Magix - Der Softwarejongleur

An Multitasking kommt keiner vorbei: Atari arbeitet mit Hochdruck am »MultiTOS«, »Magix« von BELA gibt's schon jetzt.

Im Computermarkt erfahren Rechnersysteme, die nicht mit Multitasking-Fähigkeiten aufwarten, mittlerweile kaum noch Akzeptanz. Was versteht man unter Multitasking? Wenn Sie in einen leistungsfähigen Computer wie dem Atari ST einen Text eingeben, oder Ihr Rechner gerade auf eine Eingabe wartet, ist er eigentlich unterfordert. Wie patent, würde er Phasen geringer Auslastung dazu verwenden, beispielsweise Ihr CAD-Programm eine technische Zeichnung berechnen zu lassen! Ein multitaskingfähiges Betriebssystem erfüllt Ihnen diesen Wunsch durch schnelles Umschalten zwischen gleichzeitig laufenden Prozessen. Erst damit können Sie richtig nutzen, was in Ihrem Computer steckt.

Auch Atari hat das Gebot der Stunde erkannt. Derzeit arbeitet man in Sunnyvale unter Volldampf am MultiTOS. Dieses neue Betriebssystem wird auf allen Atari ST- und TT-Computern laufen. Wie zu erfahren war, soll aber MultiTOS auf 68030-Computern sogar den Schutz von Speicherblöcken vor dem Zugriff anderer Programme beherrschen. Weil die Programmierung solcher Fähigkeiten alles andere als trivial ist, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen, bis MultiTOS und Ihr Atari harmonieren. Wollen Sie dagegen schon jetzt von den Vorteilen eines Multitasking-Betriebssystems profitieren, könnte »Magix« für Sie der richtige Tip sein. Dieses von »Bela« vertriebene Software-Paket läuft auf allen Atari-Rechnern mit dem MC68000. Eine Version für den TT befindet sich in Vorbereitung.

Das Installationsprogramm von Magix erleichtert den Einstieg ins Multitasking

Zusammenarbeit gefragt

Magix bietet »kooperatives« Multitasking. Das heißt, daß das Umschalten zwischen verschiedenen Prozessen nur geschieht, wenn diese Betriebssystem-, genauer, AES-Aufrufe tätigen. Dieses Konzept erinnert zu Recht an die Methode, mit der schon bei den bisherigen GEM-Versionen Accessories quasi parallel zur Hauptanwendung ablaufen konnten. Vorteile dieser Vorgehensweise gegenüber einem, von Betriebssystemaufrufen unabhängigen, Prozeß-Switching — in der Fachwelt preemptives Multitasking genannt — sind die zu erwartende hohe Kompatibilität mit bestehenden Programmen und die resultierende hohe Arbeitsgeschwindigkeit. Schließlich erfordert diese Art von Multitasking weit weniger Aufwand beim Sichern der Prozeßumgebung, zu der unter anderem die Registerinhalte des Prozessors gehören.

Um auf unser Eingangsbeispiel zurückzukommen: Unter Magix müssen sowohl Ihr Textprogramm als auch Ihre CAD-Anwendung periodisch AES-Aufrufe absetzen, damit der jeweils andere Prozeß zum Zuge kommt. »Saubere« GEM-Programme tun dies aber sowieso, weil andernfalls Accessories blockiert wären.

Das Magix-Paket besteht aus dem 80seitigen Handbuch, einer Diskette und der Registrierkarte. Als Hülle dient ein Schuber aus Karton — zwar nicht so stabil wie Plastik, dafür aber umweltfreundlicher.

Einfache Installation

Um das System betriebsfertig auf Ihrer Festplatte, oder zur Not einer Diskette, einzurichten, starten Sie einfach das Installationsprogramm.

Hier müssen Sie Ihre Adresse und die auf dem Magix-Diskettenetikett aufgedruckte Seriennummer eingeben. Nun können Sie entscheiden, aus welchen Verzeichnissen beim Booten von Magix Programme und Accessories aufgerufen werden. All diese Applikationen laufen dann parallel. Darüber hinaus können Sie, wie seit TOS 1.04 üblich, einem Programm den Autostart-Status geben.

Ist die Installation abgeschlossen, genügt es, einen Reset auzulösen, um Magix zu aktivieren, da sich im AUTO-Ordner Ihres Bootlaufwerks nun das Start Programm befindet. Nach kurzer Zeit erscheint »Magx-desk«, der Standard-Desktop des Multitasking-Systems. Schon beim Öffnen des ersten Fensters zeigt sich, daß hier nicht das altbekannte TOS am Werk ist. Es weist ein neues Element auf, das nahe der rechten oberen Ecke plaziert ist. Durch einen Mausklick auf dieses Feld können Sie bei mehreren Fenstern das vordere in den Hintergrund schicken.

Magix läßt sich auch während des Betriebs in weiten Grenzen konfigurieren

Bei der, gegenüber dem herkömmlichen GEM, auf fünfzehn erhöhten Obergrenze geöffneter Fenster stellt dies eine Vereinfachung der Bedienung dar, da Sie, um an ein verdecktes Fenster zu gelangen, etliche Positionierschritte einsparen können. Sobald mehr als ein Fenster auf dem Bildschirm ist, kann jedes davon jederzeit verschoben und in der Größe verändert werden, ohne zuvor »getoppt« werden zu müssen. Bei einem kurzen Mausklick auf ein Fenster wird es zum obersten.

Magxdesk läßt keine wesentlichen Funktionen vermissen gegenüber dem ursprünglichen Atari-Desktop der TOS l.x-Version, nur bietet er per Tastatur bedienbare Menüfunktionen. Kennern der Szene wird die Ähnlichkeit mit »Kaosdesk« auffallen, in dem das Programm tatsächlich seinen Ursprung hat — wie auch Magix selbst z. T. auf Kaos basiert. Zu den wichtigsten Konfigurationseinstellungen gehört, ob Magxdesk beim Starten von Programmen im Normallfall resident im Speicher bleibt. Ist das der Fall, laufen aufgerufene Applikationen parallel — also im Multitaskingbetrieb — ab. Entscheiden Sie sich für das Gegenteil, wird Magxdesk beim Start von Programmen verlassen, und diese arbeiten in der »single tasking«-Betriebsart.

Alle beim Programmaufruf aktiven Applikationen und Accessories werden in diesem Fall unverzüglich eingefroren, und Magix schließt deren Fenster. Nach der Rückkehr werden die unterbrochenen Programme wieder in den vorherigen Zustand versetzt. Nur angehaltene Accessories können in der aktuellen Magix-Version nicht wiederbelebt werden.

Besitzen Sie noch viel unsauber programmierte Software, die auf die Alleinherrschaft über die Ressourcen Ihres Rechners pocht, kann letztere Konfiguration sinnvoll sein. Wenn Sie beim Starten von Programmen die Alternate-Taste gedrückt halten, wird die jeweils andere Betriebsart aktiviert, so daß häufiges Ändern der Standardeinstellung unnötig ist.

Falls Sie nicht sicher sind, welche Ihrer Programme multitaskingfähig sind, greifen Sie zu den mitgelieferten Applikationen, um sich ein erstes Bild vom Umgang mit Magix zu machen. Die AES-Lupe von Laurenz Prüßner stellt im Fenster Bildschirmausschnitte in verschiedenen Vergrößerungsstufen dar. Das zweite Programm ist eine kombinierte Analog-/ Digital-Uhr von Stefan Hintz. Beide laufen selbstverständlich auch unter normalen TOS-Versionen und lassen sich dazu als Accessories booten.

Der Beweis: Mehrere Programme laufen parallel, ohne sich gegenseitig zu behindern.

System-Handling

Bei Klick auf eine freie Stelle in der Menüleiste erscheint ein Popup-Menü. Die oberen Einträge enthalten die Namen der momentan geladenen Programme. Hierdurch können Sie — analog zu dem Klick auf das Fenster eines Programms — eine der Anwendungen selektieren,-worauf deren Menüleiste aktiviert wird. Unter »Laden« verbirgt sich eine Funktion zum parallelen Start von Programmen. Mit der Funktion »Aufräumen« hilft Ihnen Magix bei der Beseitigung von Pixel-Müll auf dem Bildschirm, den unsaubere Applikationen verursachen.

Wählen Sie sie an, wird die gesamte Bildschirmdarstellung erneuert. Der letzte Menüpunkt zeigt den momentan noch unbenutzten Speicherplatz Ihres Rechners an. Sie sollten ab und zu einen Blick auf ihn werfen. Denn immer noch gibt es Programme, die den gesamten Speicherplatz für sich behalten, auch wenn ein Bruchteil genügen würde. Sie erkennen diese schwarzen Schafe daran, daß die Speicherplatzangabe direkt nach dem Aufruf der Applikation gleich oder nahe Null ist, falls sie nicht schon vorher Knappheit signalisierte. Meistens können Sie dann keine weiteren Programme zur parallelen Ausführung zuladen. Um z.B. »Ist Word-Plus«, das leider zu dieser Kategorie zählt, dennoch Multitasking-verträglich anzuwenden, ist das mitgelieferte Tool »LIMIT-MEM« nötig. Es gaukelt dem Programm einen verringerten Wert für den freien Speicher vor. Diesen Wert können Sie festlegen.

Erfreulich: Der ST legt unter Magix sogar noch einen Zahn zu!

Liebe zum Detail

Viele Verbesserungen, die nicht unmittelbar mit Multitasking zu tun haben, jedoch die tägliche Arbeit am Computer angenehmer gestalten, haben die Entwickler eingebaut. Dazu rechnen wir die erweiterten Editierfunktionen in normalen GEM-Dialogboxen. Nun können Sie durch Tastenkombinationen zwischen dem Einfüge-und Uberschreibmodus — ganz wie in Textverarbeitungen — wählen und erhalten Blockfunktionen. Einige Sondertasten lösen die Selektierung zugeordneter Buttons aus, wie »HELP« den Hilfe- bzw. »Help«-Button aktiviert. Die Alertboxen und die Dateiauswahlbox sind auf dem Bildschirm verschiebbar und können per Tastatur bedient werden. Die Größe des Systemzeichensatzes, der z.B. in Menüs, Dialogboxen und Fensterelementen Verwendung findet, ist unter Magix konfigurierbar. So können Sie bei der Angabe einer kleinen Punktgröße in der Info-Datei (ähnlich dem »DESKTOP. INF«) für mehr Informationsgehalt auf dem Bildschirm sorgen.

Pop-up: leichter Programmwechsel

Experten gibt der Programm-Manager von Magix Aufschluß über die Vorgänge in ihrem Rechner. Beim Aufruf durch eine Tastenkombination werden alle Prozesse mit Informationen über deren Status, Handles und Speicherverbrauch aufgelistet. Dadurch können Sie einige typische Problemsituationen erkennen und beheben. Denn hier spielen Sie Betriebssystem, mit der Möglichkeit des Einfrierens und erneuten Startens von Programmen, sowie vielem mehr.

Sind Sie der Programmiersprache »C« mächtig, können Sie die mitgelieferte Library nutzen, die Ihnen Zugang zu den Magix-Sonder-funktionen schafft. Diese Funktionssammlung enthält alle gegenüber dem herkömmlichen TOS neuen Routinen. Darunter sind PC-GEM 2.0-Funktionen — eine Erleichterung bei der Portierung von Programmen auf den Atari. Alle neuen Features und deren Ausnutzung mit der Library werden im Handbuch verständlich erklärt. Dazu kommen wichtige Programmiertips.

Bisher ist der im Lieferumfang enthaltene Desktop Magxdesk die einzige erhältliche Shell, die Programme unter Magix parallel starten kann. Bevor nun GEMINI-Fans enttäuscht abwinken: Es gibt ein Zusatzprogramm, das der multifunktionalen Shell diese Fähigkeit verleiht. Der Programmierer ist Oliver Scheel. »GMNI-MAGX« ist Freeware. Es steht für Sie in der Mailbox MAUS Köln zum Abruf bereit. Achtung, OverScan-Benutzer: Sie benötigen eine neue Version des Treibers. Diese sollte mit Erscheinen dieses Berichts fertiggestellt sein.

In unserem Test verarbeitete Magix ordentlich programmierte Applikationen ohne Murren parallel.

Die Umschaltung in den Singletasking-Modus machte schließlich auch den Betrieb der meisten mit unsauberen Methoden arbeitenden Programme möglich. Eine Testversion des »Timeworks Publisher II« versagte allerdings leider den Dienst.

Beeindruckend war die Geschwindigkeit, mit der bei mehrfacher Belastung des Prozessors die Programme tadellos liefen. Hier zahlte sich die Assembler-Erfahrung der Programmierer aus. In Verbindung mit NVDI wird die Bildschirmausgabe sogar noch erheblich beschleunigt.

Viel fürs Geld

Wenn Sie Multitasking jetzt kennenlernen und anwenden möchten, ist Magix ein guter Kauf. Betriebssicherheit und Geschwindigkeitssteigerung beim Ablauf von Programmen sind weitere gewichtige Gründe für die Anschaffung. Während bisher vieles gegen von Atari nicht autorisierte TOS-Derivate sprach, überzeugt Magix erstmals in Kompatibilität und Leistungszuwachs. Bei einem Preis von knapp 150 Mark fallt Ihnen der Einstieg in die Computerwelt von morgen nicht allzu schwer, (uw)

WERTUNG

MAGIX

Preis: 149 Mark

Hersteller: BELA

Stärken: hohe Geschwindigkeit, hohe Kompatibilität im Single-Modus

Einschränkung: Multitasking nur für GEM-Programme

Fazit: empfehlenswert zur besseren Auslastung Ihres ST

BELA Computer GmbH, Schwalbacher Str. 20, 6236 Eschborn


Patrick G. Dubbrow
Aus: ST-Magazin 07 / 1992, Seite 48

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite