Hobbyfilmer: Digitalisierungsmodul Video Master

Eigene Filme auf dem ST? Ein Digitalisierungsmodul für Bild und Ton soll das über den ROM-Port möglich machen.

Unter der verheißungsvollen Bezeichnung »Video Master« bietet die englische Firma Microdeal dem Video-Freak ein Digitalisierungspaket für ST und Falcon. Digitalisieren heißt in diesem Zusammenhang: analog vorliegende Audio-und Videosignale — vom Fernseher oder Videorekorder — in digitale Form umsetzen, damit sie auf dem Computer verwertbar sind. Das Paket umfaßt ein entsprechendes ROM-Port-Modul, die Diskette mit den notwendigen Programmen sowie ein englisches Handbuch.

Anschluß gesucht

Nach dem Auspacken kommt die Ernüchterung: es fehlt das notwendige Verbindungskabel zwischen Videoquelle und ROM-Modul. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob es wirklich so viele unterschiedliche Steckernormen auf diesem Gebiet gibt, daß es gerechtfertigt ist, ganz auf Anschlußkabel zu verzichten. Wer eine Videokamera besitzt, benötigt in der Regel zwei Cinch-Kabel, für Fernseher ist der Euro-AV-Anschluß inzwischen Standard. Finden Sie das notwendige Kabel nicht im Fachhandel, können Sie es mit ein wenig Löterfahrung auch selbst basteln (ca. 10 Mark). Dazu müssen lediglich die Pins 19 (Video FBAS) und 3 (Audio mono) der AV-Buchse mit den Cinch-Eingängen des Moduls verbunden werden.

Ist das Anschlußproblem gelöst, kann es endlich losgehen — vorausgesetzt, Sie haben einen Farbmonitor angeschlossen. Anschließend erwartet Sie eine Oberfläche, die nicht GEM-konform, aber trotzdem einfach zu bedienen ist. Auf Ihrem Regiepult finden Sie Schalttafeln zu den Bereichen »Video«, »Audio«, »Sequenzen« und »System«. Standardmäßig ist der Videobereich aktiviert. Um ein Fernsehbild auf den Monitor zu zaubern, müssen Sie den »watch«-Knopf drücken. Das eingespeiste Videosignal wird fast verzögerungsfrei in einem Fenster aufbereitet. Allerdings ist es nicht farbig und nutzt nur % des Bildschirms. Diese Funktion speichert keine Bilder, sondern dient der Justierung von Helligkeit und Kontrast am Modul.

Das Video-Master-Modul digitalisiert Bild und Ton
Nicht GEM-konform, aber praktisch: Oberfläche von Video Master

Wenn Sie Filmszenen speichern möchten, müssen Sie sich zuerst für die Samplingrate entscheiden: Zwischen 25 Bilder pro Sekunde (Falcon: 30) und beliebig langen Zeitintervallen können Sie wählen. Es lassen sich auch Zeitrafferaufnahmen über mehrere Stunden machen oder Schnappschüsse manuell per Tastatur oder Joystick auslösen.

Je höher die Abtastrate, desto besser die Bildqualität — und desto größer ist natürlich auch der Speicherhunger. Da jedes Bild 8 kByte benötigt, verbraucht jede Sekunde in Filmqualität 200 kByte; begnügen Sie sich dagegen mit 8 Bilder/s, reichen 64 kByte. Ein einminütiger Film mit Stummfilmcharakter bringt es somit auf stolze 3840 kByte. — Sie sehen, das Vergnügen hat seine Grenzen. Aufgezeichnete Bildfolgen lassen sich über einen Slider vor- und rückwärts ansehen sowie als Folge oder einzeln speichern. Im Untermenü »Edit« können Bilder eingefügt, gelöscht oder umgestellt werden.

Zweiter Schwerpunkt des Programms ist das Aufzeichnen von Tönen mit dem »Au-dio«-Panel. Hier beträgt die maximale Abtastrate 16 kHz, was für wiedererkennbare Stimmen gerade ausreicht. Wie schon im Videobereich, zwingt auch hier der knappe Speicherplatz zu weiteren Kompromissen: 16 kHz benötigen 16 kByte pro Sekunde, während die halbe Samplingrate mit entsprechend weniger RAM auskommt. Der Speicher von 3840 kByte reicht also für vier Minuten Spielzeit Ihrer Siliziumkassette. Aufgezeichnete Töne lassen sich jederzeit wieder abspielen. Mit Hilfe von zwei Markern läßt sich ein Ausschnitt markieren oder per Maus direkt ansteuern. Darüber hinaus lassen sich Stücke ein- und ausblenden. Leider haben Sie keinen Einfluß auf die Charakteristik des Faders. Darüber hinaus können Sie die Lautstärke in gewissen Grenzen verändern.

Wollen Sie Bild und Ton gleichzeitig aufzeichnen, benötigen Sie sehr viel RAM-Speicher. Unter »System« können Sie den zur Verfügung stehenden Platz für Video- und Audiodaten aufteilen. Leider gibt es keinen Rechner, der das aufgrund der eingestellten Samplingraten selbständig optimal macht. Sie sollten sich also einen Taschenrechner und ein Konzept bereitlegen. Mit den Schaltern »Rec. Film« und »Play Film« steht ein einfacher Videorecorder zur Verfügung. Bild- und Tonaufzeichnung werden gleichzeitig gestartet bzw. abgespielt. Leider gibt es während der Aufnahme keine Kontrolle über das Geschehen, sofern Sie Ihren Fernseher nicht parallel einschalten.

Standbild

Das Bedienungspanel »Sequenz« dient der Bearbeitung einzelner Szenen. Neu aufgenommene oder fertige Clips lassen sich auf bis zu 24 Tasten legen und anschließend in einer Art Drehbuch arrangieren. Einzelne Szenen können anschließend jederzeit eingefügt oder gelöscht werden. Das 70seitige Handbuch geht ausführlich auf diese Möglichkeiten ein, weist auf das Speicherplatzproblem hin und gibt Tips, wo man ein paar Byte sparen kann. Sind alle Szenen im »Kasten«, können Sie sich mit »Vidiplay« eine Filmdisk anlegen. Damit lassen sich, ohne Hauptprogramm, eigene Filme abspielen. Außerdem bietet eine Steuerdatei weiteren Spielraum für Kreativität: es können nicht nur Clips abgespielt und kombiniert, sondern zusätzlich einzelne Bilder an verschiedenen Positionen eingeblendet werden.

Möchten Sie weniger Sequenzen als einzelne Bilder »einfangen«, verwenden Sie besser den »Full-Screen«-Modus. Die Bilder haben dann mit 320 x 200 Pixel nicht nur eine höhere Auflösung, sondern stehen wahlweise mit 16 Graustufen oder maximal 512 Farben zur Verfügung (Falcon: 4096). Die Qualität hat natürlich Ihren Preis: die Digitalisierung kann nicht mehr aus dem laufenden Bild heraus geschehen, sondern es muß mehrere Sekunden vollkommen Stillstehen, da die drei Grundfarben — rot, grün, blau — in drei Durchgängen verarbeitet werden. Das dazu notwendige zitterfreie Standbild schaffen nur wenige Videorekorder und die darauf getrimmte »Canon Ion«. Gezielt angewandt, können die daraus resultierenden Verwischungseffekte allerdings auch reizvoll sein. Nach dem Speichern lassen sich die Bilder in Malprogrammen natürlich weiterbearbeiten.

Anschlußbelegung nach DIN 45322
Euro-AV-Buchse für Fernseher und Videorekorder

Wenn Bild und Ton auf dem Computer kombiniert werden, sprechen die Hersteller gern von »Multimedia«. Doch die Möglichkeiten dieses kleinen Moduls sind beschränkt: Der Kompromiß zwischen Bild- bzw. Tonqualität und Speicheranspruch erlaubt lediglich Experimente in engen Grenzen. In Sachen Audiodigitalisierung ist der Falcon mit seinen 50 kHz serienmäßig dem Modul haushoch überlegen. Die Vollbilddigitalisierung erzielt passable Ergebnisse, während der schnelle Modus wirklich nur in bewegten Bildfolgen akzeptabel ist. Je nach Anwendungsgebiet sollte man deshalb zur Bildbearbeitung eventuell auch Scanner in Betracht ziehen [1]. Die Falcon-Version nutzt die speziellen Fähigkeiten von Ataris neuem Flaggschiff nur bedingt aus und stürzt bei der Speicherkonfiguration sogar ab.

Dieses Set eignet sich zum preiswerten Einstieg in die Audio-Video-Digitalisierung, zumal zwei bisher getrennte Geräte sinnvoll kombiniert wurden, (thl)

[1] siehe ST-Magazin 1/93, 48 ff

WERTUNG

Video Master

Stärke: kombiniert Audio-und Videodigitalisierung; leichte Handhabung
Schwäche: Anschlußkabel fehlen, z.T. Fehler beim Speichern
Fazit: für Einsteiger der Digitalisierung
Preis: ca. 200 Mark

Microdeal, PO Box 68, St. Austell, Cornwall PL25 4YB England


Thorsten Luhm
Aus: ST-Magazin 02 / 1993, Seite 24

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