Escape Paint - Malen wie ein Scener

Viele Scene-Gruppen fühlten sich berufen, ein eigenes Malprogramm zu schreiben. Leider boten diese außer einer netten Lupe wenig besonderes, um auch außerhalb der Scene Beachtung zu finden. Wie sieht es da mit EscapePaint aus?

Nachdem PixArt Geschichte ist, schweift der Blick zwangsläufig über den Rest der ST-Malprogramme. Das aus Frankreich stammende Vision wurde bereits ausführlich getestet. EscapePaint (kurz: EscPaint) macht wiederum durch neue Module von sich reden. Da EscPaint bisher nur in Scene-Rubriken erwähnt wurde, ist es an der Zeit, dem Programm einen Test außerhalb der "Scene" zu geben.

Testrechner war ein Falcon030 mit 14 MB RAM an einem VGA-Monitor.

Colour Shifter in Aktion - schon wird aus der Frau eine She-Hulk.

Systemvoraussetzungen

EscPaint benötigt einen Falcon030 und läuft sowohl mit RGB als auch VGA Monitor. Da High Colour-Bilder viel Speicherplatz benötigen und EscPaint mehrere Bilder im Speicher halten kann, sind 14 MB RAM empfehlenswert. Damit die Dialoge auch auf dem Bildschirm passen, sollte eine Bildschirmauflösung von mindestens 640*400 eingestellt sein.

Start

Nach dem Start verblüfft EscPaint gleich mit einem Novum, wenn man die Herkunft des Programms bedenkt: GEM-Werkzeugleisten. Die Werkzeugleisten sind in Standard-GEM-Fenstern untergebracht und lassen sich frei auf dem Bildschirm platzieren. Zumindest bis 256 Farben wird die Farbpalette von EscPaint verändert, aber leider nicht zurückgestellt, wenn eine andere Anwendung das obere Fenster besitzt. Die Farbveränderung ist allerdings auch nicht so dramatisch, als das sie das Arbeiten mit anderen Anwendungen behindern würde.

Über den Werkzeugleisten thront die Menüzeile. Dank der Werkzeugfenster wird diese nur selten benutzt, die Standardkommandos bis "Bild öffnen" können auch mit den üblichen Tastaturkürzeln bedient werden.

Malwerkzeuge

Die Anzahl der Zeichenwerkzeuge ist etwas mager und umfasst die Standardausstattung: Freihand, Rechtecke, ausgefüllte Rechtecke, Kreise, Linien, Text, aneinanderhängende Linien, Lupe und verschiedene Blockoperationen. Weitere Werkzeuge können über die Modulschnittstelle von EscPaint hinzugefügt werden.

Leider war in den Zeichenoptionen keine Einstellung zum Ändern der Linienbreite zu finden. Freihand, Rechteck und die anderen Zeichenwerkzeuge zeichnen somit immer mit einem Pixel Breite. Auch Füllmuster sucht man vergebens, wobei die von GEM vorgegebenen sich noch nie besonders großer Beliebtheit erfreut haben. Ziemlich beschränkt und laut der Anleitung auch nur rudimentär implementiert, ist das Textwerkzeug. Alle Werkzeuge können auch während des Malens mit der Tastatur aufgerufen werden.

Zeichenmodi

Um das Malen etwas interessanter zu gestalten, kennt EscPaint einige Verknüpfungsfunktionen, die festlegen, wie die Farbe mit dem Hintergrund verknüpft werden soll. Möglich sind Addition, Subtraktion, RGB-Transparenz, And, Negativ zeichnen und logisches Oder. Das Zeichnen mit diesen Optionen erfordert zunächst etwas Übung, allerdings verhalten sich die Farben ähnlich wie in der Wirklichkeit: Blau und Grün ergeben z.B. Cyan.

Diese Verknüpfungsfunktionen können auch auf Blöcke angewendet werden.

Der Malbildschirm

Mit der rechten Maustaste wird zwischen dem Arbeitsbildschirm und dem Menü hin- und hergeschaltet. EscPaint schaltet dabei automatisch in die High Color-Auflösung, d.h. das Programm kann auch mit 640*480 mit 16 Farben gestartet werden. Auf dem Testrechner machte die Umschaltung keine Probleme, auch die anderen GEM-Fenster zeigten sich davon unbeeindruckt.

Die Auflösung auf dem Arbeitsbildschirm ist immer 320*240, bei größeren Bildern muß gescrollt werden.

Während des Zeichnens wird die Farbpalette mit der Space-Taste aufgerufen. Diese Palette stellt natürlich nur eine Vereinfachung für den Zeichner dar und kann modifiziert werden. Es gibt zwei 128-Farben-Paletten, zwischen denen mit dem "*" umgeschaltet wird.

Tastaturfunktionen

Wie bereits erwähnt, ist praktisch jede Funktion einer Taste zugeordnet. Mit dem Drücken der linken Shift-Taste wird eine Koordinatenanzeige eingeblendet, mit der rechten erscheint die Werkzeugleiste. Um darin ein Werkzeug auszuwählen, muss die Shift-Taste gedrückt bleiben, um mit den Cursortasten das passende Werkzeug auszuwählen.

Ebenfalls sehr nützlich ist die Erhöhung bzw. Verminderung der einzelnen Farbanteile. Mit den Zahlentasten kann z.B. der Rotanteil der aktuellen Farbe vermindert werden.

Mit den Klammern "()" kann ein Gitter aktiviert werden, der Mauszeiger springt dann von einem Gitterpunkt zum nächsten.

Die Tastaturkommandos werden auch auf einem sehr schön gestalteten Hilfebildschirm erläutert.

Lupe

Im Visier der Degas-Lupe - Pixeln, bis der Arzt kommt")
**Im Visier der Degas-Lupe - Pixeln, bis der Arzt kommt

EscPaint bietet die Echtzeit-Lupe gleich in zwei Geschmacksrichtungen: Degas und Neochrome. Beide sind vom Funktionsumfang gleichwertig und somit ist es hauptsächlich eine Geschmacksfrage, welche Lösung bevorzugt wird. Einziger sichtbarer Unterschied sind die RGB-Regler in der Neo-Lupe.

Insgesamt gibt es vier Zoom-Stufen, ein Raster ist zuschaltbar, um die einzelnen Pixel besser voneinander trennen zu können.

Blockfunktionen

EscPaint kennt nur den rechteckigen Block. „Block cut“ hält nicht ganz das, was es verspricht, denn der Block wird kopiert und nicht ausgeschnitten. Der ausgewählte Block kann mit den Funktion des "Edit block"-Fensters modifiziert werden. Wird hier z.B. die Kantenglättung (Anti-Aliasing) ausgewählt, erscheint zunächst der gewählte Block. In diesem Block können Bereiche markiert werden, auf die dann das Anti-Aliasing angewendet wird.

Import/Export

EscPaint kann fünf Bildformate importieren: F*ckpaint (PI9), Screen (XGA), Indypaint (TRU), Eggpaint (TRP) und Targa (TGA). Außer TGA sind es ausschließlich Formate von Scene-Programmen, allerdings greift hier das Modulkonzept von EscPaint.

Es existiert ein Modul, mit dem EscPaint die GVL-Dateien von GEMView nutzen kann. Damit könnten dann alle möglichen Bildformate von MacPaint bis GIF und JPEG genutzt werden. Eine entsprechende Unterstützung für den Export gibt es leider nicht. Im Test arbeitete das Importmodul leider nicht.

Neben Bildern können die 256-Farb-Paletten von GEM (PAL), Indypaint (PAL) und 16 Bit Palette (EPP) geöffnet werden.

Beim Export sieht es etwas düsterer aus. Neben Screen und Eggpaint wird noch das exportieren eines Blockes im Indypaint-Format unterstützt.

Oberflächliches

Die GEM-Oberfläche von EscPaint kommt erst ab 256 Farben richtig zur Geltung. Die Bedienknöpfe wurden plastisch gestaltet, was bei einem "kreativen" Tool durchaus seine Berechtigung hat. Da ist es fast schon schade, das die Arbeitsfläche nicht auch in ein GEM-Fenster verfrachtet wurde, denn allzuviel Zeit verbringt man nicht in den GEM-Menüs und -Dialogen.

In der rechten oberen Ecke wird eine kurze Erklärung zum Objekt unter dem Mauszeiger gegeben. Wer dort schon eine Menüuhr laufen hat, kann diese Hilfestellung ausschalten.

Nett, aber relativ nutzlos ist der Auto-Topper, der jeweils das Fenster unter dem Mauszeiger nach vorne holt.

Die meisten Fenster lassen sich in ihrer Größe verändern. Leider zeichnet EscPaint keine Scrollbalken, wenn aber nicht der komplette Inhalt eines Fensters zu sehen ist.

Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeit von EscPaint auf einem unbeschleunigten Falcon ist als sehr angenehm zu bezeichnen. Ins Schwitzen kommt der Falke erst bei größeren Blöcken und bei einigen Modulen, die umfangreichere Berechnungen anstellen.

Kompatibilität

Das Programm lief sehr stabil unter MagiC mit einigen Auto-Ordner-Programmen. Beim Verlassen von EscPaint wird die Palette wieder hergestellt.

Modulschnittstelle

Der Clou von EscPaint ist die Modulschnittstelle, die im Gegensatz zum Smurf-Pendant öfters mit neuen Modulen versorgt wird.

Sehr schön ist das Modul „Spray“, mit dem EscPaint um die beliebte Sprühdose ergänzt wird. Diese Sprühdose sieht relativ natürlich aus und erinnert an die aus Apex Media bekannte Sprühdose. Die Dose kann jedoch nicht nur in einer beliebigen Farbe sprühen, sondern kann auch ein beliebiges Bild in das aktuelle Bild sanft "reinsprühen". So wird Jasmin Wagner schnell zu einem Mitglied der Atari-Scene gemacht...

Etwas gewöhnlicher, aber trotzdem nützlich sind die Module für Helligkeit und Kontrast. Das Gegenstück zum Helligkeitsmodul nennt sich Darken.

Mit Quadzoom und Random sind nette Farbspielereien möglich. Quadzoom vergrößert einen Bereich und interpoliert zwischen den Farben. Random generiert einfach zufällig ein buntes Bild. Das Resultat ist als eigenständiges Bild relativ unbrauchbar, eignet sich aber als Basis für andere Effekte.

Color Shifter ist ein Modul, das die Farben ändert, ohne die Helligkeit zu manipulieren. Damit ist es bspw. möglich, die Hautfarbe zu ändern.

Picmixer mischt zwei Bilder. Die Mischung entspricht nicht einer einfachen Überblendung der beiden Bilder. Wie stark ein Bild in dem Mix vertreten ist, lässt sich einstellen. Farb- und Helligkeitseinfluss.

Dies sind nur ein paar Module, die auf der EscapePaint-Homepage zum Download bereitliegen. Viele Module benutzen den DSP des Falcon.

Kritisches

Eine Sache, die mich persönlich an allen Grafikprogrammen gestört hat, ist die fehlende Standardisierung der Modulschnittstelle. Es wäre wirklich schön, wenn EscPaint und z.B. Smurf die gleichen Module nutzen könnten. Die fehlende Standardisierung führt dazu, das auf dem Atari öfters mit mehreren Grafikprogrammen jongliert werden muss. Auf dem PC nutzen z.B. mehrere Programme die Photoshop-Module. Fairerweise muss dazu gesagt werden, das kein ST-Programm den Atari-Grafikmarkt so dominiert hat, wie Photoshop auf dem PC/Mac-Markt.

Fazit

Escape Paint ist - schon durch die fehlenden Exportformate - keine Konkurrenz für Papillon/PixArt. Allerdings kann es eine gute Ergänzung sein und ein begabter Modulprogrammierer kann sich seine Module mit Sicherheit selbst programmieren.

URL: http://escape.atari.org


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 03 / 2002, Seite 27

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