Kobold 2 - Zwergenaufstand

Als Werkzeug für schnelle Kopieraktionen ist der Dateikopierer Kobold recht beliebt. Bereits auf der Atari-Messe konnte man einen ersten Blick auf die neue Programmversion werfen. Inzwischen ist sie offiziell erhältlich.

Zunächst die schlechte Nachricht: Kobold 2 ist nicht schneller als die bisherige Version. Wer bereits mit Kobold Bekanntschaft gemacht hat [1], wird dies aber auch kaum erwartet haben. Nicht zu Unrecht wurde nämlich für dieses Produkt die Bezeichnung „Hochleistungs-Dateikopierer“ gewählt. Die Geschwindigkeitsreserven der Atari-Computer werden, was das Kopieren von Dateien angeht, in der Tat voll ausgereizt.

Tempolimit unerwünscht

Für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit der Frage beschäftigt haben, wie ein Programm prinzipiell für deutlich schnellere Kopieroperationen sorgen kann, sollen an dieser Stelle ein paar grundlegende Bemerkungen stehen. Beim Kopieren über den Atari-Desktop wird jede Datei einzeln bearbeitet. Werden mehrere Dateien kopiert, hat das eine Vielzahl von getrennten Lese- und Schreibzugriffen zur Folge. Dabei wird ständig von neuem überprüft, an welcher Stelle auf dem Zielmedium wieviel Platz ist. Selbst ein Atari mit nur einem MByte RAM bietet aber mehr als genug Speicher, um gleich mehrere Dateien in einem Aufwasch zu kopieren und so den leidigen Verwaltungsaufwand zu minimieren. Und genau dies ist das Prinzip von Kobold. Darüber hinaus werden alle Lese- und Schreibzugriffe soweit optimiert, daß zum Bewegen der Daten möglichst wenige Operationen benötigt werden. Auch wenn es sich nicht unbedingt so anhört, als ob man durch dieses Verfahren besonders viel Zeit sparen könnte, wird man in der Kobold-Praxis eines Besseren belehrt. So läßt sich leicht eine Geschwindigkeitssteigerung um den Faktor 10 bis 20 erreichen, in manchen Fällen erhält man sogar noch bessere Werte.

Neues Erscheinungsbild

Bereits rein optisch zeigt sich Kobold 2 nach dem Programmstart in neuem Gewand. Altvertraut sind die Bereiche, in denen die Dateien des Quell- bzw. Zielmediums angezeigt werden. Wie bisher ist es möglich, zunächst Dateien von verschiedenen Quellen einzulesen, bevor sie dann auf das Ziellaufwerk geschrieben werden. Auch eine Reihe von dateiorientierten Funktionen wie das Löschen einzelner Dateien oder ganzer Laufwerke sowie das Verschieben von Daten werden von Kobold in hoher Geschwindigkeit ausgeführt. Bereits eingelesene Dateien lassen sich vor dem Zurückschreiben in dem Sinne umorganisieren, daß sie in einen anderen Ordner verlegt werden. Da solche Aktionen lediglich im Speicher des Rechners ablaufen, also keine Plattenzugriffe notwendig sind, ist ein Arbeiten ohne Wartezeiten garantiert. Viele Programmfunktionen von Kobold werden nicht mehr wie bisher über Knöpfe, sondern über die Menüleiste erreicht, die sich als Teil des Kobold-Fensters präsentiert. Durch Shortcuts und über die Funktionstasten ist das Programm weiterhin vollständig per Tastatur bedienbar. Dialoge lassen sich auf Wunsch in Fenstern unterbringen, so daß in einem Mehrprozeßsystem der Wechsel zu einer parallel laufenden Anwendung erlaubt ist. Da ein Programmwechsel auch während eines Kopiervorgangs möglich ist, bietet es sich an, umfangreiche Aktionen im Hintergrund ablaufen zu lassen. Hiervon profitiert man übrigens nicht nur in einer echten Multitasking-Umgebung, sondern auch im normalen Betrieb. Kobold läßt sich nämlich auch als Accessory einsetzen und ist so jederzeit präsent. Datenverluste bei der Arbeit von Kobold im Hintergrund sind nicht zu befürchten, da Kobold in der Lage ist, Quell- und Ziellaufwerk während des Kopiervorgangs für Zugriffe anderer, parallel laufender Anwendungen zu sperren.

Bild 2: Kriterien für die Datenauswahl

Auf Jobsuche

Alle innerhalb von Kobold zugänglichen Operationen können in Form eines sogenannten Jobs (Batch) gesteuert werden. Bei einem Job wird es sich in der Regel um einen automatisierten Kopiervorgang handeln. Die Job-Befehle werden Kobold in Form einer Textdatei übergeben. Nun ist es nicht jedermanns Sache, mit einem Editor erst eine Datei erzeugen zu müssen, die die Job-Kommandos beinhaltet. Bisher war dies aber die einzige Möglichkeit, einen Kobold-Job zu definieren. Kobold 2 gibt sich hier benutzerfreundlicher und erlaubt endlich die automatische Erzeugung von Job-Dateien. Dazu muß der Anwender lediglich genau die Aktionen ausführen, die später einmal ohne weiteres Zutun ablaufen sollen. Kobold merkt sich diese Operationen und speichert sie in Form einer fertigen Job-Datei, die nachträglich noch mit einem Texteditor weiterbearbeitet werden kann. Eine Reihe von nützlichen Job-Beispielen ist bereits auf der Kobold-Programmdiskette enthalten. Jobs nimmt Kobold 2 übrigens auch von anderen Programmen entgegen. Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß Kobold entweder als Accessory installiert ist oder in einer Multitasking-Umgebung parallel läuft, über eine spezielle Schnittstelle kann ein Programm Kobold aktivieren und zur Ausführung bestimmter Aktionen veranlassen. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Job-Bearbeitung noch erwähnenswert, daß Kobold einen Job zu einer vorwählbaren Uhrzeit automatisch starten kann. In Verbindung mit der bereits angesprochenen Möglichkeit, Kobold im Hintergrund laufen zu lassen, bieten sich so ganz neue Ansatzpunkte für automatisierte Backups oder ähnlich zeitaufwendige Angelegenheiten.

Backups

Zu Backups mit Kobold ist grundsätzlich zu sagen, daß diese ausschließlich dateiorientiert angelegt werden können. Es ist also nicht möglich, eine komplette Festplattenpartition an einem Stück auf mehreren Disketten unterzubringen. Ein Aufteilen der zu sichernden Daten in kleinere Einheiten, die dann jeweils auf getrennten Disketten untergebracht werden, ist unerläßlich. Diese Einschränkung hat den Nachteil, daß Komplett-Backups auf Disketten nur durch die Erstellung eines ausgefeilten Jobs angelegt werden können. Der Vorteil der mit Kobold erstellten Back-ups liegt darin, daß alle Daten unkomprimiert auf vom Desktop lesbaren Disketten vorliegen. Einzelne Dateien lassen sich also unkompliziert wieder restaurieren. Besonders interessant sind die von Kobold gebotenen Backup-Möglichkeiten für Besitzer einer Wechselplatte. Hier ist die Problematik der Verteilung von Dateien auf mehrere Medien nebensächlich. Durch eine Vielzahl von Kriterien bei der Auswahl der Quelldateien (Bild 3) lassen sich leicht sogenannte inkrementelle Backups auch größeren Umfangs realisieren. Dabei werden nur diejenigen Daten gesichert, die sich seit dem letzten Backup geändert haben bzw. neu hinzugekommen sind. Hat man sich einmal eine Job-Datei für eine solche Operation erstellt (oder von Kobold aufzeichnen lassen), stellen inkrementelle Backups ein Kinderspiel dar.

Disketten-Jongleur

Mit Kobold 2 lassen sich nicht nur Dateien schnell und komfortabel kopieren. Das Programm bietet ferner eine ganze Reihe weiterer nützlicher Funktionen. Besonders hervorgehoben sei die Möglichkeit, nicht nur DD- und HD-Disketten, sondern auch ED-Disketten formatieren und bearbeiten zu können (Bild 3). Allen, denen der Begriff ED noch nicht geläufig ist, sei gesagt, daß es sich hierbei um eine Abkürzung für Extended High Density handelt. Dieses Diskettenformat, das bereits auf dem NeXT und neuen IBM-PCs zur Verfügung steht, erlaubt es, mit speziellen ED-Laufwerken 2.88 MB an Daten auf ED Disketten zu speichern. Auch für alle Atari-Computer sind inzwischen ED-Aufrüstsätze von Fremdanbietern erhältlich. Wie so häufig, läßt sich die vorgesehene Diskettenkapazität auch hier noch steigern, so daß auf ED-Disketten mehr als 3 MB an Daten untergebracht werden können.

Bild 3: Auch ED-Disketten sind erlaubt

Prädikat wertvoll

Kobold 2 verrichtet auf meinem Rechner nun schon seit geraumer Zeit seine Arbeit und hat sich als schnelles, zuverlässiges Tool erwiesen. Die neue, zeitgemäße Oberfläche läßt sich vorteilhaft unter Multi-TOS sowie auf dem Falcon030 einsetzen, und zwar sowohl als Accessory als auch als Programm. Durch einen speziellen Zugriffsmodus steht auch einer Verwendung in Netzwerken nichts im Wege. Im Lieferumfang sind eine Reihe nützlicher Hilfsprogramme enthalten, die das Produkt zusätzlich aufwerten. Wer es leid ist, beim Kopieren größerer Datenmengen unnötig viel Zeit zu verschwenden, dem kann für DM 129,- geholfen werden. Registrierte Benutzer der alten Kobold-Version kommen gegen eine Upgrade-Gebühr von DM 50,- und Einsendung der Originaldiskette in den Genuß des neuen Programms, das auch ein vollständig überarbeitetes Handbuch umfaßt.

Bezugsquelle:

Kaktus - Bestechende Software Richstein & Dick GbR Konrad- Adenauer-Straße 19 W-6750 Kaiserslautern

Literatur:

[1] Kobold - Ein hilfreicher Geist“ ST-Computer 9/91

Kobold 2

Positiv:

hohe Kopiergeschwindigkeit
läuft als Programm und Accessory
automatisches Kopieren über Job-Dateien
unterstützt Diskettenformate bis 2,88 MB

Negativ:

kein automatisches Aufteilen bei Festplatten-Backups


Uwe Seimet
Aus: ST-Computer 12 / 1992, Seite 42

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