Omikron-Basic 4, die Erste

Zur CeBIT 91 war es bereits angekündigt, das neue Omikron-Basic. TT-Tauglichkeit stand im Pflichtenheft der Programmierer. Ein Blick auf die Beta-Version klärt, wieweit die Bemühungen gediehen sind.

Kritik am alten Omikron-Basic gab es genug: Neben der fehlenden Unterstützung von Ataris Flaggschiff kam z. B. die Benutzeroberfläche nicht mit Grafikerweiterungen zurecht.

In der Version 4.0 hat sich das geändert, der Interpreter benutzt jetzt zur Ausgabe ausschließlich das VDI, die Menüoberfläche wird dadurch recht langsam. Wer jedoch über keine Grafikerweiterung verfügt, kann in einen speziellen Modus schalten, in dem die Bildschirmausgabe über eigene, recht schnelle Routinen erledigt wird (auch in den TT-Farbmodi).

Beachtenswert: Omikron hat es gewagt, das Paket weiterhin ohne GEM-Oberfläche zu belassen.

Die Menüpunkte des Editors wurden überarbeitet, besser sortiert und sind jetzt praktisch alle über Tastaturabkürzungen erreichbar. Auch das Verlassen von Omikron-Basic ist jetzt direkt aus dem Editor problemlos möglich (Ctrl-Q). Praktisch auch, daß man jetzt direkt mit »Ctrl-S« den Quelltext unter dem aktuellen Namen speichern kann, keine lästige Fileselectorbox mehr, die nicht zwischen »Abbruch« und »Ok« unterscheidet, weil man zusätzlich noch mal Return drücken mußte. Leider hat Omikron das unpraktische Verhalten der Fileselectorbox, sich den Pfad nicht zu merken, beibehalten.

Die schönste Verbesserung: Endlich kann man Teile des Quelltextes einklappen. Omikron setzt aber in zweierlei Hinsicht noch eins drauf: Erstens können nicht nur Prozeduren eingeklappt werden, sondern beliebige Bereiche. Zweitens kann man eingeklappte Bereiche mit einem Kennwort versehen, und so sein Gedankengut schützen. Marken im Text können jetzt über Tastatur gesetzt werden und werden auch mitgespeichert.

An der Programmiersprache selbst hat sich einiges getan, offenbar wird Omikron-Basic immer mehr an die Sprache »C« angepaßt: so sind jetzt Zeiger auf Variablen und Funktionen möglich. Damit lassen sich dynamische Datenstrukturen wesentlich effizienter umsetzen. Zeiger werden ganz gewöhnlich mit den Operatoren »&« und »*« verwendet. Da Omikron-Basic keine Deklarationen kennt, muß bei einer Dereferenzierung der Typ explizit angegeben werden.

Anpassung an »C«

Dies geschieht durch die üblichen Suffixe. Zeiger im Interpretermodus sind nicht so effizient wie ihre compi-lierten Gegenstücke, denn dort enthalten sie nur relative Werte anstelle absoluter Adressen. Dies geschah wohl, um die Aufteilung in Variablenbereiche zur Laufzeit ändern zu können, in compilierten Programmen kann ja nicht dynamisch nachdimensioniert werden.

Ebenfalls im Compilat wirksam werden Deklarationen von Konstanten, die dann bereits beim Übersetzungslauf ausgewertet werden. Die aus C bekannten Operatoren »+=« usw. sind hinzugekommen.

Auf dem TT sehr schnell

Wer selbst schon GEM-Programme geschrieben hat, hat sich schon über das Fehlen des »switch«-Statements aus C geärgert, wenn die Ergebnisse des »evnt_multi« ausgewertet werden mußten. Bisher geschah dies in Omikron-Basic über verschachtelte »IF«s, die zu hohen Einrücktiefen führten, jetzt bietet Omikron-Basic den »SELECT CASE«-Konstrukt zur Lösung an. Entscheidende Geschwindigkeitsverbesserungen oder -Verschlechterungen sind auch nicht zu verzeichnen.

Für den Normalbenutzer bringt Omikron-Basic 4.0 also relativ wenig, ein Preis von ca. 600 DM scheint da nicht gerechtfertigt.

Omikron-Basic 4.0 ist also hauptsächlich für TT-Besitzer interessant.

Gerade hier interessierte uns natürlich die Geschwindigkeit von Omikron-Basic. Bedauerlicherweise kann man den Interpreter nur im ST-RAM benutzen, das Fast-RAM liegt brach.

Interpretiert waren Testprogramme etwa um einen Faktor 2 bis 3 schneller als auf dem ST, ein ST mit 16-MHz-Karte war mitunter genauso schnell.

Das Compilieren von Programmen bringt dann etwa nochmals einen Faktor 1.5 bis 3. Glücklicherweise jedoch laufen die compilierten Programme auch im Fast-RAM, ein nochmaliger Beschleunigungsfaktor von 2 wird dann erzielt. Gängige Programme sind auf dem TT also etwa viermal so schnell wie auf einem ST.

Fließkommaarithmetik ist dann natürlich dank des eingebauten Coprozessors die Stärke des TT. Der Compiler kann mit dem Steuerwort »FPU2« instruiert werden, direkt Fließkommaprozessorbefehle zu erzeugen. Damit sind —je nach Rechenintensität des Programmes — Geschwindigkeitszuwächse um etliche 100 bis einige 1000 Prozent möglich.

Omikron-Basic 4.0 ist ein schönes, komplettes System, mit dem man leistungsfähige Programme schreiben kann. Für ST-Besitzer sind die wenigen Verbesserungen jedoch zu teuer erkauft, wenn man bedenkt, was die Version 3.5 kostet.

Für TT-Besitzer ist die Version 4.0 leider ein Muß.


(uw)
Aus: ST-Magazin 12 / 1991, Seite 42

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