Schrittmotorsteuerung: Da glühen die Späne

Eine industrietaugliche DIN-CNC-Direktsteuerunq für Fräsmaschinen auf Atari-Basis zu bauen, erfordert schon eine gehörige Portion Vertrauen in die Überzeugungskraft des Produkts: Lesen Sie von einer faszinierenden Idee.

Auf dieser für Testzwecke selbstgebauten 3-Bahn-Fräsmaschine testet und entwickelt das SHD-Team seine Produkte

Eigentlich fing alles mit Modellhubschraubern an. Wer sich schon damit beschäftig hat, weiß, daß zukünftige Piloten zwei bis drei Geräte an Ersatzteilen zu Schrott fliegen, bevor sie das erste halbwegs beherrschen. Meistens müssen die Rotorblätter dran glauben — was auf die Dauer gehörig ins Geld geht. »Die müßte man selbst herstellen können«, dachte sich Modellflieger Reinhard Heuberger, und die Idee von der CNC-Steuerung war geboren. Die Firma SHD Unternehmensberatung GmbH bot ihm die notwendige Manpower und eine professionelle Vertriebsschiene (SHD entwickelt vor allem kaufmännische Produkte im PC-Sektor) und die österreichische Maschinenschlosserei Schmalzl lieferte die technischen Voraussetzungen zur Entwicklung eines Komplettsystems. Zu Testzwecken arbeitet das Team jedoch auf kleineren selbstgebauten Fräsern, die der findige Mechaniker Hans Sporer entwickelt hat (Sie sehen diese Maschinen auf unseren Fotos).

SHD-Adapterbox & Steuerung
Zum Test ein Stift statt Fräser

Aus der ursprünglichen Idee haben sich mittlerweile zwei Produkte herauskristallisiert, die in einen Markt stoßen, der nur von wenigen und daher entsprechend teuren Anbietern dominiert wird (z.B. Berger, Phytron, Graphograph etc.): eine CNC-Steuerung nach DIN 66025 für Fräsmaschinen und ein Gravur- und Stempelfräsprogramm für Stichelfräser.

Das DIN-66025-Programm

Das DIN 66025-Programm ist eine Schrittmotorsteuerung für max. vier Achsen mit Synchronisation, Linear- und Zirkular-Interpolation. Es erkennt und berechnet automatisch rampen- bzw. trapezförmige Anfahr- und Bremsphasen über alle Achsen mit max. 16000 Interpolationen/s und bietet eine Auflösung von <31 Bit pro Achse.

Das System läßt sich völlig frei programmieren und mit Hilfe eines Setup-Programms an wirklich jede (!) Schrittmotor-Leistungsendstufe mit TTL- oder Optokoppler- (Open Collector-) Eingang anpassen. Mit einem Wort: Es eignet sich für jede Maschine. Das System besteht aus der Software, einer Adapterbox mit vier Endstufen, zwei Relaiskontakten für Kühlmittelantrieb und Remote-Eingang zur Überwachung der Achsen-Endposition, sowie einem industrietauglichen 68000er, wie ihn z. B. IBP anbietet (die harte Industrieumgebung mit Öl, Metallspänen, mechanischer und thermischer Belastung würde einem Standard-ST innerhalb kürzester Zeit das Licht ausblasen). Die hochwertigen IBP-Rechner genügen selbst extremen Anforderungen, sind kompakt, gut verarbeitet und sehr betriebssicher.

Versuchsgerät in Aktion

Bevor jetzt all diejenigen verwirrt aussteigen, die sich noch nicht mit der Materie beschäftigt haben, einige Erläuterungen zwischendurch: Das Tolle an Schritt- oder Steppermotoren ist bekanntlich ihre Fähigkeit, eine 360-Grad-Umdrehung in möglichst viele Einzelschritte zu zerlegen. Je mehr Schritte auf eine Vollumdrehung kommen, desto höher natürlich die Präzision der Steuerung. Verwendet man bei der Positionierung der Fräserspindel für X-, Y-, und Z-Achse jeweils einen Schrittmotor, läßt sich das Werkzeug so genau steuern, wie die Motoren in Schritte teilen können. Der Werkstück-Spanntisch läßt sich theoretisch mit weiteren drei Achsen gegensteuern. Gute Stepper schaffen bis 1000 Schritte auf 360! Damit die Schritte auch bei Rechts- und Linkslauf der Motoren (also z. B. Hoch- und Runter des Fräsers) toleranzfrei auf die Mechanik übertragen werden, verwendet man sog. Kugelumlauf-Gewinde. Die herkömmlichen Trapezgewinde hätten viel zuviel Toleranz, vor allem beim Drehrichtungswechsel.

Präzision durch Setup

Noch ein weiteres Problem will bedacht sein: die Trägheit der Masse. Eine große Maschine mit schwerem Spanntisch und starken Motoren verhält sich beim Anfahren natürlich ganz anders, als ein kleiner Tischfräser. Beschleunigt man die große Maschine mit denselben Werten wie die kleine, »verschlucken« die Schrittmotoren regelrecht einzelne Steps, was der Computer natürlich nicht merkt. Die Folge: Fehler im Bahnverlauf. Daher gehört zur Anpassung einer neuen Maschine über das Setup entsprechende Erfahrung im Umgang mit den Anfahr- und Bremsphasenwerten.

Das zweite selbstgebaute Testgerät hilft vor allem beim Gravurprogramm: Mona Lisa aus Aluminium
Produktbeispiele aus Alu
In Minuten: Standardausbrüche

Doch zurück zum Programm: Komplette CNC-Listings entstehen mit jedem beliebigen Editor (der mitgelieferte ist bewußt spartanisch), Koordinaten und Strukturen überprüft das Programm selbständig und meldet Fehler in Klartext. Anschließend simuliert es den Verlauf der gefrästen Bahn grafisch in Abhängigkeit vom verwendeten Werkzeug (Radius).

Über G20 besitzt das Programm eine Sprungfunktion, es läßt sich an entsprechenden Stellen bis zu hundertfach verschachtelt auf-rufen. Viele Zyklen liegen bereits abrufbereit vor. Über die DIN-Funktionen hinaus bietet das Programm zusätzlichen Komfort, beispielsweise mehrere Möglichkeiten zum Spanbrechen (beim Tiefbohren) oder beim spiralförmigen Ausarbeiten von Kreistaschen. Lochkreise definiert man höchst einfach über den Radius und die Anzahl der Löcher. Werkzeugradius- und Werkzeuglängenkorrektur erfolgt — voll implementiert — nach DIN über G41 bzw. G42.

Weitere Bonbons: Die Kanten spitzer Winkel lassen sich, je nach Werkzeug, Werkstoff und Vorschub abrollen, schneiden oder aus-fahren — eine fertigungstechnische Philosophiefrage (s. Abb.). Last not least lassen sich Programmschritte und Zyklen einzeln abfahren und das Ganze von Hand steuern (bei fertiger Komplettlösung Maschinensteuerung per Joystick).

Das Gravurprogramm

Auch beim Gravurprogramm wird die Maschine zunächst über das Setup-Programm angepaßt. Im Prinzip verfolgt das Gravurprogramm denselben Weg, es ist eigentlich ein Fräsprogramm, nur daß mit kleinen Stichelfräsern (s. Abb.) und sehr hohen Drehzahlen (60000 bis 70000 U/min) gearbeitet wird und die Verfahrwege längs der Z-Achse (vertikal) minimal sind, da die Maschine bis auf den Einstich ja zweidimensional fertigt. Hier liegen die Probleme bei der hohen Fräserdrehzahl: Arbeitet die Software nicht schnell genug, führt die Spindel leicht zehn oder mehr Umdrehungen bis zum nächsten Step durch. Wenn das an Richtungswendepunkten passiert, läuft der Fräser ein, vor allem, wenn es sich um Kunststoff und weiche Werkstoffe handelt. Beim Gravieren entstehen häßliche Einlaufpunkte. Daher besteht das Paket fast völlig aus zeitoptimiertem Assembler.

Blick auf den Fonteditor
DIN 66025: Ein Fest für Fachkundige...

Die Gravursoftware besteht aus einem CAD-Programm, einem Fonteditor für CNC-Fonts, dem Bildimage-Fräsprogramm und fertigen Zeichensätzen. Beliebige Gravurmuster entstehen mit der Maus am Bildschirm, Freihandzeichnen, Polygonzüge, Kreise, Kreisbögen, Spline-Interpolationen, Text und Kreistext stellen die Software vor keinerlei Probleme.

Das Fräspaket verwendet eigene Fonts, deren Entwicklung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Auch der Editor soll bald wesentlich komfortabler werden: Die Benutzeroberfläche erinnert momentan noch mehr an Motif als an GEM.

Die eigentliche Leistungsfähigkeit des Gravurprogramms zeigt sich denn auch nicht im manuellen Anlegen von Logos, sondern beim Fräsen importierter Bilder. Gescannte Vorlagen (s. Abb. »Mona Lisa« oder »Weltkarte«) fräst das Programm aus Acryglas, Messing, Aluminium. Auch für Goldschmiede dürfte diese Technik nicht uninteressant sein: Liebhaber zahlen für individuelle Gravuren, z. B. in alte Familienstücke, Unsummen an Geld.

Die notwendigen Parameter erhält das Paket mit der Skalierung von Y- und X-Achse, der Vorschubgeschwindigkeit von allen drei Achsen, der Frästiefe der Z-Achse, den Interpolationsparametern und entsprechenden Voreinstellungen für Texte, z. B. die Schreibrichtung, Höhe, Breite und Zeichenabstand der einzelnen Lettern.

Für eigene (einfache) Fonts steht ein Zeichensatz-Editor zur Verfügung. Er arbeitet über eine einfache Matrix und gibt Ober-, Unterlängen etc. bereits vor. Ein Editor mit Bezierkurvenfunktionen ist fertig, er wird aber nur auf besonderen Wunsch ausgeliefert, da kaum jemand die Mühe auf sich nehmen wird (und die Erfahrung mitbringt), brauchbare eigene Fonts zu entwickeln. Da sich Images im Handumdrehen spiegeln lassen (einschließlich Schrift), eignet sich das Fräspaket natürlich auch zum Ausarbeiten von Stempeln.

Mit der CNC-Steuerung und dem Gravurprogramm entstehen bei SHD zwei Produkte, die — ähnlich wie die Schneidplotteranwendungen der folgenden Seiten — die entsprechenden Märkte in Zukunft gehörig umkrempeln können. Leider steht bisher das Spielkistenimage der Atari-Computer Schritten nach vorne im Weg.(hu)

SHD Unternehmensberatung GmbH, Watz-mannring 71, 8046 Garching

Philosophiefrage: Drei Möglichkeiten zum Umfahren spitzer Winkel
Lochkreis und Taschenzyklen
Das Gravurprogramm: Menüübersicht zum Einschätzen
C7VC-Schulbeispiele
Entwurf im Gravurpaket...
... und das Ergebnis
Von Hand kaum machbar

DIN 66025 plus im Überblick


Hartmut Ulrich
Aus: ST-Magazin 11 / 1991, Seite 14

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite