Story: Sublogic

Bruce Artwick und Stu Moment gründeten während ihrer Studienzeit eine kleine Software-Firma namens Sublogic. Zehn Jahre später ist ein Sublogic-Programm das meistverkaufte Unterhaltungs-Produkt der Welt: der legendäre »Flight Simulator«. Wir haben Sublogic besucht und nach den Gründen dieses Erfolgs geforscht.


Happy-Redakteur Gregor Neumann lernt fliegen — im viersitzigen Firmenflugzeug von Sublogic

Wie kommt man zu seiner ersten Flugstunde? Unsere Redakteure Gregor Neumann und Boris Schneider hatten eigentlich nur vor, die Software-Firma Sublogic zu besuchen und die Gründer der Firma zu interviewen. Doch die Büros von Sublogic befinden sich im abgelegenen Städtchen Champaign, etwa vier Autostunden südlich von Chicago. Während die zwei schon eine gemütliche Autofahrt planten, kam ein Anruf von Sublogic: »Ach was! Wir holen euch mit einem Privat-Flugzeug ab!« Mit einer normalen Linien-Maschine flogen Gregor und Boris nach St. Louis, um dort in eine kleine, viersitzige Propeller-Maschine umzusteigen. Am Steuer des Flugzeugs saß Stu Moment, ausgebildeter Fluglehrer und einer der beiden Gründer von Sublogic. Auf dem einstündigen Flug von St. Louis nach Champaign erhielt Gregor seine erste Flugstunde, ließ sich von Stu alle Instrumente erklären und durfte sogar einige Minuten das Steuer führen.

Dieser ungewöhnliche Auftakt paßt zu Sublogic, einem Software-Haus, das sich nicht in den üblichen Rahmen pressen läßt. Die Büros liegen nicht im kalifornischen Silicon Valley, sondern sind mehrere tausend Kilometer weit vom Zentrum der Computer-Firmen entfernt. Neue Produkte kommen selten, und wenn sie kommen, dann haben treue Fans schon mehrere Monate daraufgewartet. Sublogic macht auch einen geheimnisvollen Eindruck, denn in Computer-Zeitschriften ist selten etwas über die Firma zu lesen. Und dennoch kommt aus dieser ungewöhnlichen Firma das meistverkaufte Unterhaltungs-Programm. Es ist Sublogics »Flight Simulator« für MS-DOS-Computer. Das Programm ist jetzt mehr als fünf Jahre alt und heute immer noch in vielen aktuellen Bestseller-Listen in Amerika zu finden.

Während des Besuchs sprachen unsere Redakteure mit Bruce Artwick, Autor des Flight Simulators, einer der Gründer von Sublogic und gleichzeitig Chefprogrammierer und Präsident der Firma.

1968 kam Bruce das erste Mal mit einem Computer in Kontakt und war sofort begeistert. Durch gute Beziehungen durfte der 16jährige an den Computer in der Universität von Chicago heran. Damals wurden Programme in Fortran geschrieben, auf Lochkarten gestanzt und dem Leiter des Rechenzentrums übergeben.

Wesentlich interessanter wurde es dann von 1973 bis 1976, als Bruce an der Universität von Illinois in Champaign Elektro-Technik studierte und den Universitäts-Computer, eine PDP-11, benutzen konnte. Während dieser Jahre lebte Bruce in einem großen Haus, das sich viele Studenten teilten. Einer seiner Mitbewohner war Stu Moment, damals schon anerkannter Fluglehrer und geradezu besessen vom Fliegen. Stu und Bruce handelten ein Geschäft aus: Stu sollte Bruce das Fliegen beibringen, im Gegenzug würde Bruce Stu alles über Elektronik und Computer lehren. So wurden die beiden schnell dicke Freunde.

Mit seinem glänzenden Studien-Abschluß bekam Bruce natürlich sofort einen guten Job bei den Hughes-Flugzeugwerken in Kalifornien. Dort entwickelte er neue, computergesteuerte Instrumente für Flugzeuge und konnte so sein Wissen über 3D-Grafik optimal einsetzen. Nebenbei bastelte er sogar seinen eigenen Computer.

Anfang 1977 schrieb er für die amerikanische Zeitschrift »Kilobaud Microcomputing« einen Artikel über 3D-Grafik auf dem 6800-Prozessor (nicht der moderne 16-Bit-Chip 68000, sondern ein einfacher 8-Bit-Chip, vergleichbar mit dem 6502 im C 64). Die im Artikel angesprochenen Listings wollte er privat anbieten und sich so ein paar Mark dazuverdienen. Kurz bevor der Artikel erscheinen sollte, klingelte das Telefon bei Bruce. Ein Redakteur von Kilobaud war am Apparat und fragte: »Wie heißt denn die Firma, die Ihre Programme anbietet?« Bruce hatte darüber noch nie nachgedacht. Innerhalb von Sekunden fiel die Entscheidung: »Sublogic«. Wie er auf den Namen gekommen ist? Bruce: »An der Universität habe ich eine Zeit lang an neuen Schaltkreisen gearbeitet, die wir Sublogics genannt haben. Die Bezeichnung hat sich in der Technik nicht durchgesetzt und ich dachte ganz spontan, daß das ein guter Name für eine Computer-Firma sei.«

Rückblickend betrachtet geben Stu und Bruce offen zu, daß es nicht der beste Name ist. Stu: »Manchmal denken Leute, wir wären eigentlich eine Firma, die Computer für U-Boote baut. Wir hatten auch mal einige Anrufer, die glaubten, wir seien eine religiöse Vereinigung oder kümmern uns um psychisch Kranke.«

Als Bruce die Firma Sublogic gründete, bat er seinen Freund Stu Moment, sich um das Geschäftliche zu kümmern, damit er in Ruhe weiterprogrammieren könne. Stu lebte weiterhin in Illinois, weil er sein Studium noch nicht abgeschlossen hatte, und so kam es, daß die beiden einzigen Mitarbeiter von Sublogic mehrere tausend Kilometer voneinander entfernt saßen.

1978 stellte Sublogic auf einer Computer-Messe eine neue Version der 3D-Routinen vor, die inzwischen auch auf populärere Computer wie den Apple und den TRS-80 umgesetzt worden waren. Auf einem Programmierer-Forum schlug jemand vor, doch diese Routinen zu verwenden, um einen Flugsimulator zu schreiben. Die Idee wurde vom Publikum jubelnd aufgenommen und während der Messe sagte so mancher Besucher zu Bruce, daß er sich ein solches Simulations-Programm kaufen würde. Die allgemein positive Resonanz gab Bruce den Anstoß, sich tatsächlich an einem solch komplexen Programm zu versuchen. Obwohl er das fliegerische Hintergrundwissen schon seit Jahren besaß, hatte er bisher nicht an eine Flugsimulation gedacht.


Bruce Artwick, Präsident und Chefprogrammierer bei Sublogic, kann auf eine Reihe erfolgreicher Programme zurückblicken

Im Juni 1979 konnte Bruce vorausahnen, daß die Firma Sublogic keine Eintagsfliege mit Freaksoftware sein muß, sondern eine ernstzunehmende Software-Firma werden kann. Außerdem machte ihm die Arbeit bei Hughes nur noch wenig Spaß, da es für gute Leistungen keine Belohnungen gab. Zu guter Letzt wurde es auch zu teuer, Sublogic auf Los Angeles und Champaign aufzuteilen. Also kündigte Bruce bei Hughes, zog wieder zurück nach Champaign und arbeitete mit Hochdruck an seinen neuen Programmen.

Ende 1979 erschien dann »Flight Simulator« für den Apple II und TRS-80, natürlich nur auf Kassette. Es wurden 15 000 Stück verkauft, für damalige Zeiten ein sensationeller Erfolg. Zu dieser Zeit verwirklichten Stu und Bruce einen lange gehegten Traum und kauften im Juni 1980 ihr erstes eigenes Flugzeug, eine 18 Jahre alte Cessna 150. Im Sommer 1980 begann die Firma Sublogic auch zu wachsen, die ersten Mitarbeiter wurden eingestellt, weil sich Stu und Bruce nicht mehr um Dinge wie Telefondienst, Verpackung und Versand kümmern konnten. Außerdem begann man, nach weiteren Programmierern Ausschau zu halten, damit Sublogic mehr und unterschiedliche Programme anbieten könne.

Das nächste Produkt von Sublogic war »Saturn Navigator«, eine Weltraum-Flugsimulation für den Apple II. Dieses Programm stammte von Wesley Huntress, der nur dieses eine Projekt für Sublogic durchführte. In der Zwischenzeit war Bruce mit zwei anderen Programmen beschäftigt. Zum einen arbeitete er an einem Spiel für den Apple: »Night Mission Pinball«, eine Flipper-Simulation, die es mit dem damaligen Flipper-Bestseller, »Raster Blaster« von Bill Budge, aufnehmen sollte. Night Mission hatte natürlich Flugzeuge zum Tnema und kletterte in den amerikanischen Charts schnell nach Dben.

Etwa um diese Zeit trat die Firma Microsoft an Sublogic heran. Microsoft entwickelte gerade das Betriebssystem für einen neuen Computer von IBM, den IBM-PC. Neben dem Betriebssystem wollte Microsoft aber auch einige fertige Programme anbieten, mit denen die Fähigkeiten des Computers demonstriert werden sollten. Natürlich dachte man an eine Flugsimulation, da der Flight Simulator auf dem Apple sich fantastisch verkauft hatte. Microsoft fragte also bei Bruce Artwick an, ob er nicht eine Umsetzung für den PC programmieren könne. Bruce sah sich den neuen Computer an und war begeistert: farbige, hochauflösende Grafik, viel Speicherplatz im RAM und auf Diskette. Eine einfache Umsetzung hätte es da nicht getan. Also nahm er sich lieber ein Jahr Zeit und programmierte die zweite Generation der Flugsimulationen, den »Flight Simulator II«.

Ende 1982 kam der FS2, wie er kurz genannt wird, auf den Markt, 1983 erschienen dann Umsetzungen auf den C 64, Apple II und später auch Atari XL. Während die MS-DOS-Version von Microsoft veröffentlicht wurde, erschienen die Umsetzungen direkt bei Sublogic. Von da an war der Erfolg von Sublogic nicht mehr zu bremsen. Noch heute findet man in jedem Software-Geschäft die FS2-Versionen für MS-DOS, C 64 und Apple.

Zwischen 1983 und 1986 probierte Sublogic sein Glück in anderen Software-Bereichen. So gab es einige Strategie-Spiele, Lern-Software und auch ein Action-Spiel. Doch all diese Produkte waren nicht besonders erfolgreich. Bruce meint dazu: »Die Leute kennen uns wegen unserer Simulationen und deswegen haben wir auch den Ruf als reines Simulations-Softwarehaus weg. Es war vielleicht ein Fehler, unsere Produkt-Palette auf andere Bereiche auszuweiten. Jetzt jedenfalls beschäftigen wir uns fast nur noch mit Simulationen. Außerdem macht uns das viel mehr Spaß.«

1985 erschien eine weitere Flugsimulation namens »Jet«, bei der man heiße Luftschlachten nachspielen kann. Jet gab es zuerst auf PCs, später dann auf Apple und C 64. Anfang 1986 wurde Amerika digitalisiert, denn es erschienen sechs Disketten mit den Landschafts-Daten der westlichen Hälfte der USA. Diese »Scenery Disks« können sowohl mit FS2 wie mit Jet benutzt werden. Ende 1986 kamen die ST- und Amiga-Versionen des FS2 auf den Markt. 1987 war es ruhiger, es erschienen lediglich zwei weitere Scenery Disks mit Gebieten aus dem Osten der USA.

1988 hat für Sublogic ungewöhnlich wild angefangen: »Stealth Mission« für den C 64, programmiert von Steve Setzier, und Jet für Amiga und Atari ST, programmiert von Mike Kulas, Matt Toschlog und Chris Green, sind gerade fertiggeworden.

Bei einem Gang durch die Büros von Sublogic treffen wir Michael Woodley, der neue Scenery Disks entwickelt. Im Augenblick arbeitet er an einer Europa-Diskette. Wir durften in seinem Büro schon eine Probe-Runde über München fliegen, einer der vier deutschen Städte, die in das Programm integriert wurden.

Bruce Artwick selber arbeitet gerade an der dritten Generation seines Flugsimulators, FS3 für MS-DOS-PCs. Diese neue Version wird die Hardware-Fähigkeiten der neuen PCs (EGA-Grafik, schnellere Prozessoren) unterstützen und ähnliche Menüs und Funktionen wie FS2 auf ST und Amiga haben. Der FS3 wird im Frühjahr bei Microsoft erscheinen. Umsetzungen sind im Augenblick nicht geplant.

In den zehn Jahren, die Sublogic schon existiert, ist die Firma von zwei auf über 60 Mitarbeiter angewachsen. Die Produkte werden komplett im Hause gestaltet: Programmierung, Entwurf von Anleitung, Verpackung und Anzeige, Duplizieren der Disketten, verpacken und versenden der fertigen Produkte. Lediglich Dinge, die nur mit sehr großem technischen Aufwand zu bewältigen wären, wie etwa der Druck der Verpackung, werden außerhalb erledigt.

Neben den eigenen Produkten und den Umsetzungen auf andere Computer bietet Sublogic seine Dienste auch anderen Firmen an.


Stu Moment, Geschäftsführer von Sublogic, ist ausgebildeter Fluglehrer und außerdem ein echter Flugzeugnarr

So arbeitet man mit dem Software-Haus Actionsoft zusammen, das ebenfalls in Champaign zu finden ist. Die Programmierer von Sublogic schreiben beispielsweise Routinen für 3D-Grafik nach den Vorgaben von Actionsoft. Das Teamwork mit anderen Software-Häusern könnte in Zukunft noch weiter ausgebaut werden.

Die Programmierer von Sublogic verbindet eines: Der Spaß an der Technik, egal ob es Flugzeuge oder Computer sind. Bruce Artwick hat beispielsweise auch eine Vorliebe für schnelle Motorräder und hat in seinem Leben schon mehrere Dutzend Motorräder besessen. Er meint: »Ich fahre sie nicht zu Schrott, sondern kaufe immer neue und verkaufe die alten.« Und wenn Stu Moment zu einem Geschäftstermin in eine andere Stadt muß, dann fliegt er natürlich — allerdings als Pilot in einem der beiden Flugzeuge, die Sublogic gehören. Zusammen machen Stu und Bruce mit ihrem Team auf dem Heimcomputer möglich, was in der Realität für den Privatmann zu teuer und zu gefährlich wäre. (bs)


Boris Schneider
Aus: Happy Computer 06 / 1988, Seite

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