PD-Pool: "Für viele ein Verlustgeschäft"

Wieviel Planung ist für eine Public-Domain-Diskette nötig? Klaus Schultheis, Mitbegründer des PD-Pools, steht Rede und Antwort. Der Darmstadter Pool gehört zu den Multis der Branche.

Das Thema: Klaus Schultheis und sein PD-Pool

Was tun, wenn der Drucker "Eulen und Schmetterlinge" druckt? Diese Symbole interpretiert der Printer normalerweise als Steuerzeichen und gehören keinesfalls aufs Papier. Wenn Ihr Fachhändler nur mit den Schultern zuckt, ist guter Rat teuer. Denn Druckerhersteller kümmern sich kaum um die Harmonie von Textverarbeitungsprogramm und Druckmedium.

Zumeist teilen Sie solche Schwierigkeiten aber mit zahllosen anderen Anwendern. Manchmal ist sogar ein Programmierer darunter, der dem Problem.auf eigene Faust zu Leibe rückt.

Konkurrenzlos

Wenn Sie Glück haben, stellt er seinen Druckertreiber oder Druckersteuerprogramm sogar der Allgemeinheit zur Verfügung und liefert Klaus Schultheis Software für eine neue PD-Diskette. Der PD-Pool gehört zu den drei großen deutschen Public-Domain-Anbietern, die in eigenen Serien monatlich rund 25 Disketten auf den Markt werfen.

Aus dem Darmstädter Software-Selbstbedienungsladen kommen Programme aus allen Bereichen: häufig Angebote zu Problemstellungen, vor denen kommerzielle Anbieter gerne kneifen.

Der PD-Pool hält mit seinen Disketten, die es bereits für 8 Mark gibt, nicht nur Druckerherstellern Ärger vom Hals. Mühelos zählt Klaus Schultheis eine Reihe PD-Programme auf, die am ST ohne Konkurrenz sind. Darunter "Sagrotan", der umfangreichste Schutz gegen ST-Computerviren oder die genialen "Weller-HD-Tools" zur Festplattenpflege

"Die Sache macht viel Arbeit und spielt wenig ein", erzählt er. "Ohne Idealismus wagt sich niemand an einen solchen Job. Für die meisten ist es ein Verlust." Um Mißverständnissen vorzubeugen, schränkt er ein: "Natürlich träumt niemand vom großen Geld. Unser Ziel ist, gute Programme schnell und an möglichst viele Anwendern zu bringen."

Um dieses Ziel zu erreichen, bastelt Klaus Schultheis immer wieder an neuen Ideen. Er hat am Vertriebskonzept des Pools entscheidend mitgewirkt: "Momentan sind in unserer Organisation 35 Einzelhändler zusammengeschlossen. Sie halten rund 300 Pool-Disketten monatlich kommen zehn neue hinzu - für ihre Kunden bereit. PD-Shops mit Pool-Software gibt's in fast allen deutschen Großstädten und zum Teil sogar im ländlichen Bereich.

Die Mitglieder teilen sich Werbekosten für Anzeigenserien in großen Computermagazinen und halten Ausschau nach guten Programmen und Programmierern.

Über Neuerscheinungen bleiben die Anwender auch über die reichlich bebilderte Hauspostille "PD-Szene", die in allen Geschäften ausliegt, auf dem laufenden.

Die Texte für die rund 100seitige Broschüre und die Gemeinschaftsanzeige liefert Chefredakteur Klaus Schultheiß in Koproduktion mit dem PD-Autor Richard Spiller: "Früher haben Richard und ich uns ganze Sonntage mit der Formulierung der Kurztexte um die Ohren geschlagen - Journalismus ist gar nicht so einfach wie's manchmal den Anschein hat."

Mittlerweile haben beide, wie sie sagen, "an Professionalität gewonnen und viel Spaß am Schreiben. Es gibt im PD-Bereich einige Programme, die sind fantastisch. Neben ergonomischer Benutzerführung fasziniert die Funktionsvielfalt. Immer wieder stoßen wir auf brillante Ideen. Dann schreiben sich die Artikel fast von alleine". Besonders auffälligen Programmen reservieren sie in der PD-Szene eine oder gleich mehrere Seiten.

1200 Autoren

Das Magazin erhalten zuerst alle Programmierer, die in einer Pool-Serie vertreten sind. Kostenlos, wie Schultheis betont: "Wir können nicht gerade viel für unsere Zulieferer tun. Diese kleine Anerkennung - bei rund 1200 Programmierern ein stattlicher Kostenfaktor ist allerdings Pflicht."

Schultheis weiß daß auch sein Erfolg von der Arbeit zumeist unbezahlter Hobbyprogrammierer abhängt, die immer wieder für reichlichen Nachschub an erstaunlich professioneller Software sorgen. "Wir überlegen ständig, wie wir das besser in den Griff bekommen. Die Autoren kommen bei allen, auch den großen Anbietern, zu kurz."

Die Erfahrung zeigt, daß nur wenige Anwender freiwillig Geld an Autoren überweisen: "Vielen ist gar nicht klar, daß sie damit den Autor entmutigen, der dann vielleicht nie wieder ein PD-Programm schreibt. Ich kenne einige, die mangels Resonanz irgendwann enttäuscht das Handtuch geworfen haben."

Die Renner

Resonanz muß sich indes nicht immer in klingender Münze auszahlen. Mitunter freuen sich Programmierer bereits über Anregungen und Kommentare: "Ideen, die beim Publikum ankommen, werden oft viel konsequenter weiterverfolgt."

Der ST lebt auch von den Ideen und Anstößen der Programmautoren. Sie. sind selbst hauptsächlich Anwender, die nur in der Freizeit Programme schreiben und viele Probleme aus eigener Erfahrung kennen. Manche kommerzielle Software, man denke nur an die verschiedenen DFÜ-Programme, hat ihre Wurzeln im PD-Bereich. Die Anregung, die Kaufsoftware dadurch erhielt, kann nur grob geschätzt werden.

Bemerkenswerte Impulse erhält das PD-Forum durch den wissenschaftlichen Bereich. Der ST ist dort immer häufiger anzutreffen. Vermehrt landet Software, die an Lehrstühlen und in Forschungsbereichen entwickelt wurde, auf PD-Disketten. TeX-Programmierer Donald Knuth ist ein besonders prominentes Beispiel.

Die Entwickler aus dem Elfenbeinturm ersparen einer beachtlichen Gruppe von Anwendern viel Zeit und Mühe. Klaus Schulth eis nennt weitere Beispiele: "Der "Laborant" oder "Chemcalc" sind echte Renner." Mitunter überrascht auch ein Student seinen Professor. In einem Fall mit einem Ritzelberechnungsprogramm, das in Minuten löst, wofür man früher einen ganzen Tag benötigte.

Der ausreichende Bestand an solchen Exoten ist zweifelsfrei auch für die Popularität der PoolDisketten verantwortlich. Darüber hinaus sieht sie Klaus Schultheis vor allem "in der engen Zusammenarbeit der Händler untereinander". Dabei nutzen die Darmstädter auch die Programmiererkontakte ihrer Mitglieder: "Wenn wir merken, daß es einen besonderen Bedarf für ein bestimmtes Programm gibt, kann man das schon mal im Gespräch mit einem Programmierer fallen lassen." Ein weiterer Erfolgsgarant: Das Prinzip des Kosten-Sharings, das trotz steigenden Verwaltungsaufwands bei Programmsichtung-und Qualitätsprüfung, "weiterhin für günstige Kopierpreise" sorgt.

Wie entsteht eigentlich eine Pool-Diskette? "Die erste Aktivität geht zumeist vom Programmierer aus. Viele Programme werden uns per Post zugeschickt. Bei uns sind z.Zt. rund 1200 Programmierer registriert."

Darunter auch Autoren, die mit PD-Software den Grundstein zur professionellen Programmiererkarriere legten. Für Nachwuchsautoren liefern diese Vorbilder häufig die Motivation, erste eigene Projekte kostenlos zu veröffentlichen und mit der vagen Hoffnung auf einen Anerkennungsbetrag von begeisterten Anwendern zu leben.

Die eingesandte Software landet zunächst auf dem Schreibtisch von Pool-Mitarbeiterin Bela Kuman Sie verwaltet Programme und Programmierer in einer Datenbank, sammelt Autorennamen und Programmdaten. Gleichzeitig unterzieht sie Programme einer ersten Bewährungsprobe, startet die Software probeweise und notiert ihre ersten Eindrücke. Pornografische und gewaltverherrlichende Programme beispielsweise haben bei ihr wenig Chancen.

Auch für Klaus Schultheis ist das "kein Thema." Eher schon Benutzerführung und Lauffähigkeit. Kandidaten, die Bomben werfen, sortiert er aus. "Wenn Bela mit einem Programm nichts anzufangen weiß sieht's schon schlecht aus. In vielen Fällen ist dann die Handhabung so mangelhaft, daß Anwender bestimmt Schwierigkeiten bekommen."

Leichte Bedienbarkeit gehört eben zu den besonderen Features des PD-Bereichs. Denn viele Programme sind nicht so detailliert dokumentiert, wie es manchmal erforderlich wäre.

Nach dem ersten Härtetest durch Bela Kumar wird Richard Spiller aktiv. Der ist selbst versierter PD-Autor und setzt sich ausführlich mit allen Funktionen der Software auseinander. "Richards kritischem Auge entgeht fast nichts", lobt Schultheis seinen Intensivtester.

Herz und Nieren

Nach erfolgreich durchlaufener Kontrolle stellt Richard Spiller die Programme zu Disketten zusammen und achtet darauf, Themenbereiche zu berücksichtigen. Utilities, Spiele und Hauptanwendungen sind die groben Raster.

Ist genug Material für eine Diskette zusammen, kommt die Abschlußkontrolle: Jede Masterdisk wird auf Herz und Nieren geprüft. Wie steht's mit der Lauffähigkeit, sind alle Ordner korrekt zusammmengestellt? Wurde kein RCS oder Info-File vergessen und befinden sie sich im richtigen Verzeichnis? Hat sich vielleicht irgendein Virus eingeschlichen? Erst danach gehen die neuen Disks in den Vertrieb. Die Vorlagen werden für jeden der 35 Händler kopiert und landen noch am gleichen Tag bei der Post.

Bela Kumar, der gute Geist vom PD-Pool

Die aufwendigen Tests haben durchaus ihre Berechtigung: "Unsere Kunden stellen an PD-Disketten ähnliche Ansprüche wie an kommerzielle Produkte. Software-Support beispielsweise wird stillschweigend vorausgesetzt. Unsere Händler erhalten körbeweise Anfragen zu den Programmen. Die meisten Probleme stellen sich als simple Bedienungsfehler heraus. Seltener sind es Unverträglichkeiten mit exotischen Systemkonfigurationen."

Deshalb arbeiteten die Darmstädter Pool-Mitarbeiter besonders sorgsam an jeder Masterdisk. "Wie lange, können wir manchmal kaum feststellen." meint Richard Spiller: "Im wesentlichen hängt es davon ab, wie komplex die Programme sind."

Bei Tools und Utilities geht's mitunter schnell. Die testet er an einem Nachmittag. Große Programme, mit versteckten Funktionen oder Software, die bestimmte Peripheriegeräte steuert, halten ihn länger auf-"Nicht immer habe ich die entsprechende Hardware griffbereit."

Machmal werden Programme regelrecht auf Halde gelagert. Da alle Disketten bis aufs letzte Byte bespielt sind, steht nicht immer genug Material für einen Themenbereich zur Verfügung. "Dann dauert's schon mal zwei oder drei Monate, bis wir ausliefern."

Dafür, daß es manchmal auch schneller gehen muß, sorgt allein schon die Konkurrenz unter den PD-Anbietern. Schultheis weiß, daß hier zuweilen mit "harten Bandagen gefochten wird."

Das zeigt sich, wenn PD-Händler außerhalb des Pools sich den hohen Bekanntheitsgrad der Darmstädter Disketten zunutze machen. Einige werben ganz ungeniert mit Texten aus der PD-Szene, für legale Übernahmen aus der Pool-Serie. Trotz geringer Verwaltungskosten - ist auch für sie kein großes Geschäft mit Software im öffentlichen Besitz (Public Domain) zu machen.

Das verspricht sich mancher allerdings durch Folgegeschäfte. Ein PD-Anbieter aus Nordrhein-Westfalen hat sie fest im Kalkül: "Unsere Kunden fragen nach PD-Software und gehen mit einer Maus nach Hause. " (mn)


Detlef Fabian
Aus: ST-Magazin 01 / 1992, Seite 20

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