MP3 auf dem Atari

Das MP3-Format erfreut Musikfreunde und lässt die Musikindustrie zittern. Auch auf dem Atari kann man Musikstücke in CD-Qualität aus dem rechner genießen. Jan Daldrup hat sich die verschiedenen Player angeschaut und geht auch auf die Erzeugung von MP3-Dateien ein.

Lange musste der Atari-User mal wieder warten, doch seit Dezember letzten Jahres gibt es mit Aniplayer und FalcAMP gleich zwei MP3-Player für die Atari-Plattform. Um jedoch in den vollen Genuss des Formates zu gelangen, sollte mindestens ein Falcon oder Hades/Milan mit 060-Prozessor bereitstehen. Wer sowieso sein Geld in eine Startrack-Soundkarte investieren wollte, der kann Dank Falcon-kompatiblem DSP auch auf TT, Hades/Milan 040 und Co. MP3s in Echtzeit abspielen.

FalcAMP 1.01

FalcAMP ist ein Freeware-Player der beiden französischen Programmierer Denis Huguet und David Carrere. Wie sich aus dem Namen bereits ableiten lässt, ist dieser Player "Falcon-only", da er fast komplett auf den DSP zurückgreift. Aus Geschwindigkeitsgründen wird dies leider per direktem Hardwarezugriff erledigt, wodurch FalcAMP seinen Dienst auf einer Startrack-Karte versagt. FalcAMP besteht eigentlich aus zwei Teilen: der GEM-Oberfläche auf der einen und den Plug-Ins auf der anderen Seite. Das Plug-In-Konzept ermöglicht es, FalcAMP auf einfache Weise um weitere Soundformate zu erweitern. Momentan steht für interessierte Programmierer leider noch keine Dokumentation zum Aufbau eines Plug-Ins zur Verfügung, was sich jedoch mit der kommenden Version ändern sollte. Daher beschränkt sich FalcAMP momentan auch nur auf das MP3-Plug-In.

Die Qualität der Wiedergabe einer MP3-Datei hängt dabei relativ stark von der zur Verfügung stehenden Hardware ab. Trotz optimiertem 030 und DSP-Assembler-Code kann es auf Standard-Falcons leicht zu Knacksern und kurzen Aussetzern kommen – gerade bei hohen Bitraten. Zur Not lässt sich die Wiedergabe jedoch auf Mono umstellen, wodurch auch solche Dateien problemlos abgespielt werden sollten. FalcAMP erkennt an den Falcon angeschlossene externe Clocks, wodurch die Wiedergabefrequenz nicht erst in die beim Falcon spezifischen 49 KHz gewandelt werden muss, sondern direkt die CD-typischen 44.1 KHz genutzt werden können. Dies steigert auch noch einmal die Qualität, da sonst zur Umrechnung der Frequenz ein verlustbehaftetes Verfahren benutzt wird, um nicht allzu sehr an Geschwindigkeit zu verlieren. In Joint-Stereo kodierte MP3s werden von FalcAMP momentan auch noch in Mono abgespielt. Die Programmierer arbeiten an optimierteren Routinen, mit denen diese MP3s dann auch auf einem Standard-Falcon abspielbar sein sollten. Sind ein externer Clock und ein beschleunigter Falcon vorhanden, kann sich die Wiedergabe-Qualität durchaus mit dem großen Bruder WinAMP messen.

Sämtliche Bedienelemente der GEM-Oberfläche sind in einem Fenster untergebracht und weitestgehend selbsterklärend. Neben den üblichen Abspielfunktionen bietet FalcAMP auch eine Playlist, über die bequem ein Ablaufplan z.B. für die Lieblings-MP3s oder ein bestimmtes Musikgenre erstellt werden kann. Leider ist es immer nur möglich, eine Datei nach der anderen der Playlist hinzuzufügen und nicht direkt einen ganzen Ordner. Auch eine Random-Funktion, die aus der Playlist per Zufallsgenerator einen Titel auswählt und die Möglichkeit, innerhalb einer Datei vor- und zurückzuspulen, fehlt gänzlich. Letzteres fällt allerdings nicht so schwer ins Gewicht, da ein Slider vorhanden ist, mit dem komfortabel innerhalb der Datei an eine bestimmte Stelle gesprungen werden kann. Ansonsten bleiben eigentlich kaum Wünsche offen: ID3-Tags können in einem separaten Fenster abgerufen werden, lange Dateinamen und Drag & Drop werden unterstützt, via VA-Messages kann der Player ferngesteuert werden usw. Ein besonderes Schmankerl stellt das Skin-System dar. Es ermöglicht, FalcAMP mit Hilfe verschiedener RSCs ein anderes Aussehen zu verpassen. Zwar geht die Erstellung einer neuen Oberfläche nicht so leicht wie bei den Pendants anderer Plattformen vonstatten, doch mit einem RSC-Editor bewaffnet, ist schnell die einfach gehaltene Standardoberfläche etwas auffrisiert.

Bis auf ein paar Bugfixes und Kleinigkeiten (Lautstärkeregler) ist für die kommende FalcAMP-Version vor allem die Unterstützung des Shoutcast-Protokolls geplant. Shoutcast ermöglicht es, MP3-Streams über das Internet zu senden/empfangen, ist also z.B. für Radio via Internet interessant. Bisher verursacht FalcAMP zu viele Störungen auf der seriellen Schnittstelle, sodass ein direktes Abspielen der Streams noch nicht möglich ist, jedoch existiert bereits ein kleines Tool für Stik/STinG, das Shoutcast-MP3-Streams aus dem Internet auf Festplatte aufnehmen kann. Wenn sich die Probleme mit der seriellen Schnittstelle vorerst nicht lösen lassen, wird dieses Programm auf jeden Fall schonmal dem nächsten FalcAMP-Release beiliegen. Weitere Informationen zu Shoutcast sowie Links zu Internet Radiostationen, die Shoutcast einsetzen, finden Sie unter der URL http://www.shoutcast.com/. (http://falcamp.atari.org/)

Aniplayer 2.11

Was als reiner Player für Animationen anfing, hat sich inzwischen zu einem wahren Multimedia-Genie gewandelt. Seit Version 2.08 beherrscht das Shareware-Programm Aniplayer von Didier Mequignon nun auch die Wiedergabe von MP3-Dateien. Im Gegensatz zu FalcAMP kommen jedoch auch Besitzer eines Rechners ohne DSP zum Zuge, wenn sie die anfangs erwähnten hohen Hardware-Anforderungen erfüllen. Auch auf einer Startrack-Soundkarte verrichtet Aniplayer klaglos seinen Dienst. Seit Version 2.08 hat Didier noch weiter die Geschwindigkeit optimiert und vor allem MP2-Dateien werden jetzt via DSP wesentlich schneller abgespielt. Aber auch auf schnellen Power Macs arbeitet das Programm unter MagiCMac erfreulich schnell.

Die Wiedergabequalität ist sehr hoch, wobei anzumerken ist, dass die DSP-dekodierten MP3s einen Tick besser klingen. Externe Clocks werden ebenfalls voll unterstützt. Die Geschwindigkeit ist in der aktuellen Version 2.11 auch auf unbeschleunigten Falcons so hoch, dass sich viele MP3s ohne größere Probleme in Echtzeit abspielen lassen. Ein neu eingeführter D2D-Buffer sorgt zudem dafür, dass MP3s auch von langsameren Medien wie ZIPs oder CD-ROMs ohne Aussetzer abgespielt werden können. FalcAMP hatte hiermit übrigens von Anfang an keine Probleme. Bei reiner CPU-Dekodierung kann in den Mono-Modus geschaltet werden, wodurch Aniplayer auch auf langsameren Systemen einsetzbar ist. Wem es nicht auf Echtzeit-Wiedergabe ankommt, kann Aniplayer übrigens auch auf langsamen Systemen sinnvoll einsetzen. So können MP3s komfortabel in unkomprimierte Formate wie WAV, AVR und AIFF konvertiert werden. Die so konvertierten Dateien lassen sich dann z.B. mit CD-Recorder wieder auf eine CD brennen.

Der Bedienkomfort (nur in Hinblick auf MP3-Wiedergabe) hat sich mit der aktuellen Version 2.11 stark verbessert. Alle grundlegenden Funktionen wie vor- und zurückspulen, Pause etc. können über das Wiedergabe-Fenster erreicht werden. In der Infozeile werden noch die Spielzeit, die CPU-Auslastung und der Titel des gerade gespielten Stücks eingeblendet. Weitere Informationen zur aktuellen Datei inklusive der ID3-Tags können dem Info-Dialog entnommen werden. Die Playlist lässt inzwischen auch keine Wünsche mehr offen: Wahlweise können einzelne Dateien oder ganze Ordner in die Liste aufgenommen werden, Einträge können editiert oder in ihrer Reihenfolge geändert werden, ein Zufallsmodus ist ebenfalls verfügbar. Die abgespeicherten Playlisten können übrigens problemlos zwischen FalcAMP, Aniplayer und auch WinAMP ausgetauscht werden. (http://aniplay.atari.org/)

MP2 Audio

Im ganzen Trubel um das MP3-Format ist ein wenig untergegangen, dass auch schon der Vorgänger MP2 bei Bitraten ab 160-192 kbps Musik in CD-Qualität ausgeben kann. Dieses Format ist im Internet allerdings mehr zur Ausnahme als zur Regel geworden. Trotz alledem gibt es Dank der norwegischen Democrew NoCrew bzw. dessen Mitgliedern Frederik Noring und Tomas Berndtsson schon seit ein paar Jahren einen komfortablen Player für MP2-Dateien – ein Falcon vorrausgesetzt. MP2 Audio ist eine saubere GEM-Anwendung und bringt alle einem CD-Player typischen Funktionen in einem kleinen Fenster unter. Externe Clocks werden auch von MP2-Audio automatisch erkannt und der große Vorteil gegenüber den MP3-Pendants ist, dass das Programm praktisch keine CPU-Leistung verschlingt, wodurch ungestört weitergearbeitet werden kann, während im Hintergrund eine MP2-Datei abgespielt wird. http://mp2.nocrew.org/

Input

Nachdem die erste Hürde genommen wurde, kann man nun daran gehen, den passenden Input für die Player zu besorgen. Das Internet zwängt sich da geradezu als Quelle auf. Wie gezielt das gewünschte Liedgut besorgt werden kann, soll in diesem Artikel jedoch nicht weiter beschrieben werden, da in Ausgabe 11/1999 der st-computer bereits ein ausführlicher Praxisbericht zu diesem Thema veröffentlicht wurde. Inzwischen gibt es auf dem Atari aber auch die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen, um die Lieblings-CD als MP3 auf (Fest-)Platte zu bannen.

Lame

Lame ist ein Open-Source-MP3-Encoder. Der Name Lame stand ursprünglich für Lame ain't an Mp3-Encoder, da es sich nur um einen Patch für die offiziellen Beispielsourcen handelte. Damit entkam Lame auch dem Schicksal vieler Freeware-Encoder, die diesen Beispielsource in sich trugen und gegen die die Frauenhofer Gesellschaft deshalb mit rechtlichen Schritten vorging. Inzwischen hat sich Lame jedoch zu einem kompletten MP3-Encoder gemausert, der verhältnismäßig schnell ist und MP3s in einer hohen Qualität abliefert. Neben einem aktuellen MiNT-Port gibt es jetzt eine Portierung von Denis Huguet (FalcAMP), die auch unter TOS und MagiC ihren Dienst verrichtet. Dazu wird mindestens ein 020-Prozessor mit FPU benötigt, wobei man selbst unter einem 060er nicht allzuschnell mit einem Ergebnis rechnen sollte. Der Bedienkomfort hält sich auch in Grenzen, da es sich um einen rein textbasierten Encoder handelt. Wer nur ein Standard-MP3 mit 128 kbps in Joint-Stereo haben möchte, kann einfach das zu konvertierende Soundfile (WAV Format) an Lame übergeben, ansonsten gilt es mit Parametern zu hantieren, um das gewünschte Finetuning zu erreichen. Mit dem Parameter -h können sämtliche verfügbaren Kommandos abgerufen werden. Eine ausführlichere Anleitung findet sich auf der offiziellen Lame-Homepage unter den URLs http://deunstg.free.fr/sct1/ (Lame-Atari-Version) bzw. http://www.sulaco.org/mp3/ (Lame-Homepage).

ISO MPEG

Wer sich für den MP2 Audio Player selbst Material erstellen möchte, der kann auf die ISO-MPEG-Portierung für den Atari zurückgreifen. Bei ISO MPEG handelt es sich um die offiziellen MP1-/2-Kodierer und -Dekodierer. Auch hier existiert wie bei Lame nur eine Kommandozeilen-Version ohne grafische Shell. Die Erstellung eines MP1- oder MP2-Files ist trotzdem relativ simpel. So müssen nur die zu verwendende Bitrate sowie die Quell- (WAV-Format) und die Zieldatei angegeben werden – und es kann losgehen. Es sollte jedoch einiges an Zeit mitgebracht werden, denn die Kodierung eines Standardmusikstückes benötigt auf einem unbeschleunigten Falcon mit FPU bereits runde 24 Stunden (!). Dem Archiv liegt eine Version für 68000- sowie eine optimierte Version für 030-Prozessoren mit FPU bei. www.dhs.nu/files/misc/isompeg.zip

Fazit

Die Atari-Plattform verfügt inzwischen über das gesamte Handwerkszeug für den Umgang mit MP3-Dateien – auch wenn der Komfort an manchen Stellen noch zu wünschen übrig lässt bzw. die Hardware-Anforderungen für Atari-Verhältnisse sehr hoch sind. Doch selbst auf kleinen Ataris kann man die Software noch sinnvoll einsetzen, indem man z.B. die MP3-Dateien von Aniplayer in ein unkomprimiertes Format konvertieren lässt oder – für den umgekehrten Fall – seinen alten ST ein Gnadenbrot damit verdienen lässt, Tag und Nacht MP3s zu kodieren.

Tech-Talk

Bitrate

Die Bitrate ist die menge daten, die pro Sekunde übertragen werden muss, um die Audiodatei in einem Stück abspielen zu können. Sie wird bei MP3s üblicherweise in kbps (Kilobit pro Sekunde) angegeben, wobei bspw. 128-160 kbps bei einem MP3- bzw. 192 kbps bei einem MP2-File in den meisten Fällen für CD ähnliche Qualität ausreichen.

ID3-Tag

Über das ID3-Tag können der MP3-Datei einige Zusatzinformationen mit auf den Weg gegeben werden. So lassen sich z.B. Songtitel, Interpret, Album, Jahr u.ä. in der datei unterbringen.

Joint-Stereo

Joint-Stereo ist ein Verfahren zur Reduktion der Datenmenge einer Audiodatei, bei dem der rechte und linke Soundkanal so geschickt übereinandergelegt wird, dass praktisch kein Unterschied zu echtem Stereo mehr hörbar ist.

MP3

MP3 ist die Abkürzung für MPEG 2.5 Audio Layer III. Es handelt sich um ein Audioformat, das bei sehr hohen Kompressionsraten (1:10) einen sehr geringen Qualitätsverlust ermöglicht. Es wurde von der Frauenhofer-Gesellschaft (FHG) entwickelt und hat sich innerhalb kurzer Zeit zum quasi Standard zur Übertragung von Audiodateien in hoher Qualität im Internet geamusert. MP2 ist der Vorgänger von MP3 und bietet bei etwas höheren Bitraten ebenfalls CD ähnliche Qualität.


Jan Daldrup
Aus: ST-Computer 08 / 2000, Seite 50

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