Professionalität mal 2 - Notator: Sequenzer und Notendruck im Doppelpack

Wer glaubt, Notendruck initialm tels Computer würde den Berufsstand der Notensetzer zum alten Eisen stempeln, hat natürlich recht. Schon seit längerer Zeit gibt es Notendruckprogramme wie den »Notator« der Firma C-Lab, die einen absolut professionellen Notensatz und -druck bieten — allerdings zum absolut professionellen Preis.

Neben dem reinen Arbeitswerkzeug für Komponisten und (Heim-)Studios ist inzwischen aber auch von einer anderen Seite der Notendrucksoftware zu berichten: Immer mehr Menschen entdecken die Liebe zum Notenbild durch den Computer. Ob dies vorher Computerfreaks, Musikliebhaber oder Musiker aller erdenklicher Herkunft und Qualität waren, die einfach ein neues Hobby entdecken, spielt dabei keine Rolle. Es kommt nur darauf an, ob jemand einen Bezug zur Notenschrift entwickelt.

Software ferngesteuert: Über die Tastatur vom Synthi geben Sie die Drum-Notation ein.

Die Voraussetzungen seitens der Software dafür sind: Zuverlässigkeit des Programms, schnelle Wahl des einzufügenden Notenwertes, viele automatisierte Funktionen, die jedoch eine nachträgliche Bearbeitung nicht ausschließen, schneller Zugriff auf gleiche Funktionen unter verschiedenen Ordnungskriterien und natürlich »WYSIWYG« (What You See Is What You Get). Die sensationellste Eigenschaft des Notator ist seine Fähigkeit, eben eingespielte Noten in Realtime auf dem Bildschirm darzustellen. Das Programm ist vollkommen grafisch orientiert und zeigt den aktuellen Stand des Notensetzens mit dem Atari ST. Ganz nebenbei enthält der Notator einen sehr komplexen und trotzdem »unbürokratisch« zu bedienenden MIDI-Sequenzer, den »Creator«, auf dessen Funktionen wir hier nur in Verbindung mit den Notationsfunktionen eingehen.

Die nüchterne, auf höchsten Informationsgehalt ausgelegte Darstellung der Hauptseite läßt die Notenschlüssel und -linien auf der »Edit«-Seite geradezu exotisch aussehen. Auf der linken Seite der Edit-Page sehen Sie einige Zeichen wie Violinschlüssel, %-Takt-Zeichen, sechs verschiedene Noten, ein Crescendozeichen, ein Piano- und einige Phrasierungszeichen. Die Frage, ob das denn schon alles sein soll, treibt einen mit dem Mauspfeil auf die Zeichen zu. Klicken Sie auf den Violinschlüssel und siehe da, es offenbaren sich nicht nur der Basschlüssel und »8v.a.« Zeichen (Noten sind in anderer Oktave zu spielen), sondern sogar Tenor-, Alt- und Mezzoschlüssel — alle so sorgfältig »durchgestylt«, wie man es von den amtlichen Drucklegungen her kennt.

Rutschen Sie mit der Maus an die untere Bildschirmkante, so springt Ihnen die »Partbox II« entgegen. Diese enthält fast alle Zeichen, die nötig sind, um ein hinreichend variables Notenbild zu schaffen. Greifen Sie mit der linken Maustaste eines dieser Objekte, springt das Bild blitzartig zurück auf die Edit-Page. Lassen Sie nun die Note an der gewünschten Stelle im Notensystem »fallen«, und sie ordnet sich brav in das System ein. Schon haben Sie den ersten Schritt gelernt: das Einfügen einzelner Noten.

WYSIWYG im Notentext

Bei diesem Einfügen haben sich in den entsprechenden Takten die notwendigen Pausen gebildet. Der Versuch, eine dieser Pausen anzufassen, erweist sich als sinnlos, sie scheinen auf dem Bildschirm eingraviert zu sein. Ein längerer Blick in die Bedienungsanleitung macht klar, daß es zwei verschiedene Arten von Pausen gibt: automatische und manuelle Pausen. Setzen Sie eine manuelle auf eine automatische Pause, wird sie verschiebbar. Verwirrend? Es erscheint zuerst vielleicht kompliziert, ist aber sehr praktisch: Die Pausen erzeugen keinen Datendschungel, und man muß sie nicht extra einfügen. Trotzdem haben Sie Einfluß auf einzelne Pausen, z.B. um sie grafisch zu verschieben.

Auch für die »Konstruktion« eines ganzen Notenblattes stehen zahlreiche Befehle zur Verfügung. Sie verschieben oder kopieren ganze Notenblöcke auf einmal mit der Maus, ziehen Phrasierungsbögen und Crescendozeichen in beliebiger Länge und Höhe, tragen an beliebigen Stellen Schlüsselwechsel ein, oktavieren einstimmige Melodien oder Akkorde, fügen Fermaten, Triller-, Dal Segno- und Forte Fortissimo-Zeichen ein — alles nur mit der Maus und/oder der Computertastatur.

Auch Tonart Wechsel und Wiederholungszeichen fügen Sie mit der Maus nach dem gleichen Prinzip aus der Partbox ein. Außerdem gibt es Gitarrengriffsymbole, Schlagzeugnotation mit verschiedenen Notenköpfen und eine Text-und separate Lyric-Funktion.

Wie sind nun die automatischen Funktionen, übergreifenden Darstellungsmodi etc. geregelt? Dies ist hauptsächlich durch die GEM-Fenstertechnik organisiert. Es gibt insgesamt vier Fenster, in denen Sie die verschiedenen Parameter einstellen. Das umfassendste dieser Fenster trägt den Namen »Display Parameter«. Es nimmt fast den ganzen Bildschirm ein und enthält die wichtigsten Parameter für alle Systeme des aktuellen Patterns.

Hier sind beliebige Sequenzer-Spuren von der Darstellung auszublenden oder die Miniaturdarstellung ein- und auszuschalten. Außerdem wählen Sie die Auflösung der Darstellung (sprich »Quantisierung«) bis zu 64stel Triolen und schalten die Pausenkorrektur und den Interpretationsmodus ein oder aus. Hier werden Splitpunkte gesetzt und die Darstellung transponiert. Last not least drucken Sie mit der Funktion »empty« leere Notensysteme ohne jegliche Noten oder Pausen aus. Das Ergebnis trägt in Fachkreisen den Namen »Notenpapier« und dient denjenigen, die Noten doch lieber per Hand schreiben.

In diesem Fenster steuern Sie so viele Funktionen des Programms, daß auch der Bildschirmaufbau entsprechend lange dauert (ca. 2,5 s). Um diese Zeit nicht für jede kleine Änderung immer wieder zu verschenken, gibt es für jede Spur ein einzelnes kleines Fenster namens »Parameter Mode«, das sämtliche Parameter nur für die aktuelle Spur darstellt. Hier finden Sie auch die Parameter für die vierstimmige Polyphonie und das Feld für die automatische, aber auch manuelle Bestimmung der Balkenrichtung. Auch hier vermeiden Sie lästige Wartezeiten durch Anklicken von »Autoupdate«. Das Programm berechnet dann nicht sofort jede einzelne Änderung, sondern wartet auf mehrere Einstellungen, was vor allem bei vielen Änderungen sehr sinnvoll ist.

Ein weiteres Fenster enthält die Parameter für globale, d.h. für alle Spuren gültige Werte wie minimale Taktbreite, minimale/maximale Steigung der Balken sowie »alla breve«-Darstellung (»Global Score Parameter«).

Das vierte Fenster ist die sogenannte »Drum Map«. Hier treffen Sie (pro Spur an- und abschaltbar) eine Auswahl von acht verschiedenen Notenköpfen für verschiedene Tonhöhen (Tastenzuordnungen). Außerdem ist statt der Notenbezeichnung (z.B. C#4) die Eingabe eines vierstelligen Namens vorgesehen (Tom4), der etwa beim Bearbeiten von Schlagzeugspuren zu größerer Übersicht verhilft.

Es gibt innerhalb des Notator mehrere Eventtypen:

  1. solche, die nur in der Notendarstellung und im Druck erscheinen.
  2. Events, die sich sowohl auf die Notendarstellung als auch auf die MIDI-Ausgabe auswirken.
  3. Events, die nur in der MIDI-Ausgabe und im Event-Editor erscheinen.
  4. Events, die nur im Event-Editor erscheinen (sie sind für interne Funktionen zuständig).

Es ist angestrebt, die Eventtypen der Klasse 1 in solche der Klasse 2 umzuwandeln, so daß sich die Notendarstellung möglichst vollständig in der klingenden Musik auswirkt. Bei Noten und Pedalzeichen ist dies schon sehr gut verwirklicht: Sie »greifen« eine Note mit der Maus und die erklingt sofort aus dem Instrument mit dem gewählten MIDI-Kanal in der richtigen Tonhöhe und Lautstärke. Verschieben Sie die Note nach oben oder unten, so klingt es, als ob Sie mit der Hand auf der Tastatur hin-und herrutschen.

Zahlreiche Hilfsfenster verbergen die große Funktionsvielfalt und schaffen Ordnung

Treten Sie das angeschlossene Pedal bei der Aufnahme und lassen es wieder los, so erscheinen die zugehörigen Zeichen in Realtime auf dem Bildschirm. Das funktioniertauch umgekehrt: Fügen Sie ein Pedalzeichen an einer bestimmten Stelle in das Notenbild ein, so löst das Programm die entsprechende Pedalfunktion am angeschlossenen Synthesizer aus. Dieses Prinzip soll im Idealfall einmal für fast alle Zeichen gelten. Stellen Sie sich vor, Sie spielen abgehackt und leise und die entsprechenden Stakkato- und Pianissimozeichen erscheinen automatisch!

In diesem Sinne wird sich das Programm künftig entwickeln, wobei der zur Verfügung stehende Speicherplatz gewisse Einschränkungen bedingt. Ist die Kapazität eines 1040 ST soweit ausgenutzt, daß nach dem Laden des Programms nur noch Platz für drei wundervolle Noten vorhanden ist, dann müssen Sie sich entweder für einen Mega ST2 oder ST4 entscheiden. Oder Sie wählen wie beim Autokauf (automatische Scheinwerfer-Wischanlage ja oder nein?) nur bestimmte Programmteile.

Spätestens wenn Sie bereits von »Soft Link« gehört haben, wird die erste Alternative interessanter. Soft Link erlaubt den Betrieb von bis zu neun Programmen gleichzeitig mit Notator in einem Computer. Jede dieser neun Partitionen hat dann einen eigenen Desktop, von dem Sie beliebige Programme starten. Die einzige Bedingung ist, daß diese Programme dem Atari-Betriebssystem-Standard entsprechen.

Es ist dann z.B. denkbar, den Notator zu starten (Play), in »1st Word Plus« zu schalten und während das Stück abläuft, einen Brief an den Produzenten zu schreiben, dem Sie das Stück anbieten möchten. Wie war denn noch gleich seine Adresse? In Partition 3 ist das Adreßprogramm geladen; < Shift 3 > drücken, Adresse nachsehen und, während der Sequenzer die Schlußakkorde spielt, mit < Shift 2 > zurück in den Texteditor und den Brief beenden.

Mit freundlichen Grüßen!

Sicherlich gibt es im Notenbereich noch viele Funktionen, die der Notator bisher nicht erfüllt, z.B. Arpeggio- und Glissandozeichen, Wiederholungszeichen in der Taktmitte, Quintolen/Septolen-Darstellung und anderes mehr. Insbesondere die freie Bestimmung des Zeilenumbruchs oder das DTP-mäßige Ansehen der gesamten Notenseite stehen noch auf der Wunschliste der Erweiterungen. Bisher sind alle Funktionen integriert, die ein gutes Verhältnis zwischen Zeitaufwand/Speicherplatz und Effektivität bzw. Zweckmäßigkeit bieten; die nächsten Features erfordern größeren Aufwand und nehmen dementsprechend mehr Zeit in Anspruch.

Im September-Update war die Einbindung von Soft Link die größte Erweiterung. Im Notenbereich hat sich außer »Faulenzer«-Zeichen, Zusammenfassung von Pausen, Abschaltung von schrägen Balken in der Drum-Map und weiteren kleinen Verbesserungen nichts Sensationelles ereignet. Dafür dürfen Sie sich in der nächsten Version, die voraussichtlich im Januar/Februar fertiggestellt ist, auf die weitere Vervollständigung der Notenschrift freuen. (wk)


Ronald Bias
Aus: ST-Magazin 11 / 1989, Seite 132

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