Sleepy Joe:Not just after dark...

Bildschirmschoner haben Konjunktur. Grund genug, die neue Version von Sleepy Joe unter die Lupe zu nehmen.

Abb. 1: Die Schaltzentrale von Sleepy Joe

Wer kennt Sie nicht, die »Flying Toasters«, die so manchen Apple Macintosh Monitor überfliegen? Der Erfolg solcher Programme kann eigentlich nur durch zwei Faktoren erklärt werden - zum einen durch deren unbestreitbaren Spielwert, der sich im Einstellen von Bräunungsgrad, Anzahl der Toastscheiben usw. erschließt. Zum anderen bieten sie aber auch praktischen Nutzen, z.B. durch die Möglichkeit, den laufenden Rechner während kurzer Abwesenheit mit Hilfe eines Passwortes vor unbefugtem Zugriff zu schützen.

Auf dem Atari-Markt haben sich derartige Utilities bislang vergleichsweise wenig etabliert, was (analog zur obigen Vermutung) durch das Vorherrschen monochromer Bildschirme und private Nutzung bedingt sein dürfte. Doch nachdem Atari erfolgreich die legendären Monochromschirme aus seinem Programm genommen hat sind die schwarz-weißen Tage vorbei. Farbe in die Arbeitspausen bringt auf dem Atari schon länger »Sleepy Joe«. Der Name des Programms spielt auf seine optisch auffälligste Eigenschaft an, den Bildschirm bei Bedarf zu verdunkeln. Trotzdem ist das Programm kein verschlafener Johannes, sondern erweist sich im täglichen Gebrauch als talentierte Hilfe. In der Version 2 bietet es darüberhinaus Funktionen, deren kreatives Potential und Spielwert über die o.g. Konkurrenz des angebissenen Apfels hinausgehen.

Grundsätzlich besteht das Programm aus drei Funktionsbereichen, die jeder für sich durch einen eigenen Dialog gesteuert werden.

Neben dem bereits erwähnten Sleeper sind dies ein leistungsfähiges Grafik-, Druck- und Snapshot-Utility sowie eine Zusammenstellung von System-Funktionen, die allein schon ein sehr komplettes Multiaccessory bilden könnten. Installiert wird Sleepy Joe als GEM-Programm oder Accessory, zusätzliche Autordner-Programme oder Hilfsdateien sind nicht notwendig.

Nach dem Anklicken des Accessory-Eintrages öffnet sich der Sleeper-Dialog, von dem aus der Übergang in den Grafikteil und die Systemroutinen per Mausklick möglich ist (Abb. 1). Eine weitere Möglichkeit, in den Sleeper-Dialog oder den Grafik-Dialog zu gelangen, ist das von Sleepy Joes Systemfunktionen bereitgestellte Maus-Popup: Nach Mausklick rechts (in Verbindung mit definierbaren Sondertasten) erscheint ein Popup, das es erlaubt, die GEM-Dateiauswahl aufzurufen, in den Grafikteil oder direkt in dessen Snapshot-Funktion zu wechseln, eine Sonderzeichen-Box aufzurufen oder eines der Accessories (auch bei gesperrter Menüleiste) direkt anzuwählen (Abb. 2). In Verbindung mit einer erweiterten Dateiauswahl wie dem »Universal Item Selector« oder »Selectric« wird so ein Bedienungskomfort erzielt, den man auf anderen Rechnerplattformen noch immer vergeblich sucht. Mit den Anpassungen an MultiTOS bietet Sleepy Joe 2 jetzt auch die Möglichkeit, das Maus-Popup in ein GEM-Fenster zu legen. Im Zusammenhang mit dem herkömmlichen modalen Maus-Popup hat sich in die an registrierte Kunden ausgelieferte Version 2.05 jedoch ein »bombiger« Fehler eingeschlichen. Immerhin, auf das Problem angesprochen, schickte Scilab innerhalb weniger Tage ein korrigiertes Update.

Im Sleeper-Dialog selbst sind verschiedene Sleeper-Module mit Cross-Check-Buttons anwählbar. Das Schwärzen des Monitors geschieht in der Version 2 grundsätzlich schrittweise. Dabei sind Zeitpunkt und Geschwindigkeit einstellbar. Unter den anwählbaren Sleeper-Modulen ist die echte Innovation die fliegenden Bilder. Hier hat der Benutzer erstmalig die Möglichkeit, eine oder mehrere IMG-Grafiken nach eigener Wahl als Bildschirmschoner zu verwenden - corporate design without the price!

Freuen wird sich z.B. der professionelle Nutzer, der auf der Messe das Firmenlogo als zusätzliche Werbung auf den Bildschirm lädt - wohlgemerkt, bis Sleepy Joe geweckt wird. Auch dem Forscher wird geholfen, der sein Entwicklungsgeheimnis nicht mit dem »zufällig« vorbeischauenden Kollegen teilen möchte, aus Höflichkeitsgründen andererseits aber auch nicht einen (offensichtlich als solchen erkennbaren) Bildschirmschoner aufrufen kann: Er legt für solche Fälle ein Snapshot von einem anderen Text als »flying pix« fest und kann dann bei Bedarf den Sleeper direkt per Shortcut aufrufen. Denkbar ist aber auch der kleine Schnuffi, der - während Herrchen kurz Zigaretten holt - sein gescanntes Ebenbild auf dem Schirm anknurrt. Enterprise-Fans können den »Sternenflug« einschalten und dabei »Scottie« zusätzlich den Scan von Spock, Capt. Kirk oder McCoy über den Monitor beamen lassen. Dieses mittlerweile auf anderen Rechnern realisierte Szenario gerät bei Sleepy Joe 2 allerdings zum Krieg der Sterne - die heranstürmenden Meteoriten lassen von den im Vordergrund friedlich hin und herschwebenden Pixelbildern nicht viel übrig.

In den offenbar nicht ganz ausgereiften Versionen 2.05/2.06 streckte bei mittlerer TT-Auflösung sogar der Atari die Waffen. Mit dem neuesten Release 2.07 ist diese heimtückische Variante eines Sleepers jedoch verläßlich geworden. Auf Anhieb zuverlässig arbeitet auch ein besonderes Bonbon für Verwender von XHDI-kompatiblen Festplattentreibern: Nach Ablauf einer voreingestellten Sleeper-Frist wird die Platte auf Wunsch automatisch gestoppt. Kombinierbar ist dies mit der Funktion, den Sleeper-Modus mit einem beliebigen Passwort zu sichern. Diese Einstellung bleibt auch nach einem Reset erhalten.

Im Sleeper integriert, aber eigentlich bereits eine Grafikfunktion, ist die »Dia-Show«. Ein frei definierbarer Ordner dient hier als Archiv für eine auf verschiedene Art und Weise definierbare Sequenz von IMG-Grafiken. Die Voreinstellungen von Reihenfolge, Anzeigedauer sowie manuellem oder automatischem Abspielen erlauben Anwendungen im Präsentationsbereich, lassen sich aber auch gut zum Durchmustem umfangreicher Grafikbibliotheken nutzen. Hilfreich in diesem Zusammenhang ist die (optionale) Anzeige des jeweiligen zugehörigen Dateinamens.

Abb. 2: Das Popup-Menü

Grafik

Auch die Funktionen des Programmteils Grafik wurden erweitert. Nach wie vor besteht dieser Programmteil aus einer IMG-Druckausgabe sowie einer leistungsfähigen Snapshotfunktion mit Möglichkeiten zur Darstellung und Rotation von IMG-Grafiken. Gegenüber der Vorgängerversion wurde hier die Bedienung vereinfacht. Bislang waren zur Ausgabe (Quer-)formatfüllender DIN A-4 Hardcopies die Arbeitsschritte Snap, Rotation und Druck erforderlich - zusammen mit den jeweiligen Lade- und Speicherungsvorgängen recht aufwendig. Daher ist diese Funktion in der neuen Version jetzt automatisiert. Eine zusätzliche Hardcopy wird bei Bedarf auf der Platte abgelegt.

Die leistungsfähigsten Neuentwicklungen im Bereich der Snapfunktionen gehen aus der - sonst vorbildlichen - Gestaltung des Grafik-Dialogs nicht ohne weiteres hervor. Erst die Dokumentation weist darauf hin, daß mit Hilfe zusätzlich gedrückter Sondertasten automatisch ganze GEM-Fenster ausgeschnitten (gesnapt) werden können - nach Wunsch mit oder ohne Titelzeile. Ähnliches gilt für Dialogboxen, die mit der Tastenkombination ALT/HELP/RSHIFT förmlich ausgestanzt werden. Die linke Shift-Taste erlaubt dabei das Ein- und Ausblenden des Mauspfeils.

Im Zuge der Anpassung an hochauflösende Farbgrafikkarten wurden auch die Grafikfunktionen selbst überarbeitet. Mittlerweile liest und schreibt Sleepy Joe nicht nur das von Dieter und Jürgen Geiß angegebene 256-Farben XIMG-Format. Auch TIFFs werden in 16 bit-IMGs in 32000 Farben exportiert. Im Lesen dieser eigenen TIF-Formate ist Joey allerdings noch nicht ganz ausgeschlafen...

Dafür glänzt er mit hellwach überarbeiteter Druckfunktion, einem Musterbeispiel engagierter GDOS-Einbindung. Nicht weniger als vier GDOS-Drucker können über die Gerätenummern 21-24 per Button angewählt und zum Ausdruck verwendet werden.

System

Last not least bietet der Systemteil eine Reihe von Funktionen. Fast allen gemeinsam ist dabei ihre hilfreiche Einbindung in das Benutzerinterface. So lassen sich Dialoge zur Mausposition legen und die Maus selbst wird (regelbar) beschleunigt. In der Infozeile erschienen Angaben zum Status der CAPSLOCK-Taste sowie die aktuelle Uhrzeit. Wie die Sleepy Joe Dialoge selbst, erhalten auch die GEM-Alertboxen (saubere) Flügel und größere Buttons. Die Tastatur wird künftig das Klicken einstellen, ohne dabei die akustischen Warnmeldungen zu unterdrücken. Dafür lassen sich zusätzliche Sondertasten auf den Shift-Nummernblock legen. Echte Shortcuts, die aus Kombinationen von Buchstabe und Sondertaste bestehen, sind frei definierbar. Damit lassen sich z. B. Sonderzeichen aufrufen und wiederholen, der Rechner in den Sleeper-oder Passwortmodus versetzen, ohne Maus-Popup die Dateiauswahl aufrufen, oder aber ein zerhackter Bildschirm neuzeichnen (Hallo, »That’s Write« und »Repro Studio«).

Auch die im Zusammenhang mit dieser Funktion aufgetretenen Bugs wurden mittlerweile beseitigt, so daß man bei der vorliegenden Version (2.07) von einem stabilen, hilfreichen Programm sprechen kann. Trotz der gegebenen Funktionsvielfalt bleibt beim Blick über den Zaun jedoch ein Wunsch offen: nachladbare Module nämlich, auf denen in Farbe animierte Szenen ablaufen - wie wär's mit Marmelade auf Toast oder einem Spiegelei? (uw)

Scilab GmbH, Isestr.57, 2000 Hamburg 13

WERTUNG

Sleepy Joe 2.07

Hersteller: Scilab

Preis: xxx Mark

Stärken: intelligenter Bildschirmschoner, eigene fliegende Bilder, Dia-Show, Maus-Popup-Funktionen, Festplatte stoppen, resetfester Paßwortschutz, leistungsfähiges Snapshot-Utility, Shortcuts

Schwächen: keine Module nachladbar, keine Anzeige von TIFFs

Fazit: Gelungenes Allroundtalent, besonders für Großbildschirmbenutzer geeignet.


Dr. M. Oliver Ahlers
Aus: ST-Magazin 06 / 1993, Seite 34

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