VTrax

Harddisc-Recording ist nach wie vor ein heißes Thema auf dem Atari Falcon. Neben etablierten Lösungen wie Cubase Audio gibt es noch einige Alternativen im Internet, die längst nicht jedem Anwender bekannt sind. V-Trax ist eines dieser unbekannter Programme.

Als der Atari Falcon Anfang der 90er Jahre das Licht der Computerwelt erblickte, wurde der neue Computer besonders für seine überragenden Audiofähigkeiten gelobt. Neben dem kristallklaren CD-Sound sorgte besonders die Verwendung eines digitalen Signalprozessors für Aufsehen. So ein DSP befand sich vorher nur in der Edel-Workstation NeXT und sehr teueren Synthesizern. Der Falcon machte mal wieder das alte Atari-Motto "Power without the Price" wahr und stellte die erste vollwertige Audio-Workstation zum erschwinglich Preis dar.

Noch heute profitieren Anwender von den Fähigkeiten dieser Weitsicht von dem damaligen Atari-Chefentwickler Richard Miller. Nach wie vor gilt der Falcon als heißes Eisen zum HD-Recording im eigenen Studio. Wer dies nicht glaubt, sollte einmal schauen, zu welchen Preisen schon ein nackter Raubvogel mit 4 MBytes RAM bei eBay derzeit seinen Besitzer wechselt: 350 Euro sind hier bei Weitem keine Seltenheit.

Auch in der ansonsten ausgesprochen freien Atari-Welt gibt es Platzhirsche. So dauerte es im Bereich der HD-Recording-Software nicht lange, bis sich einer der Marktführer im MIDI-Markt auch in der neuen Technologie breit machte: Steinberg hat zumindest im professionellen Recording-Markt auf dem Atari Falcon für einen Standard gesorgt. Hauptkonkurrent Emagic kam zu spät mit seinen Produkten und orientierte sich schneller auf den wachsenden PC- und Apple-Markt um. Bis heute ist CAF das uneingeschränkte Standardprogramm, wenn es um Harddisc-Recording auf dem Falcon geht, obwohl die Software schon lange nicht mehr weiterentwickelt wird.

Trotzdem gibt es auch neben Cubase einige Lösungen, die/ Beachtung verdienen, da sie meist erschwinglicher sind als der Marktführer, der auch gebraucht immer noch Spitzenpreise erzielt. Von Soundpool kommt zum Beispiel der AudioTracker, im Sharewarebereich machte Quincy von sich reden. Ebenfalls aus Frankreich kommt eine Applikation, die bei deutschen Falcon-Anwendern nie besonders viel Beachtung fand: V-Trax stammt vom gleichen Entwickler wie die beliebte Samplebearbeitung Studio Son. Ebenso wie das Schwesterprogramm wird V-Trax derzeit leider nicht mehr weiterentwickelt, was jedoch bewirkte, dass das ehemals kommerziell geplante Projekt mittlerweile jedem Interessanten zum freien Herunterladen bereitsteht. Wer Probleme und Fragen zu V-Trax hat, kann sich trotz der derzeitigen Einstellung der Entwicklung weiterhin an den Entwickler wenden, der nach wie vor Support leistet. Gründe gibt es also genug, sich das Programm endlich näher anzuschauen...

Voraussetzungen und Lieferumfang

V-Trax ist von der Webseite des französischen Softwarehauses Intuitive Works herunterzuladen. Das Archiv enthält zwei Versionen der Software: eine für jeden Falcon und eine zweite für Falcons mit Co-Prozessor. Inwiefern hier Unterschiede bei der Geschwindigkeit erzielt wurden, konnte leider nicht objektiv festgestellt werden. Sei's drum: Optimierungen sind schließlich immer gern gesehen.

V-Trax setzt selbstverständlich zwingend einen Atari oder C-Lab Falcon voraus. Andere Atari-Computer werden nicht unterstützt.

Grundsätzlich lässt sich V-Trax auf einem Falcon mit 4 MBytes RAM betreiben, trotzdem gilt gerade auch im Bereich des HD-Recordings: Je mehr, je besser. Das Programm ist vollständig in GEM eingebunden und sollte daher auch auf Grafikkarten und Screenerweiterungen seinen Dienst tun. Wir testeten V-Trax auf einem Atari Falcon 030, der mit einem Skunk-Beschleuniger auf 32 MHz getaktet wird und einen internen Screenblaster III nutzt. Das Programm zeigte sich kompatibel mit allen erdenklich Auflösungen des Screenblaster, der Test erfolgte zumeist in einer Auflösung von 1024 x 768 Bildpunkten bei 16 Farben. Aussetzer bei der Aufnahme waren auch bei mehr Farben nicht zu registrieren.

Aufgenommenes Audio-Material wurde zumindest in unserem Test auch problemfrei auf der internen IDE-Festplatte problemlos gespeichert und von derselben wiedergegeben, Cubase Audio sträubt sich hier bekanntlich und verlangt ausdrücklich eine SCSI-Platte. Natürlich machte auch diese mit V-Trax keine Probleme.

Theoretisch sollte V-Trax verschiedene Betriebssysteme unterstützen, leider stürzte das Programm auf unserem Falcon unter MagiC 6.2 schon beim Starten mit der gefürchteten 68000-Exception ab. Andere Anwender scheinen hier allerdings keine Probleme zu haben - jeder Falcon hat eben sein gewisses Restmaß an Eigenleben. Unter TOS 4.x konnten wir allerdings keinerlei Probleme feststellen.

Erster Eindruck

Wie bereits erwähnt nutzt V-Trax komplett die GEM-Oberfläche für seine Darstellungen. Eigene Kreationen bei der Fensterdarstellung, wie diese bei MIDI-Programmen (nicht zuletzt auch bei Cubase) immer wieder auftreten, sind also nicht zu befürchten. Nach dem Programmstart öffnet V-Trax bereits sein Haupt-Arbeitsfenster, das optisch gleich anzusprechen weiß und als recht intuitiv zu bezeichnen ist. Wer das Grau-in-Grau der Cubase Audio-Oberfläche leid ist, wird hier ebenfalls positiv überrascht: V-Trax bietet in Auflösungen ab 16 Farben eine farbige, aber nicht schreibend bunte Benutzeroberfläche, die durchaus anzusprechen weiß.

Unter dem Arbeitsfenster ist das Transportfenster, das konform zu bekannten MIDI-Lösungen bedient wird und alle notwendigen Steuerelemente enthält. Angenehm macht sich außerdem bemerkbar, dass V-Trax in der Tastaturbedienung auf Standards zurückgreift, sodass jeder geübte Anwender hier zurecht kommen wird. Das Transportfenster lässt sich komplett über die numerische Tastatur des Falcon bedienen, dies ist zum Beispiel auch von Cubase und Logic her bekannt.

Oberflächliches

Auch sonst weiß die Benutzeroberfläche von V-Trax nachhaltig zu überzeugen. Das Arbeitsfenster selbst bietet standardmäßig nicht weniger als 48 Spuren zur Aufnahme des Audio-Materials. Intern können sogar bis zu 1024 Spuren verwaltet werden - ein Atari Falcon könnte diese Summe natürlich niemals gleichzeitig abspielen, ohne vollends in die Knie zu gehen. Wohlgemerkt: V-Trax ist ein reiner Audio-Sequenzer, MIDI-Daten werden als nicht verarbeitet. Zwei dieser eingerichteten Audiospuren können simultan für eine Aufnahme genutzt werden, wobei beide Spuren für Stereoaufnahmen bereitstehen - es handelt sich bei den beiden Spuren also nicht um den Linken und rechten Stereokanal. Die Spuren können in einer Standard- und einer Mini-Einstellung angezeigt werden. Die Mini-Darstellung dient zur Übersicht auf kleineren Bildschirmen, wenn mehrere Spuren genutzt werden. Die Normal-Darstellung ist das Audiomaterial in seinen Wellenformen nach der Aufnahme in der Übersicht zu sehen.

Über dem eigentlichen Arbeitsbereich sind die einfachsten Werkzeuge für die Bearbeitung des aufgenommenen Materials in Piktogrammen verdeutlicht untergebracht. Den zweiten größeren Teil des Arbeitsfensters nimmt die Detailbearbeitung ein, zwischen deren Punkten sich der Anwender mittels Karteireitern hin- und herbewegen kann. Auch hier weiß die moderne Oberfläche also zu überzeugen - es ist angenehm zu spüren, dass das Programm immerhin aus dem Jahre 2000 stammt und somit wohl die jüngste HD-Recording-Applikation für den Falcon darstellt.

Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. An anderen Stelle erscheint die GEM-Oberfläche dann kleine Rückschritte zu machen. So sind die Voreinstellungen in einem modalen Fenster untergebracht. Zwar handelt es sich dabei um bewegliche Fly-Dials mit "Eselsohr", trotzdem blockieren diese natürlich das Multitasking, was mit echten GEM-Fenstern nicht passiert wäre. Außerdem scheint die verwendete GEM-Bibliothek nicht ganz lupenrein zu sein: So erscheinen Aufklappmenüs etwas träge und manchmal reagieren erst nach mehrmaligem Mausklick. Auch das Aussehen der verwendeten Buttons ist nicht gerade GEM-konform - aber so etwas kennt man ja von französischen Programmen...

Möglichkeiten

Einige der Leistungsdaten sind ja schon im vorangegangenen Absatz besprochen worden - gehen wir aber ruhig noch etwas mehr in die Tiefe. Das aufgenommene Material wird innerhalb eines "Tape" gespeichert. V-Trax bedingt aber im Gegensatz zu anderen HD-Recording-Programmen nicht die Anlage eines Aufnahmebereichs oder gar einer gesamten Partition, wie dies beim AudioTracker der Fall ist. So ist der Anwender in der Länge seiner Aufnahme praktisch nur von der Größe der gewählten Partition abhängig und kann frei schalten und walten.

Bei der Qualität des Aufnahmematerials kann die volle Leistung des Falcon-Sound-Subsystems genutzt werden: Höchster Frequenzgang sind also 49.170 muntere Hertz, externer Taktgeber vorausgesetzt sind nicht weniger als 16 Abstufungen möglich - das soll erst einmal ein Programm nachmachen. Natürlich lässt sich so auch die CD-kompatible Frequenz von 44100 Hetz einstellen, ein entsprechendes Interface vorausgesetzt schaltet V-Trax automatisch auch 8 zusätzliche DAT-Frequenzen bis 48 KHz frei, wobei auch eine Synchronisation mit dem DAT möglich ist. Aufgenommen wir in 8- oder 16-Bit-Format. Theoretisch lässt such also auch Audiomaterial erstellen, dass dann später auf dem STE bzw. TT abgespielt werden kann.

Der RAM-Speicher des Falcon kann als intelligenter Pufferspeicher genutzt werden. Je mehr Speicher der Falcon hier abzwacken kann, umso besser, denn schließlich kann das System dann mehr Samplematerial für den schnellen Zugriff bereitgehalten werden. Besonders Anwender, die nur die interne IDE-Platte nutzen möchten, sollten hier großzügig wirtschaften, denn ansonsten kann es eventuell doch zu Aussetzern bei der Aufnahme kommen, da V-Trax hier intensiv mit der Zwischenspeicherung arbeitet. Ein Falcon mit 4 MBytes Arbeitsspeicher kann immerhin schon 2 MBytes für den Puffer aufbringen. Wer eine langsame Festplatte nutzt, sollte diesen Wert nach Möglichkeit noch erhöhen.

Ebenso großzügig zeigt sich V-Trax auch bei der Formatauswahl. Unterstützt werden die folgenden Audioformate:

Leider liegt die gesamte Benutzeroberfläche nur in englischer und französischer Sprache vor. Zwar ist die Auswahl der deutschen Sprache vorgesehen, eine Reaktion zeigt diese Auswahl allerdings nicht. Auch eine Dokumentation, und sei es nur eine ASCII-Datei, sucht der Anwender leider vergebens.

Achtung, Aufnahme!

Die Aufnahme von neuem Audiomaterial geht in V-Trax recht intuitiv von der Hand. Der Anwender bestimmt die Spur, auf der aufgenommen werden soll, mittels eines Record-Buttons in der Spur selbst. Die Aufnahme kann nun manuell gestartet werden, ein Start per MIDI-Synchro-Signal ist alternativ möglich. Als Aufnahme-Modi werden Replace (Überschreiben des vorhandenen Materials) und Overdub (Hinzufügen zum vorhandenen Material) angeboten. Bei der Anzeige im Aufnahmefenster kann der Anwender zwischen einer Vielzahl von Optionen wählen, unter anderem kann in Sekunden, 100tel Sekunden, SMPTE-Schritten, Bytes un der Anzeige eines CD-Players gewählt werden.

Jede Aufnahmespur kann nun solo wiedergegeben werden. Alternativ gibt es eine Mute-Funktion zur Stummschaltung.

Weiterverarbeitung

Nach der Aufnahme berechnet V-Trax automatisch eine Anzeige im Arbeitsfenster. Wer nun an die Weiterverarbeitung des Samplematerials geht, wird schnell merken, dass V-Trax ein verwaistes Projekt ist, zwar lassen sich die Spuren auswählen, zusätzliche Funktionen wie eine Lupe funktionieren allerdings nicht. Noch auffälliger wird dies bei den eigentlichen Arbeitsmodi: Der Wave-Editor ist ebenso wenig implementiert wie das Plugin-Center, das eigentlich zur Aufnahme von DSP-Effekten dienen soll. So verwunderte es auch nicht, dass der Entwickler auf Anfrage keine Plugins liefern konnte, da er das Projekt vor deren Entwicklung verwaisen ließ - schade eigentlich, die Idee der übersichtlichen Verwaltung der DSP-Effekte in einem eigenen Center ist wirklich sehr gut und hätte ein Realisierung verdient. So bleibt dem Anwender nur das so häufige "Was wäre, wenn...".

Zusatzfenster

Wie es sich für jedes gute Audioprogramm gehört, ist auch ein grafischer Mixer vorhanden, der die genutzten Audiospuren darstellt. Hinzu kommt eine Input-Konsole, die in unserem Test scheinbar jedoch auch ohne Funktion war, zumindest wurde kein Eingangssignal in der Pegelanzeige dargestellt. Recht übersichtlich ist das Mastering-Fenster, das Ein- und Ausgänge grafisch auswählbar macht.

Fazit

V-Trax hinterlässt ein etwas schwermütiges Gefühl. Wäre das Projekt zu Ende geführt, wäre hier sicherlich ein ernstzunehmender Konkurrent zu den angestammten Lösungen entstanden, der mit einigen frischen Ideen eine moderne Alternative für viele Falcon-Anwender dargestellt hätte. Die moderne grafische Benutzeroberfläche überzeugt - trotz kleiner Schwächen - auf den ersten Blick, viele Möglichkeiten vermisst der Anwender in anderen Programmen - wären sie denn implementiert worden.

So bleibt ein Programm zurück, das zwar gute Dienste bei der einfachen Aufnahme leistet, sich für die Weiterverarbeitung aber nicht eignet. Wer das ebenfalls freie Studio Son oder eine andere Audiobearbeitung nutzt, kann eine Editierung aber extern vornehmen, sodass dieses Manko zumindest etwas begradigt wird.

Trotzdem: V-Trax hätte eine komplette Realisation verdient gehabt und ist auch so eine interessante Freeware.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 04 / 2003, Seite 17

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