DA's Vektor - Die eierlegende Wollmilchsau?

DA’s Vektor, Vektorgrafik, Präsentation und Animation aus einem Guß

Bild 1. Und zuerst ward der Pfad... die Geburt einer Grafik

Wieder einmal taucht es auf, das vielzitierte (Computer-)Fabelwesen mit dem Flair des Universalgenies. Für fast alles eine Lösung, für fast jeden ein As im Ärmel. Ist »DA’s Vektor« so ein Wunderding für Präsentation und Gestaltung?

Als »erstes multimediales Vektorgrafikprogramm der Welt« bezeichnet der Vertreiber, H3 Systems Heidelberg, seinen neuen Alleskünstler. DA's Vektor enthält neben dem Vektorgrafikteil sowohl einen Autotracer als auch einen Charteditor und AnimationsteiL Das Programmpaket befindet sich in einer besonderen Verpackung. Genauer gesagt, die Dateien sind in Form von selbstentpackenden TOS-Programmen auf die gewünschte Festplattenpartition zu kopieren. Besondere Beachtung sollten Sie der Programmdatei »Knowhow.TOS« schenken. Kopieren Sie diese zum Entpacken in die oberste Verzeichnisebene der Bootpartition. Ohne das nach dem Entpacken vorhandene »Know-how.ACC« mit über 200 KByte Textinformation fehlt Ihnen nämlich beim späteren Arbeiten mit DA's Vektor garantiert das nötige Know-how, da die gesamte Bedienungsanleitung nahezu ausschließlich als Online-Hilfe realisiert ist. Alle Informationen erhalten Sie in Fenstern, die Sie über eigene Menüpunkte aufrufen. Bei plaziertem Mauszeiger auf ein Werkzeugsymbol führt ein Druck auf »Help« zu detaillierten Anweisungen. Anhand von etwa 1000 Querverweisen und mehreren Stichwortverzeichnissen hangeln Sie sich so durchs gesamte Referenzhandbuch. Wie bereits angedeutet, setzt diese Online-Hilfe das korrekt installierte Accessory voraus. Das grundsätzliche Erlernen der Programmhandhabung ist auf diese Weise etwas mühsam, da hilft auch das informative, aber unübersichtliche Einführungsbüchlein (in gedruckter Form) nicht viel weiter. Fairerweise sei hier aber gesagt, daß in der vorliegenden Testversion 1.02 sowohl das Tutorial als auch der Symbolindex (eine Referenz an Hand von Bildern) noch fehlten.

DA's Vektor zu beschreiben und zu beurteilen ist schon aufgrund seines enormen Funktionsumfanges schwierig. Primär als Vektorgrafikprogramm ausgelegt, arbeitet das Programm ab 640x400 Bildpunkten in allen Farbauflösungen von monochrom bis TrueColor mit allen Rechnern und (VDI) Grafikkarten zusammen. Intern rechnet unser Testkandidat immer im 24 Bit Modus, also mit rund 16,7 Millionen Farben. Nicht nur die GEM-konforme Oberfläche zeigt auf den ersten Blick einige Ähnlichkeiten mit Didot professionell. So finden sich z.B. bekannte Pictogramme in den linksseitigen Toolboxen. Kein Wunder, haben doch einige Entwickler von Didot das Lager gewechselt und für Digital Arts, den Hersteller von DA's Vektor, kräftig in die Trickkiste gegriffen.

Die fünf Programmteile: Vektorisieren, Vektorpfad, Vektorgrafik, Chartgrafik und Animation rufen Sie über einzelne Menüpunkte auf. Die jeweils notwendigen Werkzeuge erreichen Sie über die Werkzeugbox. Hier haben Sie über Submenüs Zugriff auf das Klemmbrett, Bibliotheksfunktionen und den obligatorischen Papierkorb. Aus letzterem lassen sich im Falle eines Falles gelöschte Objekte wieder hervorholen bzw. stapeln sich hier je nach Arbeitsspeicher die Objekte zur letzten Ansicht. Neben den menüspezifischen Funktionen enthalten die Toolboxen Konstruktionshilfen wie Snap- und magnetisches Raster und stufenlose Zoomfunktionen. Dem Anfänger bleibt aufgrund der etwas kryptisch anmutenden Icons oft nur der Klick zum Referenzmanual. Hier fehlt eine Online-Infozeiie mit der jeweiligen Funktionsbezeichnung. Der Arbeitstisch, pardon, die Arbeitsfläche für alle Funktionen ist maximal 81,92 x 81,92 cm groß. Über den Menüeintrag »Seitenformat« nehmen Sie die Einstellung der aktiven Seitenfläche vor. Generell arbeitet unser Multitalent seitenunabhängig. Lediglich für die Druckausgabe und als Bildbereich im Animationsteil benötigen Sie die konkrete Seitengröße. Trotzdem hätte ich neben der etwas umständlichen Möglichkeit, Position und Größe alphanumerisch einzutragen, auch gerne fertige Standardeinstellungen. Unter dem Blattformat DIN A4 stellt sich Otto Normalanwender halt etwas Konkreteres vor.

Alles, was Sie nun auf die Arbeitsfläche ablegen bzw. zeichnen, behandelt Da's Vektor als sogenannte Job-Datei, aus der das Programm letztendlich die Grafik berechnet. In der Infozeile des Fensters erhalten Sie neben Jobnamen und aktivem Layer weitere Informationen. Das Layersystem (vor allem bei CAD-Anwendern bekannt) erlaubt übrigens das Anlegen von nahezu beliebig vielen Arbeitsebenen oder Folien, die übereinander gestapelt ebenfalls die Gesamtgrafik ergeben.

Die eigentliche Vektorzeichnerei geht dann in zwei getrennten Schritten vonstatten. Im »Vektorpfadeditor«, dem eigentlichen Zeichenteil, entwerfen Sie die Umrisse der Objekte, sogenannte Vektorpfade. Ein solcher Pfad besteht aus nahezu beliebig vielen Linienzügen und/oder Bézierkurven mit den zugehörigen Begrenzungs- und Drehpunkten. Objektattribute wie Linienstärke oder Füllmuster bleiben erstmal außen vor. Wer jetzt nach fertigen Figuren wie Kreis oder Quadrat sucht, der sieht sich enttäuscht. Diese müssen Sie aus der mit fertigen Objekten bestückten (Pfad)Bibliothek kopieren. Nicht unbedingt jedermans Sache.

Der Pfadeditor hat eine Menge zu bieten. Das Zeichnen der Linien in Echtzeit verleiht das angenehme Gefühl, ohne Ruckeln und Zuckeln direkt auf Papier zu arbeiten. Wenn es auch manchmal etwas dauert, bis ein Mausklick vom Programm registriert ist. Es stehen Ihnen jede Menge Werkzeug zum nachträglichen Bearbeiten der Vektorpfade zur Verfügung. Einzelne Linienpunkte einfügen oder entfernen ist ebensowenig ein Problem wie das Auftrennen oder Zusammenfügen von Pfaden. Gut gelungen, das Umwandeln von Polygonzügen oder Teilstücken in Bézierkurven. Das ganze funktioniert natürlich auch umgekehrt. Wer Probleme mit Herrn Bezier und seinen Kurven hat, freut sich über die direkte Umsetzung von Mausbewegung und Kurven verlauf. Sie formen die Kurven direkt unter Sicht und nicht umgekehrt. Allerdings ist die Undo-Funktion per rechter Maustaste zumindest arg gewöhnungsbedürftig. Sehr schön dagegen die Möglichkeit, Pixelgrafiken im Tiff-Blockformat (Halbton und Color) in den Hintergrund zu legen und diese manuell zu vektorisieren. Ein Zusatzprogramm besorgt dabei die Wandlung der gängigsten Bildformate in das jeweilige Tiff-Bild.

Nach dem Wechsel in den Vektorgrafikeditor sehen Sie Ihr Werk als fertige Grafik. Besser gesagt, hier versehen Sie es mit diversen Füllmustern und Farben (RGB oder CMYK System), Linienattributen usw.. Die Multikopierfunktion erlaubt eine Vielzahl von Änderungen bei der Kopie, so daß auf Wunsch Objekte mit neuartigen Farbverläufen oder Attributen entstehen. Das Skalieren geschieht auf Wunsch perspektivisch, also zum Beispiel in den Raum hineinkippend. Ein weiteres Submenü erlaubt anhand eines beliebig formbaren Beziergitters das plastische Verzerren von Objekten. Ein Wort zum Ziehen und Zerren der Objekte. Praktischerweise greifen Sie lediglich auf die zugehörigen Umrißlinien, sprich Vektorpfade zu. Die Berechnung des kompletten Bildes erfolgt dann anschließend. Selbst im Farbmodus beobachten Sie den Verlauf der Veränderung in Echtzeit ohne die sonst übliche Wartezeit. Nach dem gleichen Schema können Sie Ihre Vektorobjekte über ein frei wählbares Drehzentrum mit beliebigen Winkeln drehen. Oder es anhand des »3D Extruders« in eine dreidimensionale Perspektive versetzen. Natürlich auch hier mit mannigfaltigen Einstellungen, wie Schatten würfen und -verlaufen. Zur Texteinbindung verwendet das Multitalent Calamus- oder Didotvektorfonts bzw. Postscript-Fonts. Natürlich finden Sie hier nicht die Möglichkeiten eines Satzsystemes. Dafür aber einige interessante Anwendungen wie z.B. den Textverlauf entlang beliebiger Vektorpfade. Störend machen sich hier wie auch an anderer Stelle die kleinen Fehler im Bildaufbau bemerkbar.

Bild 2. Im Grafikeditor kommt man mit Know-How weiter
Bild 3. Geraten Sie beim Seitenformat nicht aus der Form
Bild 4. Auf die Charts, fertig, los...

Neben dem schon erwähnten manuellen Vektorisieren von Hintergrundbildern stellt unser Alleskünstler auch einen Tracer zur Verfügung. Je nach Einstellung generiert DA's Vektor eine mehr oder weniger vorlagengetreue Vektorgrafik aus Bézierkurven und Linienstücken. Um bei gescannten oder farbigen Grafiken nicht jeden kleinen Pixelklecks einzufangen, stellen Sie Schwellenwerte für Farbe und Helligkeit ein, ab denen der Tracer einzelne Bildpunkte beachten soll. Sie erzielen hier in relativ kurzer Zeit ganz beachtliche Ergebnisse. Ein Werkzeug der besonderen Art verbirgt sich hinter der Funktion »Bildobjekte erzeugen« Hiermit generieren Sie anhand des Hintergrundbildes ein Füllmuster für Vektorobjekte. Hat man die Handhabung erstmal verstanden, so eröffnen sich ganz neue Perspektiven bei der Gestaltung von Flächen und Bildern.

Im Animationseditor machen Sie Ihren Vektorgrafiken Beine. Ähnlich dem klassischen Zeichentrickfilm erzeugen Sie aus einem Objekt ganze Filmsequenzen. Dabei sorgt das Programm auf Wunsch selbsttätig für einzelne Zwischenbilder. Natürlich können Sie von hier auf alle übrigen Funktionen und Menüteile zurückgreifen. Über teilweise recht knifflige Zwischenschritte entwickeln Sie schließlich einfache zweidimensionale Computervideos, die Sie dann mit einem zugehörigen Dienstprogramm in beliebiger Auflösung abspielen lassen. Auch eine Aufzeichnung direkt auf Video ist laut Hersteller möglich. Hier scheinen sich für Multimedia Publikationen interessante Aspekte aufzutun.

Den nicht unbedingt krönenden Abschluß bildet der Charteditor. Zwar haben Sie hier die Wahl zwischen mehreren Diagrammarten, teilweise auch dreidimensional. Auch ist die Perspektive frei wählbar. Aber zumindest die Dateneingabe zum Erzeugen der Diagramme ist reichlich spartanisch ausgefallen. Die erwähnten Dienstleitungsprogramme lassen sich direkt aus DA's Vektor aufrufen. Zur Druckausgabe benötigen Sie diverse Treiber, die unter anderem direkt eine Export-Datei im Tiff- oder GEM-Image Format erzeugen. Fehlende Druckertreiber finden Sie in der Support-Mailbox von H3 Systems, wo auch kleinere Updates zu finden sind.

Insgesamt hinterläßt das Programm einen recht zwiespältigen Eindruck. Für 298 Mark bietet es mit Sicherheit einen selten dagewesenen Funktionsumfang, ist also die eierlegende Wollmilchsau in Person. Das Miteinander der einzeln Programmteile, die neuentwickelte Rendertechnik bei der Farbdarstellung, viele neue und praktische Lösungswege machen es zu einem tollen Werkzeug. Trotzdem fehlt bei mir der »Boah«-Effekt. Vielleicht liegt es an der mageren Benutzerführung und schwierigen Handhabung, abgesehen von einigen kleinen Fehlern. Und nicht jeder mag deutsch/englisch gemischte Kommandos in Dialogboxen.(wk)

Vertrieb: H3 Systems GmbH, Häusserstraße 44, 6900 Heidelberg

WERTUNG

Name: DA's Vektor

Preis: 298 Mark

Hersteller: Digital Arts

Stärken: Preis □ sehr umfangreich □ Farbdarstellung

Schwächen: unübersichtliche Benutzerführung □ Fehler im Bildaufbau □ schwierige Handhabung

Fazit: Für alle, die interessante Farbpräsentationen benötigen und etwas Geduld beim Lernen haben.


Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 04 / 1993, Seite 34

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