Das Abenteuer: Ein Plotterbausatz im Test

Eines schönen Frühlingstages beschloß die Redaktion der ST-Computer, sich an etwas Handwerklichem zu versuchen. Also wurde von der Münchner Firma Peter Habersetzer ein Plotterbausatz bestellt, der schon länger auf dem Markt ist.

Bild 3: Diese Texte zeigen die Wiederholgenauigkeit: Der gleiche Text wurde 5 bzw. 10 Mal übereinander geschrieben.

Seit es auch für kleine Computer halbwegs vernünftige CAD- und Platinenlayout-Systeme gibt, werden auch die dafür notwendigen Peripheriegeräte immer interessanter. Also muß ein Plotter her, der sich schließlich auf dem Schreibtisch auch viel besser macht als’ ein gewöhnlicher Matrixdrucker!

Einen Plotter kaufen kann schließlich jeder. Aber ein wahres Abenteuer könnte es sein, sich einen Plotter selbst zu bauen. Um es nicht zu übertreiben, beschlossen wir, es erst einmal mit einem Bausatz zu versuchen. Also suchten wir uns aus dem Sortiment des Herrn Habersetzer, das aus fünf verschiedenen Plottern mit verschiedener Ausstattung und Qualität besteht, ein Modell der unteren Mittelklasse heraus. Dieses Gerät hat eine Auflösung von 0.05mm und nennt sich HPX-84. Es wird über eine Centronics-Schnittstelle an den Rechner angeschlossen. Das größte Zeichenformat ist DIN A3, die Geschwindigkeit beträgt maximal 70 mm/s auf einer Achse. Die Wiederholgenauigkeit beträgt 0,1 mm. Unter dem gleichen Namen gibt es diesen Plotter noch in zwei weiteren Auflösungen, nämlich 0,1 mm und 0,025 mm. Daneben gibt es ein größeres Modell, den HPX-85, bei dem die Auflösung umschaltbar ist und sowohl die Geschwindigkeit als auch der Pufferspeicher erheblich vergrößert wurden. Die Luxusausführung ist der HPX-86, der zusätzlich in der Lage ist, als Digitalisiertablett zu fungieren. Alle diese Geräte sind sowohl fertig als auch als Bausatz lieferbar. Der Bausatz ist natürlich etwas billiger.

Nun, wir wollten das Abenteuer und haben deshalb den Bausatz gewählt. Bevor wir uns weiter über den Plotter, seinen Befehlssatz und sein sonstiges Betragen äußern , wollen wir nun die Montage beschreiben.

Der erste Blick in den geöffneten Karton stimmte durchaus optimistisch: Sorgfältig verpackt, die Teile für jede Baugruppe einzeln in Plastik eingeschweißt. Selbstverständlich ist auch eine Anleitung dabei. Diese besteht aus Fotokopien in einem Plastikordner, die im allgemeinen recht gut lesbar sind, nur bei der bebilderten Montageanleitung läßt die Deutlichkeit zu wünschen übrig, was nicht nur an der Druckqualität liegt, sondern auch am „künstlerischen“ Wert der Zeichnungen. Bei manchen Bauteilen läßt sich die korrekte Lage einfach nicht erkennen und der sehr kurz gehaltene Text macht die Sache oft auch nicht viel klarer. Aber man kommt ganz gut zurecht.

Es ist wie Weihnachten. Man packt die insgesamt elf Baugruppen nacheinander aus den schützenden Papieren, erfreut sich am Anblick der Teile und denkt sich: „Soviele sind’s gar nicht.“ Es sind wirklich nicht allzuviele. Der Einstieg fällt leicht.

Alle Teile des Plotters bestehen aus Metall oder einem sehr harten Kunststoff; die Grundplatte ist aus beschichtetem Preßspan und ziemlich massiv. Für die Papierbefestigung sind Magnetstreifen vorgesehen. Der Antrieb erfolgt über Schrittmotore. Alles wirkt sehr robust und stabil, sowohl vor wie nach dem Zusammenbau.

Schon nach einer halben Stunde (wir waren zu zweit, da dauert’s länger) hat man das erste Erfolgserlebnis. Der Schlitten für den Stift ist fertig. Erfreulicherweise wird ein winziger Imbusschlüssel, ein Werkzeug, das wohl nicht jeder im Hause hat, das für den Plotter aber dauernd benötigt wird, mitgeliefert. Ansonsten braucht es übrigens fast kein Werkzeug; mit einem Kreuzschlitz- und einem Miniaturschraubenzieher läßt sich alles erledigen. Naja, ein bißchen Öl und ein Stückchen Klebeband brauchen Sie noch. Weniger hat es uns gefreut, daß das Erfolgserlebnis der ersten Stunde wegen eines fehlenden Teiles nicht vergönnt war! Dem Hersteller und dem Expressdienst der Deutschen Bundespost war es indes zu verdanken, daß es bereits am nächsten Morgen weitergehen konnte.

Schon nach der ersten Schraube erwachte in uns der Mechanikergeist. Es macht richtig Spaß, die Einzelteile zusammenzuschrauben und dabei etwas (hoffentlich) Funktionierendes zu produzieren. Die Qualität der Bauteile ist im großen und ganzen recht ordentlich; nur an einigen Stellen ging es ohne etwas Fummelei nicht weiter. Kleine Ärgernisse sind ungenau gebohrte oder vergessene Löcher, doch es wäre ja sonst nicht abenteuerlich genug. Auch der Ausschnitt für die Bedienelemente in der Gehäuseabdeckung war sehr ungenau zugeschnitten.

Bild 2: Er funktioniert! Unser Testplot beweist es

Die Anleitung führte uns manchmal mit ihrer Kürze in die Irre. Wenn man nicht sehr gut aufpasst, kann man eine Menge Zeit damit zubringen, eigene Fehler, die drei Baugruppen weiter vorne gemacht wurden, wieder zurechtzubiegen. Der Bausatz ist eigentlich überall so konzipiert, daß man halbwegs versteht, warum welches Teil an welchen Ort gehört, so daß man schon am Anfang, wenn nur zusammenhanglose Baugruppen entstehen, den Sinn des Ganzen erahnen kann. Dadurch macht der Aufbau eigentlich die ganze Zeit Spaß. Und pädagogisch ist es ja nur sinnvoll, wenn man durch kleine Schwierigkeiten auch mal gefordert wird. Besonders die Montage der Seilzüge, über die der Plotter angetrieben wird, ist eine solche Schwierigkeit. Geduld und Fingerspitzengefühl sind hier erforderlich. Vor allem sparen Sie sich sehr viel Mühe, wenn Sie an dieser Stelle auch nicht den kleinsten Halbsatz der Anleitung überlesen. Sonst kann es Ihnen, so wie uns, geschehen, daß Sie die ganze Sache (wörtlich) von vorne aufrollen dürfen.

Im Nachhinein bestätigte sich übrigens auch unser erster Eindruck, die Menge der Teile betreffend. So ein Plotter besteht nur aus einer kleinen Zahl von kompakten Baugruppen, und die grobe Montage ist einfach - der Teufel steckt im Detail.

Letztlich lassen sich die meisten Probleme beim Aufbau auf die ungenaue Anleitung zurückführen. Beim Einbau der Elektronik muß man die richtige Lage der Stecker eher intuitiv erahnen. Aber nach einiger Tüftelei und Rätsellösung begann unser Plotter vor sich hin zu surren. Zu unserer großen Überraschung zeichnete er auch richtig. Allerdings geht an dieser Stelle noch ein wenig Zeit mit Justierarbeiten ins Land, die für die Genauigkeit des Gerätes aber unerläßlich sind.

Fazit der Bauzeit: Wir sind aus der Wildnis zurück. Das Abenteuer hat sich gelohnt. Der Plotter funktioniert, er zeichnet sogar schön genau. Ob er vielleicht noch genauer wäre, wenn er ein herzloses Industrieprodukt wäre, können (und wollen) wir nicht wissen. Die angegebenen Daten scheinen aber erreicht zu werden. Die ganze Konstruktion des Bausatzes ist auch so angelegt, daß man bei sorgfältiger Arbeit nicht allzuviel falsch machen kann. Man muß allerdings einige Zeit aufbringen - weniger als acht Stunden wird man kaum für den Aufbau brauchen. Dafür spart man einiges. Alles in allem kann man auch mit der Anleitung leben. Und wenn Ihr Plotter mal kaputt ist, wissen Sie wenigstens, woran es liegt.

Uns hat der Aufbau großen Spaß gemacht. Jedem, der ein wenig Geschick besitzt, kann dieser Streich gelingen und somit der Bausatz empfohlen werden.

Zum Schluß noch ein paar Worte über die softwaremäßige Ausstattung. Für die meisten Anwender ist ein solches Gerät ja nur dann interessant, wenn es mit Standardanwendungen zusammenarbeitet. Der Befehlssatz des HPX-84 ist an den Roland Plottern DXY-8000 orientiert. Im wesentlichen existieren in diesem Befehlsatz Befehle für absolutes und relatives Zeichnen, für Rechtecke, Kreise und Text. Einige der Befehle erinnern stark an HP-GL, die Sprache der Hewlett-Packard-Plotter. Optional ist auch eine komplette HP-GL-Implementierung erhältlich, die auch erforderlich ist, weil die meisten Programme, die überhaupt einen Plottertreiber besitzen, mit diesem Befehlssatz arbeitenl. Will man selbst programmieren, ist die Arbeit sehr einfach. Befehle bestehen aus einfachen Sequenzen, die man z. B. von Basic aus mit einem Print-Befehl an den Plotter übermitteln kann.

Letztes und allgemeines Fazit: Dieser Plotter ist als Bausatz sehr empfehlenswert. Lediglich absoluten Woody-Allen-Konkurrenten muß dringend vom Kauf abgeraten werden. Alle anderen werden viel Freude an diesem Bausatz haben.

Christian Schormann/Jörg Funk

Preis des Bausatzes: 1298 DM Preis des Fertiggerätes: 1498 DM

Vertrieb: Peter Habersetzer Paradeis 51 8120 Weilheim



Aus: ST-Computer 08 / 1987, Seite 66

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