Yamahas QY-10: Kompaktes Taschenstudio

Am unteren Ende der Preisskala gibt's dicke Überraschungen: Für 590 DM verblüfft Yamahas tragbarer Preset-Sampler mit Sequenzer, Rhythmusgerät und Kopfhöreranschluß die Konkurrenz.

Kreative Prozesse sind unberechenbar — Musiker arbeiten nun mal nicht nach Stechuhr. Die besten Ideen kommen unerwartet, und in den seltensten Fällen ist ein geeignetes Werkzeug zur Hand, diese Geistesblitze auch festzuhalten. Ideal für solche Fälle: Yamahas Taschenstudio »QY 10«.

Yamaha hat bereits mit dem DX7 bewiesen, daß die Entwickler ein Ohr in der Musikerszene und einen Sinn für deren Probleme und Wünsche haben. Der kleinen Box ist auf den ersten Blick nicht anzusehen, was in ihr steckt: 30 naturgetreue PCM-Sounds und 26 Drum-Samples, gesteuert von einem 8-Spur-Sequenzer. Kopfhörer-Anschluß und Batteriebetrieb sorgen dafür, daß der Anwender autark bleibt. Kein Verstärker, keine zusätzlichen Sound-Module, kein mobiler Stromgenerator ist somit für den Betrieb nötig. Über MIDI kann man zu einem geeigneten Zeitpunkt seine On-the-Road-Werke in ein anderes, größeres System übertragen.

75 Pattern, modern und elegant ausgearbeitet, sind bereits vorprogrammiert. Gekonnte Baßführung, gelungene Breaks und verblüffend echte Naturklänge wie z.B. Gitarren lassen ein sehr viel kostspieligeres Equip-ment vermuten.

Der Sequenzer folgt einem recht eigenwilligen Prinzip: Die Begleitpattern verhalten sich nicht wie gewöhnliche Sequenzen, sie sind intelligent, d.h., sie passen sich vorgegebenen Harmonien an — Baß und zwei Akkord-Tracks folgen einer vorprogrammierten Leadsheet. Die vierte Begleitspur ist der

Rhythmus-Track. Das Festlegen der Akkordstruktur ist die Basis für eigene Songs. Die Wirkung dieser Grundmuster erstreckt sich dabei auf alle vier Begleitspuren, während die restlichen vier sich wie normale Tracks verhalten und unabhängig von Leadsheet oder anderen Einstellungen in den Begleit-mustern arbeiten.

Das Konzept ist raffiniert. Ein kleines Mikro-Keyboard bestimmt den Grundton, und eine von zehn darüber plazierten Minitasten legt den Akkordtyp fest. In der Kombination mit der Shift-Taste stehen 20 Chord-Alter-nativen zur Wahl: Freilich deckt man damit nicht alle Dominanten-Variationen ab, so fehlen beispielsweise b!3-oder b9-Klangfarben. In solchen Fällen kommt es dem Anwender zugute, daß man Akkorde und Grundtöne getrennt bestimmen kann. En-harmonische Tricks sind also möglich. Mit etwas Überlegung ist so praktisch jeder denkbare Akkord definierbar. Das Songgerüst dürfte in wenigen Minuten programmiert sein — das Wichtigste ist damit schon erledigt. Fürs erste empfiehlt sich die Verwendung von Werkspattern. Aus den 76 gebotenen Variationen dürften zumindest ein oder zwei Rhythmen die Gnade des Komponisten finden — andernfalls stehen auch 24 Pattern für eigene Versuche zur Verfügung.

Ein Pattern wird im Song-Mode solange wiederholt, bis ein neues definiert wird. Dies beschleunigt die Arbeit ungemein: Auf Takt 1 wird so beispielsweise Pattern-Nummer 34 gelegt und, da der Refrain in Takt 33 startet, auf Takt 32 ein Pattern mit einem Break — vielleicht die Nummer 97 — und in Takt 33 einen besonderen Refrain-Rhythmus. Man braucht also nur die Pattern-Wechsel bestimmen, dadurch ist das Editieren eigentlich ein Kinderspiel. In Feinarbeit kann trotzdem in jedem Takt das Grundmuster verändert werden.

Ein Reihe von Editierfunktionen ist für die weitere Bearbeitung von Bedeutung. Dabei sind sämtliche, von anderen Sequenzern bekannten Schneide- und Kopierfunktionen implementiert. Auch die Quantisierung von Echtzeit-Einspielungen — z.B. über ein externes MIDI-Keyboard — sind möglich.

Außerdem gibt es bereits ein Public-Domain-Programm um Songs, Pattern und Voice-Parameter zu speichern oder nachzuladen. Die internen Sounds kann man auch in ein größeres MIDI-System integrieren — der QY-10 dient dann als Slave oder Expander.

Ist der QY-10 nun leicht oder kompliziert zu programmieren? Wer seine Idee häufig im Step-By-Step-Verfahren in Bits und Bytes übersetzt, sollte eigentlich wenig Schwierigkeiten haben. Ein Tip: Unbedingt Akkus besorgen, die kleine Kiste ist ein echter Energiefresser.



Aus: ST-Magazin 10 / 1991, Seite 116

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