ST-Podium - Meinungen & Kritiken

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Kritik an Ataris Produktpolitik wird immer lauter. Briefe von Lesern, die etwas gegen die Qualitäts-, Support- oder Preispolitik von Atari haben, häufen sich. Die scheinbar populärsten Fragen: »Warum ist der TT so teuer?«, »Wieso ist der Support immer noch nicht verbessert?« und »Warum werden defekte Geräte nicht schneller repariert?«.

Der Verdacht drängt sich auf: Gibt es nur unzufriedene Atari-User? Schreiben Sie mir doch auch mal positive Aspekte rund um den ST. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es keine gibt.

Ich bin auch in Zukunft gespannt auf Ihre Post, besonders, wenn konstruktive Kritik enthalten ist. Doch vergessen Sie bitte nicht, in jedem Ihrer Briefe ganz konkret zu erwähnen, ob wir Ihre Zuschrift auch veröffentlichen dürfen.

Eine besondere Hilfe ist es für mich, wenn Sie längere Beiträge auf Diskette (als ASCII-Datei gespeichert) übersenden. Auch ich bin nicht so wild auf das zeitaufwendige Abtippen.

Ihre Michaela Beckers

Anmerkung zur Atari-Politik

Den TT zu kaufen — wenn er denn jetzt endlich mal ausgeliefert wird — reizt mich wirklich, obwohl ich objektiv sagen muß, daß ich mit dem ST in der jetzigen Konfiguration durchaus auskomme.

Das ist wie ein neues Auto kaufen, obwohl das alte noch fährt, aber die Form, die Geschwindigkeit, der Komfort usw— Neues reizt!

  1. Kompatibilität: Von Atari wird die Kompatibilität des TT zum ST sehr wichtig genommen. Dies ist auch richtig, jedoch halte ich es für wichtiger — da die Entwicklung und Produktion des ST irgendwann eingestellt wird — auf größte Leistungsfähigkeit und Bedienungskomfort des TT zu achten. Außerdem denke ich, sind viele Programme — so sie einigermaßen fehlerfrei laufen — nicht mehr richtig zu bedienen, gerade weil sie so schnell sind. Ein Schritt auf diesem Wege wäre, den TT mit einer 32-MHz-Version des 68030-Prozessors, Matheprozessor 68882 und zumindest einem Sockel für einen Grafikcoprozessor (z.B. Blitter oder dem Blossom-Chip des ATW) auszustatten.

  2. Verbesserung des Betriebssystems: Weiterhin sollte Atari das Betriebssystem oder die zeitkritischen Teile in Assembler statt in C programmieren sowie ein fehlerfreies G-DOS mit Nachladen von Zeichensätzen ins ROM einbinden. Vielleicht sollte sich Atari mit den Programmierern und Firmen zusammensetzen, die Betriebssystemerweiterungen oder Verbesserungen bereits vorgenommen haben. Hier z.B. den Autoren des Buches Scheibenkleister, des Acces-sories Turbo ST oder der Gemini-Shell. Wenn Atari auf der Grundlage dieser Routinen ein neues Betriebssystem schreibt und von jedem verkauftem Rechner einen Teil des Verkaufspreises an diese Programmierer und Firmen weitergibt, haben alle Beteiligten Vorteile.

Spezielle Verbesserungen des Betriebssystems:

a) Befehle des Desktops sollen nicht nur über Maus, sondern auch über Tastenkombinationen aufgerufen werden können. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, ein Programm zu steuern, sollten natürlich alle Möglichkeiten der Steuerung gleichzeitig bzw. nebeneinander funktionieren. Wenn aber aus Speicherplatz-, Geschwindigkeits- oder logischen Gründen nur eine Möglichkeit gleichzeitig gegeben ist. Dies sollte vom Anwender einstellbar und abzuspeichern sein. Der User kann dann je nach Situation und/oder Vorliebe einen Block im Text mit der Maus oder über Tastenkürzel festlegen und, falls z.B. die Blockendemarkierung infolge ungenauer Positionierung der Maus nicht ganz korrekt war, dies über ein Kürzel nachträglich noch berichtigen.

b) Alle Tasten müssen in jedem Programm auch der Beschriftung entsprechend genutzt werden (z.B. HELP und UNDO).

c) Die Koordinaten der rechten unteren Ecke eines Fensters sollte nicht größer als die physikalische Größe des Bildschirms werden, damit z.B. die Slider immer zu bedienen bleiben.

d) In der Kopfzeile eines Fensters sollten die Nummern der anderen Fenster stehen und anklickbar sein, um diese Fenster zu aktivieren (ähnlich dem Amiga).

e) Es sollte eine Funktion im TOS geben, mit der man aktive Fenster in der größtmöglichen Ausdehnung entweder nebeneinander, untereinander oder überlappend und dann wieder in der vorherigen Einstellung (History-Funktion) dargestellt werden können, um etwas vergleichen zu können (ähnlich Tempus).

f) Directories sollten als Text und als Bilder angezeigt werden können, wobei wahlweise Zeit, Größe und oder Uhrzeit ab- und zuschaltbar sein sollten.

g) Die Accessories sollten, soweit sie inhaltlich zusammengehören, nur einen Eintrag »verbrauchen« (siehe Negativbeispiel ControLACC).

h) Das Betriebssystem sollte zumindest eine andere Bildschirmauflösung emulieren, wenn das Programm einen Monochrommonitor voraussetzt, aber der Anwender keinen zur Verfügung hat. Die sollte natürlich auch umgekehrt mit einem Farbmonitor funktionieren. Sonst ist man als Anwender von vornherein von 50 Prozent der Software ausgeschlossen. Nicht jeder Anwender kann sofort zwei Monitore kaufen.

i) Das Pull-Down-Menü sollte erst verschwinden, ! wenn der Mauspfeil das »Rol- \ lo« verläßt. So kann man mehrere Einstellungen in der Menüleiste vornehmen, ohne sich unnötig mehrmals zum gleichen Menüpunkt durchklicken zu müssen.

Atari sollte nur gepufferte Schnittstellen einbauen, um die Hardware zu schützen.

Auch der DMA-Betrieb mit Festplatten und mit Laser gleichzeitig, auch wenn der TT über eine SCSI-Platte verfügt, sollte möglich sein. Es wird mit Sicherheit Leute geben, die eine ACSI-Platte nutzen.

Netzschalter und Reset-knopf sollten seitlich, wie beim Joystick- und Mausport, und nicht hinten angebracht sein, denn der Monitor steht doch in den meisten Fällen auf und nicht neben dem Computer.

Nach soviel altklugen Sprüchen habe ich auch eine Frage: Haben die drei verschiedenen RAM-Arten beim TT keine Auswirkung auf die Lauffähigkeit der Programme, wie dies beim Amiga und den zweiten 512 KByte war?

Carsten Höhmann, 5800 Hagen l

Antwort: Bildschirm mit Streifen, Anfrage in Heft 10/90

/ch besitze seit Herbst '87 einen 1040 ST und den SM 124 (Baujahr Aug. '87). Bei mir zeigten sich ca. zwei Wochen nach Ablauf der Garantie (Wann auch sonst!) die gleichen Symptome.

Also schnappte ich mir Monitor und Computer und ging zum Fachhändler. Der bot mir sofort an, den Monitor an einem seiner Geräte anzuschließen — mit der gleichen Wirkung. Als autorisierter Fachhändler schickte er das Gerät ein.

Fünf Wochen später erhielt ich den Monitor und dazu von Atari den kostenlosen (!) Hinweis, daß beim Betrieb »Helligkeit« und »Kontrast« hochgeregelt werden müßten, um ein dann Bild zu erhalten. (Ach so!)

Einige Tage später aber trat der Effekt des Flackerns und Flimmerns schon wieder auf. Und wie es so kommt, natürlich gerade dann, wenn man seinen eigenen High-Score jagt. Um diesen nicht zu verlieren, schlug ich mit der flachen Hand auf das Gerät und siehe da... er funktioniert wieder — zumindest bis zum Spielende. Da diese Schlägerei aber nun keine Dauerlösung darstellt, griff ich zum Schraubenzieher, öffnete den Monitor und ging auf die Suche nach kalten Lötstellen. Schnell hatte ich drei gefunden, die alle im Videoteil lagen, und habe diese nachgelötet. Anschließend erhielt die gesamte In-nerei noch eine Wäsche mit Kontaktspray.

Die Funktionskontrolle signalisierte mir das O.K. und der SM 124 lief wieder; für einige Wochen.

Beim nächstenmal hatte ich alle Lötstellen nachgelötet, aber es hielt wiederum nur kurzfristig. Dann wollte ich die Platine nach einem oder mehreren Leiterbahnbrüchen untersuchen. Als die Platine so vor mir auf dem Tisch lag, fiel mir auf, daß diese sich nicht »Leiterplatte« nennen dürfte, sondern »Leiter-Beule« oder so ähnlich. Trotz genauer Untersuchungen mit der Lupe konnte ich keine Unterbrechung feststellen. Nach Wiedereinbau entschloß ich mich, die Platine mittels eines zwischen Metallplatte und Platine eingeklemmten Kunst-stoffröhrchens wieder gerade zu drücken. Zu meinem Erstaunen funktionierte der Monitor wieder einwandfrei und das nun bereits seit ca. neun Monaten.

Meine Erklärung des Phänomens ist, daß sich doch Leiterbahnunterbrechungen auf der Hauptplatine befinden, die aber durch das Hochdrücken mittels Di-stanzröhrchen wieder Kontakt gefunden haben.

Andreas Neumann, 2400 Lübeck

Antwort: Bildschirm mit Streifen, Anfrage in Heft 10/90

Der Sandsturm auf dem SM 124 ist auch mir häufig begegnet. Der Bildschirm invertierte und bei einem Besuch beim Händler trat der Fehler nicht auf. Atari kannte, wie immer, den Fehler nicht und verwies auf einen defekten Chip in einigen Monitoren. Doch dies ist nur bei einer bestimmten Serie der SM 124-Monitore der Grund.

Ich kenne etwa zehn Personen mit Atari-Computern und drei Monitore mit diesem Fehler, bei keinem war der Chip die Fehlerursache.

Der Programmierer des bekannten und guten Anti-Virenprogramms Sagrotan wußte Rat. Er kannte den Fehler und vermutete Kontaktprobleme.

Sein Rat war: Die Steckverbindungen des vom Atari zum Monitor führenden Kabels im Monitor zu entfernen und das Kabel anzulöten. Der Rat war preiswert und gut.

Ein Freund von mir löste das Problem noch einfacher. Er befestigte das Kabel im Monitor zusätzlich mit einem Kabelbinder, so daß der Kontakt einwandfrei war und hat seitdem auch keine Probleme mehr.

Die Lösung der zeitweisen Bildschirminvertierung teilte ich bei einer späteren Anfrage wegen eines anderen Fehlers (Netzteil lieferte falsche Spannung) Atari mit. Natürlich kannte Atari mein Netzteilproblem nicht, ebensowenig wie der Vertragshändler.

Bei einem Gespräch mit den kompetenten Herren von Digital Image Raunheim (die kannten das Problem) erfuhr ich dann Hilfe.

Atari wird sich bei solch schlechtem Service nie als professionelles System durchsetzen können, denn professionelle Nutzer stellen insbesondere im Servicebereich hohe Anforderungen. Ataris Leistungen in diesem Bereich genügen nicht den geringsten Anforderungen und viele Atari-Vertragshändler bieten ebenso miesen Service.

Natürlich gibt es auch kompetente Händler, aber dies liegt nicht an Ataris Fachhändlerpolitik, sondern allein an dem positiven Ehrgeiz und dem Verantwortungsbewußtsein der betreffenden Händler.

Zu guter Letzt noch zur Preispolitik. Power without the price ist das Werbemotto. 1985 stimmte dies wohl. Doch nach den XTs kamen leistungsfähige 286er und 386er mit stetig sinkenden Preisen auf den Markt.

Und z. Z. ist das Motto »price without the power« für den ST eher angemessen. Die Atari-Fangemeinde wird zwar vernehmlich stöhnen, doch der Vorsprung des ST vor den IBM-Kompatiblen hat sich seit Einführung der schnellen 286er und 386er mit den VGA-Grafikkarten und den preiswerten Festplatten auch im Preis-Leistungs-Verhältnis in einen Rückstand verwandelt.

Auch die Einführung des viel zu hoch bewerteten Calamus (ein wirklich professionelles Programm darf nicht so häufig abstürzen), mit der berühmt-berüchtigten an Kundenveralberung grenzenden Ankündigungspolitik hebt den Vorsprung nicht auf.

Wäre nicht das von Preis und Leistung zwischenzeitlich bemerkenswert gute Software-Angebot (trotz einiger ataritypischer Ankündigungs-Weltmeister), könnte Atari einpacken, denn dann würden nur noch ein paar Unverbesserliche Atari kaufen. Das natürlich auch nur, um mit den Amiga-Nutzern zu streiten, welches der einzig wahre Computer ist (und beide Gruppen würden vereint über die ungeliebten MS-DOS-Rechner die Nase rümpfen und in Schimpf-Tiraden enden).

Peter Voeth, 3575 Kirchhain



Aus: ST-Magazin 01 / 1991, Seite 56

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