Ein Etikett fürs Parfümfläschchen: Atari DTP in der Anwendung

Heute geht es um die Gestaltung von Kleinetiketten. Stellen Sie sich vor, Ihr Kunde wünscht für ein Aromaparfum-Fläschchen ein neues Etikett. Er druckt Ihnen eine relativ häßliche Apothekenflasche in die Hand und kramt noch einen Briefbogen mit seinem Logotype aus der lasche…

Das Logotype muß natürlich drauf auf die Flasche. Dazu der Name des Öls, die Anschrift des Herstellers und die Füllmenge der Flasche. Wenn's geht, dürfen auch noch ein wenig Text und Zierrat mit auf das Etikett. Der prüfende Blick auf die Flasche sagt Ihnen gleich, daß das zu gestaltende Blättchen nicht sehr groß sein wird. Eine schwierige Aufgabenstellung. Zunächst sollten Sie das Material sichten. Vermessen Sie die Flasche und stellen die Etikett-Größe fest. Sie sollten unbedingt klären, ob es passende Standard-Etiketten gibt, oder ob der Kunde bereit ist, Sonderformen anfertigen zu lassen. Für beide Eventualitäten sollten Sie Entwürfe machen.

Ausgehend von einem Standard-Etikett lassen sich die ersten Bleistift-Skizzen anfertigen. Sie dienen als Ideen-Sammlung vor der Arbeit am Monitor. Danach widmen Sie sich dem Logo. Üblicherweise liegt es als mehr oder weniger kleiner Druck auf einem Briefbogen vor. Ist das Logo einfarbig, können Sie es in möglichst hoher Auflösung als Bitmap einscannen. Das gescante Bild importieren Sie in Calamus SL und starten den internen Autotracer »Speedline«. Da das Logo sehr klein auf dem Etikett erscheinen wird, brauchen Sie die Vektorgrafik nur wenig oder gar nicht nachbearbeiten. Schwieriger verhält es sich mit farbigen Logos. In der Regel ist der Scan nicht gut genug für die Verwendung im Druck. Allenfalls wenn die Vorlage sehr groß ist, kann der stark verkleinerte Scan für die Druckvorlage brauchbar sein. Besitzen Sie das Programm »tms Vektor« (vgl. Test in TOS 9/91), können Sie auch Farblogos vektorisieren und mit der farbigen Vektorgrafik arbeiten. Zur Not muß das Farb-Logotype manuell vektorisiert werden, entweder direkt in Calamus SL unter Zuhilfenahme des Vektor-Moduls oder in einem Vektor-Zeichenprogramm wie z.B. »Arabesque Professional«.

In unserem Beispiel ist das Logotype monochrom, weiß auf schwarzem Grund. Zum Vektorisieren wird der Scan zunächst in Calamus SL invertiert, und anschließend entfernen Sie mit Hilfe des Brush-Moduls kleine Unsauberkeiten aus dem Scan. Danach vektorisieren Sie das Logo. Da die Vektorgrafik um ein vielfaches verkleinert wird, erübrigt sich die Nachbearbeitung im Vektor-Modul. Die ermittelten Etikettengrößen ziehen Sie zur Arbeitserleichterung als transparente Rasterfläche mit dünner Kontur auf. Die Größe läßt sich am besten durch die numerische Eingabe der Werte DX und DY bestimmen.

Bild 1. Die Gestaltung des Etiketts richtet sich nach der angestrebten Wirkung auf der Flasche

Das Flaschenetikett ist meistens ein rechteckiges Querformat Betrachten Sie die kleine Flasche, so sehen Sie lediglich ein schmales Hochformat. Genau hierin liegt die Problematik der Etiketten-Gestaltung. Der Betrachter sieht bei einer Flasche mit dem Durchmesser von 25mm lediglich ein Drittel des Etiketts. Die Gestaltung muß dieser Tatsache gerecht werden. Es gibt verschiedene Lösungsansätze. Der eine geht davon aus, daß der Kunde die Flasche beim Betrachten dreht, dies kann aber nur der Fall sein, wenn er die Flasche in die Hand nimmt. Für das Verkaufsdisplay muß also auf einem Drittel des Etiketts genug Information über den Inhalt des Fläschchens (hier der Name des Duftes) enthalten sein. Der andere Ansatz geht davon aus, daß der Kunde die Fläschchen hauptsächlich im Verkaufsdisplay sieht. In diesem Fall konzentriert sich die Gestaltung auf die Schaffung einer Vorderseite für die Produktpräsentation, da eine runde Flasche ja keine Vorderseite haben kann. Der dritte Ansatz ist der Versuch, den Kunden zum Drehen der Flasche und zur Aufnahme der kompletten Information zu bewegen. In diesem Fall ist jede Betrachterperspektive eine Vorderseite.

Neben der Oberflächengestaltung kann auch die Etikettenform als Gestaltungselement herangezogen werden. Die Anfertigung von eigenen Stanzformen für Etiketten ist verhältnismäßig teuer, der Kunde schreckt vor den zusätzlichen Kosten häufig zurück. Sie können sich damit helfen, daß Sie bei einer dunklen Flasche mit einer schwarz abgesetzten, hellen Etikettenform arbeiten. Mit diesem Trick läßt sich ein aufwendig gestanztes Etikett Vortäuschen. Unter Umständen sieht auch ein rundes Standard-Etikett sehr ansprechend aus, da es sich aus der Betrachter-Perspektive zu einem Oval verwandelt. Sie sollten von möglichst vielen unterschiedlichen Varianten einen Vorschlag für die Kundenpräsentation erarbeiten.

Da Sie natürlich immer die Abwicklung des Etiketts gestalten, empfiehlt sich neben dem Entwurf auch die Produkt-Simulation. Im Beispiel wurde mit Hilfe der Rasterflächen in Calamus SL eine maßstabgerechte Flasche illustriert und als Gruppenrahmen kopiert. Der Etikett-Entwurf wird auf die Flaschen-Illustration gelegt, die überstehenden Seiten mit weißen Rasterflächen-Rahmen abgedeckt. So kann sich der Kunde die Wirkung des nebenstehenden Entwurfes besser vorstellen. In unserem Beispiel liegt das Logo bereits als Vektorgrafik vor, allerdings schwarz auf weiß, gewünscht ist weiß auf schwarz. Kein Problem für eine vielseitige Software. Das Logo wird auf einen dunklen Hintergrund plaziert, der Rahmen auf XOR-Darstellung geschaltet.

Da das Logo sehr aufmerksamkeitsstark ist, benötigt man korrespondierende Elemente für die Etiketten-Gestaltung. Passende Ornamente sind nicht leicht zu finden. Die beste Lösung ist die Verwendung grafischer Elemente aus dem Logotype. Hierzu laden Sie den Scan des Firmenzeichens in Calamus SL und stellen die einzelnen Elemente im Brush-Modul frei. Anschließend vektorisieren Sie das Arbeitsergebnis im Calamus SL-Autotracer. Die neuen Zierelemente harmonieren selbstverständlich sehr gut mit dem Logotype, dem sie entnommen sind. Was fehlt ist die harmonische Schriftauswahl. Als Calamus SL-Anwender sieht man sich zwar einem großen Fundus hervorragender Classic Types gegenüber, leider aber auch dem hohen Preis der Fonts. Für ein Wort kauft man nicht unbedingt ein Schriftpaket für 500 Mark. Das lohnt sich erst, wenn sich der Kunde für den Entwurf entschieden hat.

Bild 2. Eckig oder oval - wie es der Kunde am liebsten mag

Eine Möglichkeit ist das Scannen eines mit Letraset-Reibebuchstaben gesetzten Wortes. Diese Reibebuchstaben stammen noch aus der Vor-DTP-Zeit und waren damals für jeden Grafiker unentbehrlich, deshalb stehen auch unzählige Schriftschnitte und grafische Elemente zur Verfügung. Die Schriftbogen erhalten Sie im grafischen Fachhandel für ca. 20 Mark. Dort gibt es auch die entsprechenden Schriftmusterbücher. Haben Sie vor, im Falle der Annahme Ihres Entwurfes mit Calamus-Classic-Types weiterzuarbeiten, sollten Sie die Schriftenauswahl mit dem DMC-Schriftenkatalog abgleichen. Das »gerubbelte« Wort läßt sich entweder in Calamus SL vektorisieren, oder, falls Sie »Type Art« besitzen, buchstabenweise zu einem Font-Fragment um wandeln und per Tastatur setzen. Diese Methode hat natürlich den Vorteil, daß Ihnen sämtliche Kerning- und Textbearbeitungsfunktionen von Calamus SL für die Gestaltung zur Verfügung stehen. Kauft Ihr Kunde den Entwurf, lohnt sich unter Umständen die Anschaffung der enthaltenen Schrift für Folgeaufträge.

Die Schriftwahl sollte sich am Produkt und dessen Zielgruppe sowie am Zusammenwirken mit dem Logotype orientieren. Unterschätzen Sie nicht die Wirkung der Schrift. Die Wahl der richtigen Type im richtigen Schnitt beeinflußt den Entwurf ungemein. Schließlich besteht gerade ein Etikett im Normalfall nur oder fast nur aus Schrift. Testen Sie lieber einige Schriften mehr, der zeitliche Mehraufwand lohnt sich. Ist das Logotype sehr aufmerksamkeitsstark, sollte die Schrift harmonisch-zurückhaltend gewählt werden. Lediglich die Hauptinformation, im Beispiel die Duftrichtung des Aromaöls, soll etwas stärker hervorgehoben sein. Die Anzahl der möglichen Kombinationen ist unendlich hoch, es lohnt sich also, mit unterschiedlichen Schriften zu experimentieren. Je mehr Varianten Sie ausarbeiten, desto eher besteht die Chance, den Geschmack des Kunden zu treffen.

Natürlich richten sich die Anzahl der Entwürfe und der Zeitaufwand nach dem Auftragsvolumen. Schließlich möchten Sie mit dem Auftrag ja Geld verdienen. Die Variation eines Entwurfes ist mit Calamus SL allerdings ein Kinderspiel. Sie kopieren einfach den ersten Entwurf und nehmen in der Kopie Veränderungen vor (beispielsweise die Veränderung der Schrift oder der Farben), kopieren erneut, verändern wieder etc. Neben jeden Entwurf sollten Sie die Poduktsimulation (in diesem Fall also die Illustration der Flasche) anordnen. Natürlich können Sie auch hier die einmal gestaltete Flasche kopieren und müssen lediglich das Etikett austauschen.

Die Ihrer Meinung nach besten Entwürfe schneiden Sie aus und kleben Sie auf Musterfläschchen. Besitzen Sie keinen Farbdrucker können Sie auch Laserdrucke mit Letraset Color-Tag oder Artiscolor einfärben. Bei diesem Verfahren lagert sich die Farbe einer Kunststoff-Folie unter Wärmeeinwirkung dem Toner des Laserausdrucks an. Ein entsprechendes Hilfsgerät und Farbfolien gibt es im grafischen Fachhandel. Hintergrundfarben erzeugen Sie durch die Verwendung farbiger Papiere oder durch das Einfärben mittels Marker. Im Fachhandel erhalten Sie spezielle Marker für Fotokopien. Normale Pantone- oder Ed-ding-Marker lösen den Toner an und verschmieren den gesamten Ausdruck. Achten Sie auch beim Klebstoff darauf, daß er sich mit dem Toner und den Marker-Farben verträgt. Am unproblematischsten sind Klebestifte.

Hat sich der Kunde für einen der Entwürfe entschieden, versehen Sie den Entwurf mit Schnitt- und Passermarken und entfernen gegebenenfalls den Hilfsrahmen. Achten Sie bei der Belichtung auf das Druckverfahren. Im Offset-Druck benötigen Sie in der Regel seitenverkehrte Positiv-Filme, im Siebdruck sollen die Filme seitenrichtig sein. Fragen Sie sicherheitshalber die Druckerei. Bei der Verwendung von Hausfarben des Kunden klären Sie vor dem Druckauftrag unbedingt ab, ob die I lausfarben im Vierfarbdruck oder als Schmuckfarben produziert werden sollen. Im Vierfarbdruck muß leider immer mit leichten Abweichungen gerechnet werden, selbst wenn Sie mit genormten Systemen arbeiten. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Auftragsabwicklung. (wk)

Bild 3. Auf die angestrebte Verkaufspräsentation kommt es an

Rüdiger Morgenweck
Aus: TOS 10 / 1992, Seite 100

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