Multiterm pro

Noch immer wird geunkt, Bildschirmtext (Btx) sei eine Totgeburt. Tatsächlich hatte Btx lange erhebliche Schwierigkeiten, beim Anwender Sympathien zu erwerben. Mit »Multiterm Pro« gelingt Ihnen der Einstieg in den Informationsservice der Post problemlos.

Zwar bietet Btx ein leicht zu bedienendes Informationssystem, aber hohe Preise für die Hardware (Multitel, oder Fernsehanschluß) und unaus-gegorene Dienste (das ETB ist heute noch nicht komplett) schreckten bislang viele Interessierte ab.

Sehr beliebt allerdings waren schon immer die diversen Btx-Programme oder Module für Heim- und Personal-Computer. Gegenüber den normalen Decodern der Post hat man den Vorteil, Seiten speichern und drucken zu können. Immer wiederkehrende Abläufe, wie z.B. das tägliche Abfragen der aktuellen Börsenkurse, können über Makros automatisiert werden. Auch die Weiterverarbeitung dieser Daten ist mit einem Multitel nicht machbar.

Multitel: zu wenig Leistung

Auch der Atari ST kann Btxen, wenn man ihn mit der entsprechenden Soft- und Hardware bestückt. Der Btx-Manager von Drews-EDV ist seit langem die beherrschende Software in diesem Sektor.

Starke Konkurrenz bekommt der Btx-Manager aus dem kühlen Norden durch Multiterm Pro von TKR. Im Gegensatz zum Btx-Manager 3.0, bietet Multiterm Pro endlich eine Auswertung der Farbinformationen, die Btx beinhaltet, an.

In der Praxis bekommt man eine Grauanpassung auf einem Schwarzweißbildschirm und eine echte Farbdarstellung mit bis zu 32 Farben auf einem Farbbildschirm.

Im Lieferumfang: eine Diskette, ein 40seitiges Handbuch und je nachdem, ob Sie mit oder ohne bestellt haben, auch noch das DBT03-Modul.

Das Modul wird einfach an der RS232-(Modem-)Schnittstelle des ST angeschlossen, auf der anderen Seite an der DBT03-Steckdose der Post. Besitzer eines Modems oder eines Druckers mit seriellem Anschluß haben jetzt das zweifelhafte Vergnügen, ewig die Stecker an der RS232 zu wechseln. Es wäre eine gute Lösung, ein abschaltbares Interface mit durchgeschleifter RS232-Schnittstelle anzubieten.

Im Handbuch sind für den normalen Betrieb alle nötigen Informationen erhalten und übersichtlich dargestellt. Nur der Programmierteil ist wirklich recht knapp ausgefallen.

Startet man Multiterm Pro, wird man von einen Desktop mit einigen Icons und einer Menüleiste empfangen. Auf einem monochromen Bildschirm öffnet Multiterm Pro auch sofort das Btx-Terminal. Auf einem Farbbildschirm verwaltet das Programm zwei Bildschirme für Btx und Bedienung. Wegen der geringeren Auflösung ist dies vonnöten.

Da Multiterm Pro sowohl mit Modem als auch mit DBT03 zurechtkommt, muß man erst mal alle Parameter einstellen. Während man bei dem Betrieb über das DBT03-Interface nichts mehr einstellen muß, benötigt die Arbeit mit einem Modem noch ein paar Parameter. Die gängigen Baudraten für Btx (1200/75, 1200/1200, 24007 2400) werden unterstützt. Befehle zum Modemreset und zur Anwahl müssen auch eingestellt werden.

Die Telefonnummern der Btx-Anschlüsse sind im Handbuch aufgeführt. Da die Post einen Anschluß erst lange testet bevor sie ihn freigibt, sollte man ruhig im Nahbereich versuchen, ob eine 1200/1200- oder gar eine 2400/2400-Nummer existiert. Fast alle großen Städte in Deutschland haben mittlerweile einen 2400er Anschluß.

Um sich den lästigen Login zu ersparen, kann man in Multiterm Pro die eigene Btx-Kennung eingeben und bei jeder Anwahl automatisch übermitteln lassen.

Mit den neun Piktogrammen auf dem Desktop hat man eigentlich schon das ganze Btx im Griff. Mit dem Icon »Anwahl« kann man die Verbindung herstellen, die man dann mit dem Abwahl-Piktogramm wieder beendet, ohne lange in Menüs zu suchen. Die Multitel-Tasten »Attribut aus« und »Aufdecken« sind ebenfalls als Icons vorhanden.

Problemlose Handhabung

Mit dem Icon »Kurzwahl« kann man oft benutzte Seiten schnell aufrufen. Man speichert einfach die Seitennummer oder den Namen und ruft sie später wieder auf. Auf dem Klemmbrett läßt sicher der Inhalt einzelner Seiten speichern. Klickt man nochmal den Klemmbrett-Icon an, wird der Inhalt des Bildschirms mit dem des Klemmbretts vertauscht.

Wie bereits oben erwähnt, bietet Multiterm Pro für den Schwarzweißbildschirm eine Grauanpassung. Die Farben werden dabei in Muster gewandelt. Es ist komplett GEM-kompatibel und läuft auf dem TT und ST. Beim Einsatz einer Grafikkarte ab der Auflösung 640x400 mit 256 Farben wird der volle Btx-Standard dargestellt, d.h. alle Farben und Blinkattribute. Im Monochrom-Modus mit dem Betrieb eines SM 124 ist ein zusätzlicher Zoom-Modus wird das Btx-Bild über den ganzen Bildschirm dargestellt.

Damit man im Offline-Zustand nochmal nachschauen kann, welche Informationen Btx geliefert hat, bietet Multiterm verschiedene Protokoll- und Speicherfunktionen an. Zuerst kann man die aktuelle Seite als Degasbild, als CEPT-Grafik oder als ASCII-Text abspeichern. Auf dem Drucker läßt sich der Bildschirminhalt (Text und Grafik) ebenfalls ausgeben.

Verschiedene Protokolle

Zu guter Letzt kann man auch noch ein ständiges Protokoll mitlaufen lassen. Multiterm Pro speichert alle ankommenden Daten wahlweise in eine Text- oder CEPT-Datei ab. Diese CEPT-Dateien kann Multiterm Pro später auch wieder abspielen lassen. Hierzu liegen sehr schöne Beispiele auf Disk bei.

Ein Tip am Rande: Wer Zugriff auf ein farbiges Btx-Terminal hat und die Mosaik-Seiten noch nicht kennt, sollte mal *MOSAIK# eingeben. Es zeigen sich die schönsten Farbeffekte.

Multiterm Pro bietet verschiedene Ebenen, zur Automatisierung von Abläufen. Die unterste Ebene ist die oben erwähnte Kurzwahl. Ähnlich lassen sich auch Funktionstasten belegen.

Die Makros bilden die zweite Ebene. Mit einem Makrorecorder werden alle Aktionen gespeichert. Startet man später das Makro, werden all diese Schritte in der gleichen Geschwindigkeit wiederholt. Auf diese Art und Weise muß man einen komplexen Vorgang nur einmal durchlaufen.

Leider verbergen sich hinter diesem Konzept auch Tücken. So kann man z.B. die aufgezeichneten Makros nicht mehr editieren. Vertippt man sich, muß man von vorne beginnen, oder in Kauf nehmen, daß bei jedem Abruf die Fehlerkorrektur erscheint.

Ein erhebliches Manko ist, daß beim Überschreiben eines vorhandenen Makros keine Warnung ausgegeben wird. Da die Aktionen zum Abspielen und Aufnehmen von Makros benachbarte Menüeinträge sind, kann man leicht versehentlich vorhandene Makros löschen. Da aber an Multiterm Pro weiterhin gearbeitet wird, ist zu hoffen, daß dieser Umstand bald behoben ist.

Wem Kurzwahl, Funktionstasten und Makros die Arbeit noch immer nicht genug erleichtern, dem bietet Multiterm Pro die Multi-Term-Programming-Language, kurz MPL. MPL ist eine Basic-ähnliche Sprache, die mit knapp 60 Schlüsselworten fast alles bietet, was das Programmiererherz begehrt.

Dazu gehören FOR-TO-STEP-NEXT, IF-THEN-ELSE-ENDIF oder WHILE-WEND. MPL verarbeitet sowohl numerische als auch Stringvariablen. Für den Btx-Betrieb werden Kommandos wie LOGIN, WAIT oder HANG_UP zur Verfügung gestellt. Sehr wichtig sind die Befehle WAIT und EXPECT. Mit WAIT kann so lange gewartet werden, bis der Cursor eine bestimmte Position erreicht oder überhaupt sichtbar wird. Das ist nützlich, um einem kompletten Seitenaufbau abzuwarten.

EXPECT wartet, bis an einer bestimmten Bildschirmposition ein anzugebender String erscheint. Beide Befehle lassen sich mit einer Timeout-Zeit versehen, nach der abgebrochen wird. Ein MPL-Programm, welches aus den Seiten der Frankfurter Wertpapierbörse die aktuellen Börsenkurse holt und sie in einer, von Tabellenkalkulationen lesbaren Datei speichert, ist in wenigen Minuten geschrieben.

An die Grenzen von MPL zu stoßen (wohlgemerkt wir befinden uns in einem Btx-Programm und nicht in GFA-Basic) dürfte recht schwerfallen.

Bereicherung für den ST-Markt

Fazit: Multiterm Pro ist nicht nur wegen seiner Farbfähigkeit eine Bereicherung für den ST-Markt. Auch die Programmiersprache MPL und eine recht einfache Bedienung machen es zu einem Muß für jene, die Btx mit dem ST betreiben möchten. Es ist vom Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen (ZZF) zum Betrieb als Btx-Endgerät zweimal zugelassen worden. Zum einen unter der Nummer A011811A als Allgemeinzulassung mit Darstellung des vollen CEPT-Standards. Diese Zulassung gilt für Atari mit der Grafikkarte »Crazy Dots« von TKR und mit kompatiblen Grafikkarten. Außerdem ist die Zulassungsnummer A010589A für die Druckerschnittstelle, für alle Ataris ohne Grafikkarte, vergeben worden. Eine Version Multiterm-Mini, der Btx-Decoder als Accessoire, liegt dem Programm bei. Mit diesem Decoder kann Tele-Software geladen werden, Seiten gedruckt werden und als ASCII abgespeichert werden. Dieses Programm ist Multitasking-fähig, d.h. Sie können wärend der »Btx-Sitzung« noch nebenbei in anderen Programmen weiterarbeiten. Die Version 1.4 erscheint im Januar und kostet in der Version für V.24 158 DM. Die Version für D-BT03 kostet 236 DM. Das Update von Vl.2 auf Vl.4 liegt bei 30 DM. (mb)


Michael Bernards
Aus: ST-Magazin 02 / 1991, Seite 98

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