Digitale Fotografie: Visueller Pixelrausch

Der altvertraute Scanner hat Konkurrenz bekommen: Digitale Kameras sind kinderleicht zu bedienen und sparen eine Menge Zeit.

Fotoman: Fotoapparat in ungewohntem Design

Wenn Sie bisher Fotografien in Ihre Dissertationen, Hauszeitungen, Prospekte oder sonstigen Dokumente einbinden wollten, mußten Sie den mühsamen Umweg über den Scanner nehmen, um ohne Schere und Klebstoff auszukommen. »Trade it« bietet nun mit Logitechs »Fotoman« und der Software »Scan it« eine konsequente Umsetzung digitaler Fotografie. Anders als bei der »Canon Ion«, die technisch mit einer Videokamera vergleichbar ist, benötigt man für Fotoman keinen zusätzlichen Digitizer.

Auch vor »krummen« Drehwinkeln kapituliert Scan it nicht

Fotoman speichert intern — also ohne Minidiskette — 32 Bilder mit 256 Graustufen, die anschließend über die serielle Schnittstelle in den Computer übertragen werden. Die Handhabung des Fotoman ist kinderleicht, da er sich aus fotografischer Sicht — leider — auf dem Niveau einer Pocketkamera befindet: keine Entfernungseinstellung (8,5-mm-Fixfocus, ab 1 m alles scharf), feste Brennweite, keine Beeinflussung oder Anzeige der Belichtungsdaten während der Aufnahme, Blitzzuschaltung ohne Vorwarnung (Leitzahl 27 bei 24 DIN, Reichweite etwa 3 m). Außerdem vermißt man ein Bildzählwerk (bei den letzten Bildern gibt die Kamera nur akustische Signale) oder eine Kontrolle für den eingebauten Akkumulator, denn mit dem Strom schwinden auch die Bilder!

Die ungewöhnliche Form liegt unerwartet gut in der Hand und läßt sich von Links- wie Rechtshändern gleichermaßen bequem bedienen. Darüber hinaus ist sie sehr leise, da weder ein Spiegel bewegt, noch Film transportiert werden muß. Mit 284 Gramm ist sie außerdem ein transportables Leichtgewicht. Die Optik bietet eine Lichtstärke von 1:4,5, wobei Belichtungszeiten zwischen 1/30 und 1/1000 s möglich sind. Die Lichtempfindlichkeit entspricht 24 DIN und läßt sich über einen mitgelieferten Graufilter auf 15 DIN reduzieren (was sich vor allem für Blitzaufnahmen im Nahbereich empfiehlt). Wer die gute Bildqualität normaler Videokameras auch bei geringem Licht bewundert, wird also in diesem Punkt von dem digitalen Zwerg enttäuscht.

32 Fotos

Nach 32 Aufnahmen sucht Fotoman dringend Anschluß an einen Computer, denn nach spätestens 36 Stunden ist der eingebaute Akkumulator erschöpft. Über das mitgelieferte Zubehör (kombinierter Akkulader und Datenadapter) wird die Verbindung hergestellt. Softwareseitig wird dazu ein GDPS-Treiber installiert, der leider auch einen Accessoryslot benötigt, ohne daß man die Vorzüge eines Accessorys genießen könnte. Mit diesem Treiber können Sie aus Scan it — oder anderen Programmen — die digitalen Bilder auf den Bildschirm zaubern. Bei korrekter Einstellung der Übertragungsparameter (9600, 8N1) bekommen Sie zunächst in verringerter Auflösung eine Übersicht aller gespeicherter Bilder. Durch Mausklick und »OK« ziehen Sie die kompletten Daten in den Rechner, was pro Aufnahme momentan etwa zwei Minuten dauert. Da kameraseitig mehr möglich ist, hat Trade it aber Besserung versprochen.

Ein Originalausdruck
Scan it: komfortable Oberfläche
Das umfangreiche Druckmenü

Nachbehandlung

Mit der Übertragung der Bilder wäre die wichtigste Aufgabe erledigt, denn erst auf Diskette sind sie dauerhaft gespeichert. Scan it unterstützt TIF, GIF, EMS, IMG, IFF und die speziellen Atari-Formate, so daß die Bilder in bestmöglicher Qualität gesichert und weiterbearbeitet werden können. Dazu bietet das Programm neben Standardfunktionen wie Spiegeln, stufenloses Drehen oder Vergrößern und Verkleinern auch komplexe Filter und Umrechnungsfunktionen: Korrektur der Gamma-Kurve getrennt nach Farben, Umwandlung von Farbe nach grau oder monochrom und jeweils umgekehrt, Filter zum Aufhellen/Abdunkeln, Schärfen/ Weichzeichnen usw. Alle Funktionen lassen sich dabei über einen Schieberegler in der Ausprägung zwischen 1 und 100 Prozent einstellen. Helligkeit und Kontrast besitzen ebenfalls eigene Regler. Je nach gewünschter Operation wird das Original direkt umgewandelt oder das Ergebnis in einem neuen Fenster angezeigt, was bei großen Bildern schnell zu Speicherplatzproblemen führen kann. Da die Originalgröße gedruckt es nur auf etwa 2,4 x 3,2 cm bringt, ist ein Zoomen meist unumgänglich. Im Versuch scheiterte beispielsweise auf einem »leeren« Mega 4 das Vergrößern um 500 Prozent an RAM-Mangel. Leider lassen sich zeitaufwendige Berechnungen nicht abbrechen und ein Undo vermißt man vor allem bei Aktionen, die die Ausgangsdaten direkt verändern. Die Bildschirmausgabe läßt sich wahlweise nach Floyd-Steinberg, Punktraster oder Ordered Dither u. a. darstellen. Dabei können Sie außerdem zwischen einer zu allen Atari kompatiblen und einer »individuell« angepaßten, damit schnelleren Ausgaberoutine wählen.

Bei vielen Aktionen ist trotzdem eine gehörige Portion Geduld gefragt: so bewegen sich nahezu alle Aktionen auf einem normalen ST zeitlich im Minutenbereich, so daß sich erhöhte Rechenpower schnell bezahlt macht: vergrößern um 281 Prozent (ein Fotoman-Original auf zweispaltige Größe bringen) benötigt auf einem 8-MHz-Atari V 35 ", auf dem TT dagegen nur 20 " (’ = Minuten, " = Sekunden). Der Falcon 030 ist in der Emulation für hohe Auflösung mit 35 " dabei und benötigt im 256-Farben-Modus — es wird dann das Halbtonbild angezeigt — auch nur ca. 50". Daneben ist das Programm außerdem für Farbbilder geeignet. Die Steuerung des Programmes erfolgt hauptsächlich über Icons hinter denen sich z. T. weitere Menüs verbergen.

Qual der Wahl

Sehr angenehm, daß sich die Funktionen der Menüleiste alternativ auch mit der rechten Maustaste Pop-up-mäßig aktivieren lassen.

Die Druckroutine läßt die Wahl zwischen Direktausgabe über HP Deskjet 500 c oder per GDOS — sofern man den richtigen Treiber hat. Wichtigster Menüpunkt dürfte der Bereich »Rastertyp« sein, in dem wie beim Bildschirm die gebräuchlichsten Aufbereitungsformen aufgeführt sind: Floyd-Steinberg, 45-Grad-Punkt, Ordered Dither, Bayer oder Spiral. Leider können Sie nur zwischen zwei verschiedenen Rastergrößen wählen, so daß nicht immer ein optimales Ergebnis zu erwarten ist. Und die Sache hat noch einen anderen Haken: Während laut Anbieter auf einem Original HP500c keine Probleme auftreten, ist eine Emulation auf einem Laserdrucker nervenzerfetzend langsam: Bei Ordered Dither benötigt der HP-Treiber 20 Minuten, das 45-Grad-Raster nimmt den Drucker sogar eine volle Stunde in Beschlag. Diese Zeitverschwendung ist wahrscheinlich in der Emulation selbst begründet, denn dieselbe Grafik exportiert und mit Calamus gedruckt benötigt nur 20 Sekunden, längstens einige Minuten.

Zoom arbeitet auch unproportional

Die umfangreichen Funktionen der Software dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Ausgangsmaterial mit 376 x 240 Pixel verhältnismäßig schwach ist. Die Kamera ist zwar computertechnisch faszinierend, bietet aber aus fotografischer Sicht nicht gerade berauschende Qualität. Nahezu alle Bilder müssen deshalb nachbearbeitet werden. Dabei darf man nicht vergessen, daß praktisch jede Änderung einen Informationsverlust oder wenigstens eine -Verwässerung bedeutet: beim Vergrößern werden Pixel durch Interpolieren »hinzugedichtet«, beim Schärfen andere wiederum eliminiert. Geht man dabei behutsam vor, läßt sich durchaus eine (subjektive) Bildverbesserung erreichen, kapitale Fehler lassen sich dagegen kaum beseitigen. Es ist zu hoffen, daß Logitech sich dazu entschließt, zumindest den konventionellen Teil der Kameratechnik deutlich zu verbessern (Optik, Beeinflussungs-/Kontrollmöglichkeiten). Zwar gibt es bereits Systeme, die durchaus professionellen Ansprüchen genügen, diese sind dann aber für den Privatanwender praktisch unerschwinglich.

Bilddarstellung als Ordered Dither...
... und als grobes Raster

Trotz der angesprochenen Nachteile bietet Fotoman gegenüber einem Scanner bequemere Handhabung und schnellere Möglichkeit zur Weiterbearbeitung: Kamera unmittelbar nach der Aufnahme in den Adapter stellen und die Bilder innerhalb weniger Minuten in das Schriftstück integrieren. Die Wartezeit auf den fertigen Film, die anfallenden Kosten und das aufwendige Scannen entfallen. Hat man die entsprechende Software, kann man im »elektronischen Fotolabor« noch kreativ tätig werden und viele Bearbeitungsmöglichkeiten bzw. Verfremdungstechniken der konventionellen Fotografie nachahmen. Scan it arbeitet anstandslos auf dem normalen ST wie auch TT und dem Falcon 030. Im Gegensatz zur bunten Canon Ion liefert der Fotoman nur Schwarzweißbilder mit 256 Graustufen. Das dürfte allerdings für den engagierten Computernutzer und Minipublizisten vollkommen ausreichen. Die Canon ist nicht nur in der Anschaffung teurer, sondern erfordert zusätzlich Videodigitizer und passende Software.

Das Paket unterstützt also nicht nur Superrechner, sondern arbeitet auch brav auf dem normalen Mega ST mit 8 MHz und wird dabei der Aufgabe als »Scannen-Utility in Verbindung mit Fotoman vollauf gerecht. Das Gespann von Trade it ermöglicht schnelle und einfache Bildeinbindung auf dem Computer. (thl)

WERTUNG

Fotoman

Stärken: mobil, einfache Handhabung, schnelle Weiterbearbeitung möglich; Software läuft auf allen Atari
Schwächen: Kamera sehr einfach, teuer; Druckroutine verträgt sich nicht mit HP-Emulation
Preis: 1698 Mark

Trade it, Arheilger Weg 6,6101 Roßdorf


Thorsten Luhm
Aus: ST-Magazin 01 / 1993, Seite 54

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