Editorial: Wer wagt, gewinnt!

Softwarekauf ist Vertrauenssache — oder soll man lieber sagen Glückssache? Während die Hardware — vom Bügeleisen bis zum Computer — eine halbwegs überschaubare Anzahl von Funktionen bietet, die man in der Regel auch überprüfen und ausprobieren kann, sieht es bei Computerprogrammen meist ganz anders aus: Die »weiche« Ware bietet unverhältnismäßig mehr Funktionen und somit auch mehr potentielle Schwachpunkte. Es fangt damit an, daß angepriesene Features nicht wie erhofft arbeiten und endet damit, daß sich das Programm mit den verfügbaren Geräten nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen läßt. Besonderes Sorgenkind ist die Dokumentation, die sich nicht selten als fotokopierte Insider-Information präsentiert. Doch das ist ein anderes Thema.

Ein Glückspilz, wer einen Anbieter findet, bei dem er die anvisierte Software länger als 10 Minuten ausprobieren kann und darüber hinaus einen kompetenten Ansprechpartner hat. Selbst dann ist man vor Überraschungen noch nicht sicher.

Leider stellt sich die individuelle Praxistauglichkeit oft erst nach mehrwöchigem Einsatz heraus, dann jedoch ist eine Rücknahme für gewöhnlich ausgeschlossen. Sehr ärgerlich auch, wenn Programmierfehler die Freude trüben. Gibt es Updates und was kosten sie? Mancher Anbieter scheint sein Hauptgeschäft mit Fehlerbeseitigung machen zu wollen!

Eigentlich wäre ein Umdenkprozeß hinsichtlich »Prüfe-vor-dem-Kauf« nötig. Guter Wille ist immerhin vorhanden: So beginnen im DOS-Bereich bereits einige Firmen, ihren Kunden ein grundsätzliches Rückgaberecht einzuräumen. Als Kompromiß bieten sich updatefähige »light«-Versionen an. Am anwenderfreundlichsten jedoch präsentieren sich immer noch Public Domain und Shareware. Die Autoren nehmen sich nicht nur Problemen an, die anderen zu unwichtig sind, sondern die Programme sind preisgünstig und können vor dem Kauf nach Belieben getestet werden. Auch wenn die Shareware-Anbieter mit der Zahlungsmoral des deutschen Anwenders im Vergleich zum US-Markt noch keineswegs zufrieden sein können, scheint mir dies der richtige Weg — durchaus auch für komplexere Software.

Ab dieser Ausgabe verstärke ich das Team der ST-Magazin-Redaktion und werde mich schwerpunktmäßig um PD-Software und Shareware kümmern: Das hohe Niveau und die Bandbreite dieser Programme verdienen größere Beachtung.

Ihr


Thorsten Luhm
Aus: ST-Magazin 07 / 1992, Seite 3

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