Videodat — zum Blutlecken

DFÜ ist ein faszinierendes Gebiet. Doch stellen die damit verbundenen unübersehbaren Telefonkosten oft eine unüberwindbare Hemmschwelle dar. »Videodat« bietet die Möglichkeit, DFÜ zunächst einmal gratis kennenzulernen.

Durch Videodat erhalten Sie über das Fernsehgerät Daten, Programme und Informationen für Ihren Computer. Es fallen also keine Telefongebühren an. Sie erhalten in der Regel Informationsmaterial zu den in den Fernsehsendungen behandelten Themen.

Die Daten mischt der Fernsehsender in die oberen Zeilen des Fernsehbildes ein. Bei Ihnen zu Hause sorgt ein Decoder, der mit der seriellen Schnittstelle Ihres ST verbunden ist, für die Weiterverarbeitung.

Videodat gibt es bereits seit Anfang 1986. Das System wurde im Rahmen der Sendung WDR-Computerclub entwickelt. Zuerst sah man in der linken oberen Ecke des Fernsehbildes nichts als ein schwarzes Kästchen. Damals war eine Datenübertragung mit 300 Baud möglich. Dank ständiger Weiterentwicklung kann man heute durchaus von einem ausgereiften System sprechen. Seit Mitte 1989 wird mit 2400 Baud gesendet, das ist Standard, maximal aber sind bereits 9600 Baud möglich.

Mit dem VD C 1200 können Sie neben dem Empfang von Videodat auch eigene Videos mit Daten versehen

Die Daten werden im oberen Bereich der Bildzeilen gesendet. Da diese in der Regel außerhalb des Fernsehschirmes liegen, ergeben sich für den Zuschauer keinerlei Beeinträchtigungen. Videorecorder zeichnen auch diese Zeilen auf, und so lassen sich also auch die Computer-Daten mitschneiden.

Wenn Sie live, also während der Ausstrahlung, decodieren, ist die Fehlerquote minimal. Beim Aufzeichnen von Sendungen mit Videodat empfehlen wir Ihnen, Videobänder bester Qualität zu verwenden. Sonst können sog. Drop-Outs bei den Bändern zu Fehlern beim späteren Decodieren führen. Bei gutem Bandmaterial bleibt die Übertragungsfehler-Quote aber äußerst gering.

Geringe Fehlerquoten

Im Augenblick wird noch ohne Übertragungsprotokoll ausgestrahlt. Doch schon laufen erste Tests mit Prüfsummen. Gerade bei Programmen und bei Bildern kann ein falsches Byte verheerende Folgen haben. Bei reiner Textübertragung ist der Inhalt auch mit einem falschen Zeichen meist noch lesbar.

In Zukunft werden einzelne Blöcke mehrfach ausgestrahlt und mit Prüfsummen versehen. Ein entsprechendes Empfangsprogramm setzt dann aus den korrekt eingegangenen Teilen das Original-File zusammen.

Die Leistungsfähigkeit des Videodat-Systems ist enorm. Aufgrund der hohen Übertragungsgeschwindigkeit können monströse Mengen Text, Grafiken, Musik und Software gesendet werden: In einer Stunde bis zu 1300 DIN-A4-Seiten.

Der VD 1200 kann nur Videodat empfangen

Besonders der WDR strahlt zunehmend Sendungen mit Videodat aus. In der Regel werden programmbegleitende Informationen gesendet. Somit erhält der Zuschauer ausführliche Zusatz-Infos bereits während er die Sendung sieht. Wer will, bekommt auch Schaltpläne und andere Bastelanleitungen via DFÜ. Bislang mußten immer die Sender angeschrieben werden, um Materialien oder Broschüren zu einer Sendung zu erhalten. Damit verbunden sind Portokosten und lange Wartezeiten.

Betrachten wir nun speziell den Videodat-Decoder am Atari ST.

Der Decoder wird über die serielle Schnittstelle mit dem ST verbunden. Ein Anschlußkabel ist leider nicht im Lieferumfang enthalten. Sie erhalten auf einer Diskette ein Programm, das Ihnen die Arbeit mit Videodat erleichtern soll.

Da die Entwickler viel Wert auf Flexibilität gelegt haben, können Sie einige Parameter mit dieser Software einstellen.

Der Decoder besitzt eine automatische Baudratenerkennung. Sie können mittels der Software jedoch die Übertragungsrate vom Decoder zum Computer verändern. Maximal sind hier 38400 Baud möglich. Die Baudrate muß jedoch ausreichen, alle amkommenden Daten zum ST zu befördern. Wenn also Videodat mit 2400 Baud gesendet wird, muß die Geschwindigkeit vom Decoder zum Computer mindestens gleich groß sein. Die mitgelieferte Software warnt Sie jedoch, wenn Sie eine zu geringe Übertragungsrate eingestellt haben.

Ebenfalls läßt sich die Startzeile von Videodat, in der Regel 24, und die Zeilenzahl von 1 bis 4 einstellen. Auch kann ausgewählt werden, ob 1, 2 oder 4 Byte pro Zeile gesendet werden.

Einstellungen per Software

Sie brauchen sich jedoch keineswegs von dieser Angebotsvielfalt abschrecken zu lassen. Vor Beginn der Sendung oder bei Wechsel der Übertragungsart werden entsprechende Hinweise ins Fernsehbild eingeblendet.

Für spezielle Anwendungen gibt es außerdem noch zwei Filter. Zeichen mit ASCII-Werten ab 224 können ausgeblendet werden und es besteht die Möglichkeit, die Decoder auf Fernfreigabe zu stellen: Der Decoder überträgt also erst Daten zum ST, wenn eine bestimmte Zeichenfolge gesendet wird. Diese beiden Filter sind eigentlich für künftige Erweiterungen vorgesehen.

Da Sie auch Coder für den Heimgebrauch erwerben können, lassen sich jetzt Ihre eigenen Videos mit Videodat versehen. In einem solchen Fall kann es sich eventuell anbieten, mit den Filtern zu experimentieren.

Die Software erlaubt die Einstellung aller Parameter

Wenn Sie Daten mit dem Decoder empfangen möchten, müssen Sie zuerst eine Datei öffnen, in der die Daten gespeichert werden. Bei Speicherung auf Disketten werden Sie gewarnt, wenn die Disk voll ist, und Sie haben Gelegenheit, eine neue Disk einzulegen. Achten Sie jedoch darauf, daß Sie immer genügend formatierte Disketten bereithalten.

Mitschreiben nach Knopfdruck

Falls Sie eine bestimmte Stelle auf dem Videoband suchen, können Sie auch einen Pause-Modus aktivieren, die eingehenden Daten ansehen und an der passenden Stelle die Pause beenden. Erst dann schreibt der Computer die Daten in die Datei.

Etwas umständlich erscheint, daß zuerst immer eine Datei geöffnet werden muß. Nur dann können Sie eingehende Daten betrachten. Auf der Suche nach einer bestimmten Stelle muß also zuerst eine Datei geöffnet, dann als nächstes die Pause aktiviert werden. Daran sollte man höhererseits noch basteln.

Das Mitlesen der eingehenden Daten klappt nur bei Geschwindigkeiten bis zu 200 Zeichen pro Sekunde. Bei höheren Geschwindigkeiten ist nur möglich, sich den Pufferinhalt anzeigen zu lassen. Die Puffergröße läßt sich leider nicht einstellen. Sie beträgt 32 KB.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Online-Hilfsfunk-tion. Bei Aktivierung erhält der Benutzer vor Auswahl eines Menüpunkts eine kurze Beschreibung und kann dann entscheiden, ob er den Befehl ausführen möchte oder nicht. Dies wird sicherlich bei den ersten Schritten hilfreich sein. Die Anleitung zu Videodat ist ein kleines dünnes Heft, in dem kurz auf Anschluß, Inbetriebnahme und Programmierung eingegangen wird. Enthalten ist auch eine Parametertabelle, um den Decoder auch mit einem herkömmlichen Terminal-Programm zu programmieren.

Dies bewerkstelligen Sie über einen Schalter am Decoder. Achtung, nach Senden der Codes an das Gerät muß der Schalter wieder in Ausgangsstellung gebracht werden, sonst werden die Video-dat-Daten nicht zum Computer übertragen. Die mitgelieferte Software erspart Ihnen das Umschalten.

Das Videodat-System bietet sicherlich sehr gute Voraussetzungen für eine schnelle Verbreitung. Es wäre wünschenswert, daß viele Sender Videodat ausstrahlen. Im Augenblick bietet nur der WDR diesen Service, jedoch bekunden vor allem die überregionalen Privat-Sender ihr Interesse. Der Kampf um die Einschaltquoten und das Buhlen um Marktanteile wird Videodat sicher förderlich sein. Die Tendenz ist eindeutig steigend, (uw)

Wertung

Name: Videodat-Decoder

Preis: ca. 180 Mark

Herstellen: Wiegand - Video-Daten-Systeme

Stärken: □ sehr leistungsfähiges System □ schnelle Übertragungsgeschwindigkeit □ einfache Bedienung

Schwächen: □ kein Übertragungsprotokoll □ knappe Dokumentation □ bisher noch wenige Sendungen mit Videodat

Fazit: Empfehlenswertes System zum kostenlosen Empfang von Daten über das normale Fernsehprogramm.

Wiegand, Video-Daten-Systeme, Palmersdorfer Hof, 5040 Brühl


Thomas Lange
Aus: ST-Magazin 07 / 1990, Seite 44

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite