Stateside-Report: Frühlingserwachen

Während der Winter seine letzten frostigen Grüße sendet und wir uns selbst wieder mit den Freuden des Frühlings vertraut machen, spiegeln unsere Gedanken über die Zukunft unseres Systems die der Jahreszeit wider: Sie sind frisch und voller Leben. Die jüngsten Verzögerungen rund um den Milan II haben allerdings ihre Wirkung auf die Atari-Anwender jenseits des großen Teichs hinterlassen: Einige bezeichnen die Maschine nun als Vaporware, einige wenige haben sogar unsere Plattform verlassen. Wieder anderen ist die Situation einfach egal. Wie auch immer: Nachdem ich dutzende von E-Mails von Atari-Anwendern über dieses Thema gelesen habe, scheint die allgemeine Meinung kohärent zu sein: «Es ist besser, den Rechner spät zu veröffentlichen, als zu früh und ohne die notwendige Vorbereitung - die Software muss auf die Hardware optimiert werden (und umgekehrt), Anzeigen müssen entworfen sein, und der Support muss stimmen», schrieb mir ein Besucher der MagiC-Online-Homepage - und ich muss ihm zustimmen. Schauen Sie sich zum Beispiel an, was aus dem Atari Jaguar wurde, als er übereilt veröffentlicht wurde: In einem verzweifelten Versuch, erster auf dem Markt zu sein und dadurch User zu gewinnen, vergaß Atari, genügend Einheiten und qualitativ hochwertige Spiele verfügbar zu halten und genügend Werbung zu machen - wir alle kennen diese Geschichte noch zu gut. Wenn z.B. am Falcon 030 noch etwas mehr Vorarbeit geleistet worden wäre, würden all die Flaschenhälse, mit denen wir heute leben müssen, nicht aufgetreten. Ist das wirklich das Schicksal, das wir dem Milan II gönnen wollen - nur, weil wir nicht mehr länger warten konnten?

Die Atari-Aktivitäten in Amerika wurden allerdings nicht eingestellt - nur, weil das Veröffentlichungsdatum des Milan II nicht eingehalten wurde. Ein neues, englischsprachiges Atari-Magazin namens "Atari Today" ist in seiner finalen Vorbereitungsphase und soll am 08. April in Großbritannien vorgestellt werden. Erstaunlich ist auch, wieviele neue Programme und Updates angekündigt wurden. Unsere Plattform ist definitiv nicht tot - sie schläft nicht einmal. Betaversionen neuer Programme füllen meinen E-Mail-Postkasten beinahe wöchentlich. Es handelt sich durchweg um Qualitäts-Produkte, die von Programmierern geschrieben wurden, die sich mit Begriffen wie "Kompatibilität" und "Optimierung" auskennen. Allein schon das Faktum, dass sie sich die Zeit für ausführliche Betatests nehmen, spricht dabei für sich. Zwar ziehen neue Programme für Windows 9x wie Bienen auf eine Honigwabe ins Internet, jedoch kann man wohl nur bei den wenigsten Programmen von Qualitätsproduktionen sprechen - und ich sage dies nicht nur, weil ich das Atari-System nutze. In einem Interview mit Oliver Buchmann von ASH fragte ich letztens, welche Version von MagiC sich am besten verkaufen würde. Die Antwort überrascht nicht: Derzeit handelt es sich um MagiC PC. Wenn Windows so toll ist und soviele Vorteile gegenüber der TOS-Plattform aufweist, warum hat dann jemand ein Bedürfnis nach MagiC PC? Vergessen Sie nicht, dass es sich bei MagiC PC nicht um ein Freeware-Programm handelt! Die meisten Leute kaufen das Programm, damit sie Software verwenden können, der sie vertrauen. Sie wissen, welche Ergebnisse sie damit erzielen und haben einfach nicht die Zeit, herauszufinden, wie eine weitere neue Applikation für Windows funktioniert - oder wie sie nicht funktioniert. Andere kaufen MagiC PC, um ein schnelles, günstiges und TOS- kompatibles Betriebssystem zu haben, das sie über Wasser hält, bis der Milan II veröffentlicht wird.

Vor einigen Wochen wurde hier Windows 2000 veröffentlicht - und genau wie beim MacOS 9 sprechen die meisten Leute auch von Windows 2000 als von etwas, was einen Schatten der Dinge darstellt, die in der Zukunft noch folgen sollen. «Ich warte auf Windows ME» oder «Ich warte auf MacOS X» sind häufig genutzte Antworten von durchschnittlichen Computeranwendern auf die Frage, warum sie ein Upgrade gekauft haben. Natürlich sind diese Antworten berechtigt - aber ich bezweifle, dass diese geduldigen User eine echte Wahl hatten. Bald werden Programme erscheinen, die Windows 2000 voraussetzen. Auch auf der Macintosh-Plattform sehen wir, wie brutal Leute dazu gezwungen werden, gegen ihren Willen MacOS 9 zu kaufen: Der neue Internet-Service iTools von Apple setzt MacOS 9 voraus - damit wird sogar MacOS 8.5, das nicht einmal ein Jahr alt ist, nutzlos! Wieviele von Ihnen nutzen dagegen die aktuelle Version von CAB oder Papyrus unter einem TOS, das fast zehn Jahre alt ist?

Ja, Atari-Anwendern stehen interessante Zeiten bevor. Und ich lade Sie herzlich ein, mir eine E-Mail zu schicken oder das Forum der st-computer-Home-page zu nutzen, um mir Ihre Meinung zu diesem und den vergangenen Reports zu senden - vielen Dank. 1|


Bengy Collins
Aus: ST-Computer 04 / 2000, Seite 11

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite