es nicht klappt, aber wenn man ein wenig zurückdenkt, dann kann man sich daran erinnern, daß das auf dem ATARI unter Umständen auch ganz schön lange dauern kann.

Es erscheint nun das gute alte ST-Desktop (falls man TOS 1.00 genommen hat, sogar das steinalte Desktop). Laufwerk C: dürfte ebenfalls da sein, aber eben erstmal leer. Das Filesystem verhält sich jetzt etwas anders als unter MagiC. Um die Windows-Laufwerke vor TOS zu schützen (man weiß ja nie, was das anstellt), können Programme nur von Drive-Containern gestartet werden. Die Windows-Laufwerke selbst sind aber schon verwendbar. Dazu gibt es nämlich wieder einen kleinen Trick.

Man meldet nun Laufwerk 0: an. In neueren TOS-Versionen reicht dazu ein Klick auf „Laufwerke anmelden“ (deswegen sind wir nämlich darüber gestolpert). Öffnet man das Inhaltsverzeichnis von diesem Laufwerk, findet man dort Ordner, die das Windows-Filesystem abbilden. Für Laufwerk A: ist ein Ordner „A“ vorhanden, C: ist im Ordner „C“ und so weiter. Diese Laufwerke sind alle auf „Copy Only“ gestellt, das heißt, daß man etwas dorthin kopieren kann oder auch von dort etwas kopieren kann. Löschen von Dateien und Starten von Programmen werden aber unterbunden. Das ist auch ganz gut so, denn immerhin hat man beispielsweise im Ordner „F“ möglicherweise alle Dateien seines Novell-Servers im Zugriff- und wollte man auf die wirklich TOS 1.00 loslassen?

Dies ist jedenfalls ein ausgesprochen bequemer Weg, um die benötigten Dateien entweder von einer Diskette (Ordner „O:\AV) zu holen oder von der alten Platte C: (z.B. Ordner „O:\C\MagiC_PC\MagiC_CV). Es gilt folgendes zu beachten: Unter „O:\CV findet man die Original-Windows-Plat-te C:, und das Icon auf dem Desktop mit der Bezeichnung C: ist der Laufwerkscontainer vom ATARI-Laufwerk C:! Es gibt also im Prinzip zwei Laufwerke C:.

Der Härtetest

Nun geht es an die Praxis. Wir haben uns als Testkandidaten gleich mal Calamus 1.09n gegriffen, das ja bekanntlich unter MagiC so seine Schwierigkeiten hat. Diese entfalten sich ja auch auf einem ATARI oder unter Ma-giC-Mac. Also Diskette 1 rein, „O:\AV geöffnet und alles nach C: kopiert. Dasselbe Spiel mit Diskette 2. Nun Calamus starten und: o Wunder! Es geht. Und es ist selbst auf dem verwendeten 486er mit 100 MHz erstaunlich schnell. Nur keine Euphorie, also zumindest schon mal deutlich schneller als auf einem ST.

Nun werden wir übermütig und erinnern uns an die anderen Programme, die wir herausgekramt hatten und die - verständlicherweise - unter MagiC-PC ihren Dienst bisher verweigerten.

Wir testen: Bouncing Bobbles, Empire, Loom ... wow, das läuft nun plötzlich alles.

Und jetzt kommt der Clou. Der echte Gag ist, daß man auch von einer TOS-Diskette booten kann. Also Original-ATARI-TOS-Diskette ins Laufwerk und in den MagiC-PC-Parametern das Booten von LaufwerkC: ausschalten. Dann die Diskette „einiesen". „Neu starten“ anklicken, und MagiC-PC bootet tatsächlich das TOS von Laufwerk A:. Wir sind echt beeindruckt.

In der Abb.l ist zu sehen, wie wir uns ein kleines Späßchen erlaubt haben. Wir haben MagiC-PC zweimal installiert und gestartet. Links unten ist ein Fenster, in dem ein schwedisches TOS 1.00 in 320x200 läuft (leicht am Papperskorg und am „Avbryt“-Knopf zu erkennen). Rechts oben läuft ein deutsches Disketten-TOS, das über „Einlesen" aktiviert wurde. In den Laufwerkscontainer C: hatten wir vorher den Inhalt der Original-Language-Disk kopiert, auf der ja mal Abenteuer-BA-SlCund LOGO zu finden waren. Unsere Logo-Kenntnisse sind leider ein wenig eingerostet, aber man kann sehen, daß wir die „Turtle“ doch ein wenig bewegen konnten.

Zusammenfassend kann man sagen, daß es immer ein wenig Gepfrie-mel ist, bis man die Daten von den alten Disketten gekratzt hat, aber es macht ziemlich Spaß und man fühlt sich herausgefordert, das eine oder andere Programm doch noch irgendwie in Gang zu bekommen. Das Schöne dabei ist, daß es früher oder später meistens von Erfolg gekrönt ist.

Viele der getesteten Spiele hatten auf den Originaldisketten wegen irgendwelcher Kopierschutzmaßnahmen Probleme. Allerdings ist klar, daß sie ohne Kopierschutz laufen würden (ich denke, man versteht, was wir damit andeuten wollen - richtig, es liegt nicht an MagiC-PC, sondern an der Floppy-Hardware).

Dem einen mag es als Spielerei erscheinen, den anderen wird’s freuen, weil sein selbstgeschriebenes Programm nun doch noch auf dem PC zu neuem Leben erwachen kann. Kleine Reinkarnation gefällig? Wir können dazu nur ermuntern nach den positiven Erfahrungen, die wir in unseren Tests gewonnen haben.



Aus: ST-Computer 09 / 1996, Seite 25

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