Pgraph: Meßwerte im Grafik-Licht

Kommen Sie häufiger in die Verlegenheit, vor Publikum Meßwerte aller Art präsentieren zu müssen? Einem Publikum möglicherweise, das leicht ablenkbar ist und das Sie mit optischen Reizen »bei der Stange« halten wollen? Falls Ihnen die mühsame Aufbereitung Ihrer Zahlenkolonnen in eine handgezeichnete Grafik lästig geworden ist, die Hamburger Firma Scilab hält zum Preise von 248 Mark einen Ausweg bereit: Das ST-Programm »Pgraph« verspricht Hilfe beim Entwurf von publikationsreifen Diagrammen.

Scilab liefert Pgraph in einem Schuber mit zwei doppelseitigen Disketten und einem 60seitigen Handbuch. Den größten Teil des Diskettenplatzes nehmen die Fontdateien in Anspruch: Es handelt sich dabei um spezielle GEM-Zeichensätze für nahezu alle gängigen Druckertypen von 9-Nadlern mit 120 dpi bis hin zum 300-dpi-Laserdrucker.

Pgraph arbeitet GDOS-abhängig. Daher müssen Sie den Druckertreiber und die zu Ihrem Drucker passenden Fonts in die ASSIGN.SYS-Datei eintragen. Für Benutzer, die »immer noch« mit 9 Nadeln ihre Grafiken »stricken«, entfallen die Vorarbeiten, da die Systemdiskette für diese Konfiguration vorinstalliert ist.

Pgraph bietet verschiedene grafische Darstellungen der Datensätze

Nach Aufruf des Programmes präsentiert Pgraph in einer GEM-Oberfläche sechs Pull-Down-Menüs. Im Pull-Down-Menü »Datei« wird deutlich, daß Pgraph keinen eigenen Daten-Editor besitzt und demzufolge auf den korrekten Aufbau einer Wertematrix mit Hilfe eines Texteditors angewiesen ist. Der mitgelieferte Testdatensatz »TEST.DAT« zeigt, daß die Leseroutine weitgehend flexibel selbst auf merkwürdige Verteilungen in der Zahlenmatrix reagiert. »Missing values« (fehlende Werte) in Zahlenreihen sind jedoch vor dem Laden in der Matrix durch einen wählbaren Wert (zum Beispiel »-99,9«) zu kennzeichnen, anderenfalls erkennt Pgraph sie nicht und wirbelt die Matrix gehörig durcheinander.

Kurioserweise befindet sich der Menü-Aufruf für die Datenausgabe im Pull-Down-Menü »Parameter«. Die Ausgabe selbst erfolgt in ein »abgemagertes« GEM-Fenster, in dem nur die Scroll-Werkzeuge und das Schließfeld aktiv sind. Während der Ausgabe sind alle weiteren Programm-Aktivitäten blockiert, ein gleichzeitiges Betrachten der Daten während der grafischen Aufbereitung ist nicht vorgesehen.

Als Ausgabe-Geräte benutzt Pgraph wahlweise den Bildschirm oder Massenspeicher-Dateien. Das Programm unterstützt die pixelorientierten Grafik-Formate Degas und Doodle sowie das geräteunabhängige GEM-Meta-Format. Metaformat-Dateien enthalten objektorientierte Grafikdaten, in denen die Grafiken nicht als Pixelmuster, sondern als vektorisierte Objekte abgelegt sind.

Die internen Grafikfähigkeiten von Pgraph sind eingeschränkt auf die Erzeugung verschiedenartiger mathematischer Objekte wie Punktwolken, Polygonzüge, Regressionsgeraden oder Splinefunktionen, wobei sich der Grad der Glättung einstellen läßt.

Der Umgang mit den Achseneinstellungen (Einheit: cm) verlangt Gewöhnung. Vermißt haben wir im Testbetrieb eine Funktion zur automatischen Skalierung. Die Funktionstasten sind sinnvoll mit den am häufigsten benötigten Kommandos belegt, so daß sich der geübte Benutzer eine Menge »nagender Mausarbeit« erspart.

Die Notenverteilung in einer Klasse wird durch Grafiken sehr anschaulich

Die Funktionen von Pgraph ergänzt ein kleines Statistik-Anhängsel, das Korrelationswerte und die Regressionsparameter von zwei ausgewählten Spalten der Datenmatrix in einem separaten Statistikfenster zur Anzeige bringt.

Die Auswahl an Werkzeugen zur Grafikeditierung in Pgraph selbst ist sehr gering. Em Druck auf die rechte Maustaste schaltet den ebenfalls objektorientiert arbeitenden Beschrifter ein, der variationsreich mit unterschiedlichen Schriftwinkeln, -großen und -Stilen arbeitet. Beschriftungen lassen sich zur späteren Wiederverwendung separat speichern.

Die gleichzeitige Darstellung mehrerer Datenreihen in einem Bild (»Stapeln« genannt) ist ebenfalls zulässig und erlaubt im Zusammenhang mit der Nachbearbeitung in objektorientierten Zeichenprogrammen die Anfertigung »publikationsreifer Diagramme«.

Das Ausgabe-Programm »OUTPUT.PRG« entpuppt sich als das in Digital Research-Lizenz von Atari herausgebrachte GEM-Output Version 1.2 von 1985, das die von Pgraph erzeugten Metaformat-Dateien problemlos verarbeitet.

Insgesamt macht Pgraph einen ausgereiften Eindruck. Das Programm konzentriert sich auf die wesentlichen Funktionen, die zur Auswertung von Datenreihen in Diagrammform notwendig sind. Insofern stellt es also eine sinnvolle Erweiterung für Tabellenkalkulationsgramme dar. Allerdings sollte die Firma Scilab den im Vergleich zum eingeschränkten Leistungsumfang nicht gerade geringen Preis noch einmal überdenken. (W. Fastenrath/wk)

SciLab, Isestr.57, 2000 Hamburg 13

Wertung

Name: Pgraph
Preis: 248 Mark
Hersteller: Scilab

Stärken: □ flexibler Daten-Import □ wahlweise pixel- oder vektororientierte Ausgabe □ sinnvoll belegte Funktionstasten

Schwächen: □ kein eigener Dateneditor □ eingeschränkter Funktionsumfang des Grafikteils □ hoher Preis

Fazit: Programm zur grafischen Aufbereitung von Meßreihen mit begrenztem Funktionsangebot und vektororientierter Ausgabe


Michael Feldmann
Aus: ST-Magazin 11 / 1989, Seite 30

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite