Kobold - Ein hilfreicher Geist

Bild 1: KOBOLD im Überblick

Ich kann mich noch recht gut daran erinnern, wie ich in der Anfangszeit des ST Dateien von einer Diskette auf die andere kopiert habe.

Eigentlich ist das ja ganz einfach. Schließlich genügt es, die Dateien per Maus von Laufwerk A auf Laufwerk B zu verschieben. Nur dumm, wenn man nicht mit zwei Floppies arbeitet. Dann heißt es nämlich. Diskjockey spielen und für jede Datei Quell- und Zieldiskette zu vertauschen.

Not macht jedoch erfinderisch, und so kam ich nach einer gewissen Zeit darauf, die zu kopierenden Dateien zunächst von der Quelldiskette auf eine RAM-Disk (eine Festplatte tut es natürlich auch) zu kopieren, die Disketten zu wechseln und an-schließend die Daten auf die Zieldiskette zu schreiben. So brauchen die Disketten nur jeweils einmal ausgetauscht zu werden. und der Kopiervorgang ist erledigt.

Mit zwei Floppies, so dachte ich, sollte das Kopieren von Dateien optimal verlaufen. Dem ist aber leider nicht so. Zwar erübrigen sich nun die Diskettenwechsel bzw. die RAM-Disk, dennoch braucht das Kopieren seine Zeit. Jede Datei wird nämlich einzeln gelesen und auf die Zieldiskette geschrieben. Der ständige Wechsel zwischen beiden Floppies sorgt für spürbare Verzögerungen.

Die Forderung

Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Vorgehensweise beim Kopieren denn nun maximale Geschwindigkeit verspricht. Die Nachteile der bisher angesprochen Verfahren sollten, soweit möglich, entfallen. Auf den Punkt gebracht: Das Kopieren von Dateien soll auch mit einem Laufwerk bei einer minimalen Zahl von Diskettenwechseln in kürzester Zeit erledigt werden.

Der anspruchsvolle ST-User hätte natürlich nichts gegen einige zusätzliche Funktionen einzuwenden. Nützlich ist beispielsweise die Möglichkeit, die gleichen Dateien auf mehrere Disketten (oder auch Festplatten) zu kopieren, ohne jedesmal die Quelldaten neu einlesen zu müssen. Wo es schon um das Thema „Kopieren“ geht, wäre eine für das Anfertigen von Sicherheitskopien besonders geeignete Funktion ebenfalls nicht zu verachten.

Die Lösung

Wenn Sie nun denken, daß ich Ihnen mit KOBOLD ein Programm vorstellen möchte, das die obigen Punkte (und noch mehr) erfüllt, so liegen Sie richtig. Mit KOBOLD lassen sich beim Kopieren von Dateien verblüffende Geschwindigkeiten erreichen.

Die Bedienung von KOBOLD gestaltet sich dabei recht einfach. Bild 1 gibt hier bereits einige Aufschlüsse. Nachdem das Quellaufwerk ausgewählt wurde, bleibt es dem Anwender freigestellt, diejenigen Dateien auszuwählen, die im weiteren Verlauf anderswo untergebracht werden sollen. Dabei gibt es nicht die vom Desktop bekannte Einschränkung, lediglich Dateien innerhalb einer einzigen Verzeichnisebene auswählen zu dürfen. KOBOLD ist hier toleranter. Es spielt keine Rolle, ob sich die markierten Dateien im gleichen Ordneroder in unterschiedlichen Verzeichnissen befinden. Beim Kopieren werden auf dem Zielmedium automatisch alle Verzeichnisse, die eventuell noch nicht existieren, neu angelegt.

Es ist möglich, so viele Dateien zu selektieren, wie die Größe des Dateipuffers erlaubt. Was diesen Puffer betrifft, wird sein Fassungsvermögen bei den Parametern voreingestellt. Wichtig für TT-Besitzer: Der Puffer kann sowohl im ST- als auch im TT-RAM angelegt werden. Hat man alle gewünschten Dateien ausgewählt, werden diese mittels „Einlesen“ in den Speicher geladen. „Schreiben“ erlaubt es anschließend, die Daten an anderer Stelle unterzubringen. Sollen die gleichen Dateien mehrmals kopiert werden, so genügt es, diese nur ein einziges Mal einzulesen, da der Puffer nur auf Verlangen geleert wird.

Steht nur wenig RAM zur Verfügung, oder sind sehr viele Dateien zu kopieren, so kann es Vorkommen, daß der Puffer nicht ausreichend Platz für alle Daten bietet. In diesem Fall können die Dateien direkt kopiert werden, ohne also zunächst in ihrer Gesamtheit in den Puffereingelesen zu werden.

Bild 2: Wer die Wahl hat

Backup-Unterstützung

Neben dem bisher beschriebenen reinen Kopieren von Dateien bietet KOBOLD die Möglichkeit, sogenannte „inkrementelle Backups“ anzufertigen. Dahinter verbirgt sich das Prinzip, im Verlauf eines Backup-Vorgangs nur diejenigen Dateien zu sichern, die sich seit dem letzten Backup verändert haben. Ob eine Veränderung stattgefunden hat, läßt sich an zwei Kriterien erkennen, wobei es davon abhängt, mit welcher TOS-Version man arbeitet.

Einen Anhaltspunkt bieten das Datum sowie die Uhrzeit, zu der eine Datei erzeugt wurde. Ist eine Datei jüngeren Datums als ihr Backup-Duplikat, kann davon ausgegangen werden, daß diese Datei seit dem letzten Backup verändert wurde. Voraussetzung für ein Backup anhand des Datei-Datums ist natürlich eine korrekt gestellte Systemuhr.

Rechner, die mit TOS 1.04 oder einer neueren TOS-Version arbeiten, stellen ein weiteres Merkmal zu Verfügung, das für einen Backup-Vorgang eine wichtige Hilfestellung bietet. Hierbei handelt es sich um das Archiv-Bit. Wird eine Datei verändert, wird dieses Bit, das zusammen mit dem Dateinamen und einigen weiteren Informationen im Directory-Eintrag zu dieser Datei abgelegt ist, automatisch gesetzt. Für ein Backup kommen demnach nur Dateien mit gesetztem Archiv-Bit in Frage, da andere Dateien seit dem letzten Backup nicht verändert wurden. Im Verlauf eines Backup-Vorgangs, der sich am Archiv-Bit orientiert, muß dieses Bit bei den bereits kopierten Dateien gelöscht werden.

KOBOLD stellt es dem Anwender frei, nach welchem der genannten Kriterien ein Backup erfolgen soll. Auch eine Kombination beider Verfahren kann realisiert werden.

Auf den zweiten Blick

Nun könnte man mit den Backup-Funktionen, so wie sie bisher beschrieben wurden, durchaus zufrieden sein. Aber dieser Eindruck bleibt nur auf den ersten Blick bestehen. Schließlich kann es durchaus Vorkommen, daß man Backups verschiedener Festplattenpartitionen nach unterschiedlichen Kriterien durchführen will. Dies hieße, daß man nach dem Start von KOBOLD für jede Partition neue Parameter und Backup-Kriterien eingeben bzw. vordem Backup-Vorgang neue Parameter laden müßte.

Die Möglichkeit, KOBOLD im Batch-Betrieb (Stapelbetrieb) einzusetzen, macht diese Arbeiten glücklicherweise überflüssig. So läßt sich das Programm über Textdateien, die recht einfach zu handhabende Befehle enthalten, in fast allen Funktionen steuern, ohne daß man noch einen Mausklick oder einen Tastendruck darauf verschwenden müßte. Es muß lediglich einmal eine Datei erzeugt werden, in der genau festgehalten wird, welche Aktionen KOBOLD auszuführen hat, wenn das Programm in Verbindung mit dieser Datei aufgerufen wird. Wie eine solche Datei aufgebaut sein kann, wird im KOBOLD-Handbuch mit Beispielen erläutert.

Sonst noch was?

Zwar ist der Hauptanwendungsbereich von KOBOLD das Kopieren von Dateien, aber einige zusätzliche Funktionen stehen dennoch bereit. So lassen sich mit KOBOLD Disketten in den wichtigsten Formaten formatieren, wobei auch HD-Laufwerke am ST unterstützt werden. Bei Schreib-Operationen kann wahlweise mit oder ohne Verify gearbeitet werden. Hier bleibt es natürlich dem Anwender überlassen, zwischen Geschwindigkeit und zusätzlicher Sicherheit zu entscheiden.

Besondere Erwähnung soll an dieser Stelle noch die Möglichkeit finden, bereits eingelesene Dateien umzuorganisieren und dann erst auf das Zielmedium zu schreiben. Verspürt man während eines Kopiervorgangs also den Wunsch, Datei XY zunächst in einem anderen Ordner unterzubringen. bevor die Daten geschrieben werden, so läßt sich dieses Unterfangen leicht mit KOBOLD erledigen.

Schließlich lassen sich mit KOBOLD noch Dateien löschen und verschieben, das ganze mit der üblichen hohen Geschwindigkeit. Ein Verschieben ist übrigens mit allen TOS-Versionen möglich.

Kommunikation erwünscht

Nachdem bisher davon die Rede war, wie man KOBOLD als reiner Anwender einsetzen kann, soll nicht unerwähnt bleiben, daß man als Programmierer davon profitieren kann, daß sich KOBOLD aus eigenen Programmen heraus aufrufen läßt. Wichtig ist lediglich, daß KOBOLD als Accessory installiert ist. Mittels APPL_WRITE und APPL_READ kann dann ein Datenaustausch zwischen KOBOLD und anderen Programmen stattfinden. Hierdurch wird es möglich, KOBOLD zum Kopieren von Dateien oder aber auch zu anderen Funktionen zu animieren. Dies ähnelt einem Batch-Betrieb.

Noch ein Hinweis zum Stichwort „Kommunikation“: KOBOLD arbeitet auch mit Medien zusammen, die nicht den für Festplatten oder Disketten typischen Aufbau haben. So läßt sich das Programm mit einem leichten Geschwindigkeitsverlust auch als Kopierprogramm in Verbindung mit Netzwerken einsetzen.

Bild 3: KOBOLD-Parameter

Und nun die Zugabe

Was KOBOLD betrifft, wären wir eigentlich schon am Ende dieses Tests angelangt. Der Vollständigkeit halber soll jedoch noch kurz auf einige weitere nützliche Programme eingegangen werden, die im Lieferumfang von KOBOLD enthalten sind.

Da wäre zunächst das Programm COR-RECT, das es erlaubt, den korrekten Aufbau von Ordnern zu überprüfen sowie die Disk-Belegungstabelle (FAT, File Allocation Table) zu testen. Die FAT enthält Angaben darüber, welcher Sektor eines Datenträgers zu welcher Datei gehört. Fehler in der FAT können insbesondere auf lange Sicht zu empfindlichen Datenverlusten führen. Die regelmäßige Nutzung von CORRECT hilft, es nicht so weit kommen zu lassen. TREE CHECK stellt Funktionen zur Verfügung, die einen rekursiven Dateivergleich ermöglichen.

Abgerundet wird die Liste der zusätzlichen Dateien durch Programme, die auf KOBOLD abgestimmt sind und den Einsatzbereich des Dateikopierers insbesondere in Verbindung mit Batch-Dateien erweitern.

In der Tat hilfreich

Das Arbeiten mit KOBOLD hat bei mir manchmal gewisse Unsicherheiten hervorgerufen, wobei dies im positiven Sinne zu verstehen ist. Beim Kopieren von Dateien auf eine gefüllte Festplattenpartition hatte ich nämlich häufig den Eindruck, daß es so schnell eigentlich gar nicht funktionieren könne. KOBOLD belehrt einen hier eines Besseren. Neben den eigentlichen Kopierfunktionen sind auch die Backup-Möglichkeiten des Programms sehr interessant. Zusammen mit dem ausführlichen Handbuch erwirbt man mit KOBOLD zum Preis von 85 DM ein durchaus empfehlenswertes Produkt, das gleichermaßen für ST und TT geeignet ist.

Bezugsadresse:
Kaktus Richstein & Dick GbR Konrad- Adenauer Straße 19 W -6750 Kaiserslautern


Uwe Seimet
Aus: ST-Computer 09 / 1991, Seite 156

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