Reportage: Lauschaktion am Ionenkanal

Atari wirbt mit stolzgeschwellter Brust im Hörfunk: Medizin-Nobelpreis mit dem ST! In der Tat benutzten die beiden Preisträger Erwin Neher und Bert Sakmann Mega-STs für ihren Sprung ins Jahr 2000. Und die forschen auch heute kräftig in Labors und Pharmaindustrie.

EGBERT MEYER UND HARTMUT ULRICH

Am 7. Oktober knallen im Fachbereich Membran-Biophysik des Göttinger Max-Planck-Instituts die Sektkorken. In die Party platzen nicht unerwartet die Fernsehteams von ARD und ZDF. Im Scheinwerferlicht der Kameraleute: Erwin Neher, dem Stunden zuvor die Königliche Schwedische Akademie die eine Hälfte des mit 1,7 Millionen Mark dotierten Medizin-Nobelpreises zuerkannt hatte. Die Ehrung erhalten Neher und sein Kollege Bert Sakmann für die Entwicklung einer genialen Meßmethode, die in Fachkreisen schon seit geraumer Zeit für Furore sorgt.

Beim Interview will es ein Kameramann genauer wissen, schwenkt den Hintergrund ab, bleibt an einem Atari-Monitor SM124 mit zwei geöffneten Desktop-Fenstern hängen. Verbirgt sich etwa hinter der »Spielekiste« das Geheimnis der Göttinger Forscher?

An der »Revolution der Zellbiologie«, wie es in der Würdigung des Nobelkomitees heißt, ist der mausgraue Computer aus Sunnyvale tatsächlich nur am Rande beteiligt. Der Einsatz von Computern war lediglich ein Schritt zur Verfeinerung der Meßmethoden bei der Ionen-kanal-Erforschung, die nirgendwo so intensiv und erfolgreich betrieben wurde wie seit rund zehn Jahren in Göttingen.

Schaltschema der Versuchsanordnung im Test-Mode
Ein EPC-9 mit Mega-STE und Simulatorschaltung

Neher und Sakmann operieren mit unendlich winzigen Strömen (s. Kästen »Was ist ein Ionenkanal?« und »Nachrichten aus der Zelle«). Reinhold Penner, Biologe und Mitarbeiter Nehers, umreißt präzise die Problematik: »Die Schwierigkeit ist, daß wir jeweils extrem schnelle und gleichzeitig sehr kleine Ereignisse aufzeichnen.«

Das größte Hindernis beim Belauschen des Zwiegesprächs der Zellen ließ sich anfangs kaum in den Griff bekommen: Bei solch unvorstellbar kleinen Strömen genügt z. B. die Kapazität eines in der Nähe arbeitenden Netzteils, um das Meßergebnis gnadenlos zu überlagern.

Ein wüstes Gewirr aus Kabeln und Geräten: Göttinger Forschungslabor
Die selbstentwickelte Apparatur der Göttinger besteht aus einem Gerät zum präzisen Zuführen der Pipette an die Versuchszelle — sorgfältig mit Blech abgeschirmt Im Vordergrund steht ein Mikroskop.

Diesem Dilemma versuchte man auf unterschiedliche Weise zu begegnen: Als gewichtigste Störquelle erwies sich zunächst das Herzstück der Versuchsanordnung selbst, das Patch-clamp-Set-up. Die stattliche Apparatur aus eigener Entwicklung steht, um Störeffekte auszublenden, in einem ein Meter hohen Eisenkasten, einem Faradayschen Käfig. Wichtigstes Bauteil ist eine in zahllosen Tests verfeinerte und optimierte Glaspipette, deren sorgsam polierte feine Spitze gerade einen tausendstel Millimeter mißt. Angesichts dieses Präzisionsinstruments wirkt selbst das hochkarätige Zeiss-Mikroskop am Probentisch nebst eingebauter Kamera für Makroaufnahmen wie biedere Zugabe. Die Pipette selbst und der Elektrolyt im Glasröhrchen sowie die Trägerflüssigkeit, in der die Zellen schwimmen, erzeugen ebenfalls ein derart heftiges Rauschen, daß ohne Filtern und Wegblenden kein Meßergebnis zu gebrauchen wäre. Durch Verringerung der Flüssigkeitsmenge und Beschichtung der Pipettenspitze mit Silikonkautschuk konnten die Forscher den Störpegel auch hier auf ein Mindestmaß reduzieren.

Meßtechnik mit ST

Die Feinabstimmung aller Filtermechanismen übernimmt seit 1986 ein Mega ST. Die Software wurde unter Modula und dem TDI-Compiler zum Teil in Yale/ USA, zum Teil am Max-Planck-Institut entwickelt. Die Hauptaufgabe des Computers besteht in der Steuerung eines speziellen Patchclamp-Amplifier-Boards, das das Institut in direkter Zusammenarbeit mit der Lam-brechter Firma Heka Elektronik entwickelt hat. Mittlerweile übernimmt die Pfälzer Firma große Teile der Software-Weiterentwicklung sowie die Anpassung an Kundenwünsche. Weltweit sind nach Aussagen des Geschäftsführers Dr. Ing. Peter Schulze bereits rund 2500 Geräte im Einsatz.

Das »EPC-9« besteht aus mehreren Platinen mit Netzteil in einem Einschubgehäuse. Um Störeffekte zu minimieren, wurde das Netzteil überdimensioniert, so daß es im Betrieb kaum belastet wird. Das Gerät besteht im wesentlichen aus einem A-D-Wandler, über den ROM-Port am ST angeschlossen und einem komplexen Analogverstärker (Stromspannungswandler). Der Wandler ist auf acht analoge Eingänge und vier 16-Bit-Ausgänge verteilt. Er verstärkt die kaum nachweisbaren Stromimpulse aus den Ionenkanälen auf ± 10 V. Die Wandlergeschwindigkeit von einem Meßpunkt zum nächsten beträgt dabei je nach Programmierung zwischen 5 ps und 65 ms, die Auflösung beträgt 14 Bit bis zu einer Wandlerrate von 10 s (100 kHz). Damit sind — natürlich abhängig von der Meßzeit — bei 4 MByte RAM 32 000 Meßpunkte möglich.

Winzige Ströme

Peter Schulze: »Wir haben das System weiterentwickelt und dem Computer den kompletten Abgleich der Störpegel übertragen.« Ganz am Anfang der Forschungsarbeit, weiß der Heka-Ge-schäftsführer, mußten die Wissenschaftler noch eine Unzahl von Reglern und Knöpfen sehr schnell und sehr präzise bedienen: Alle elektronischen Bauteile der Meßapparatur altern nämlich, sie »driften« und verfälschen dadurch das Meßergebnis. Bei »normalen« Schaltungen ist dieser Umstand kaum von Bedeutung, wohl aber bei so kleinen Strömen. Abgesehen davon, daß sich nicht jeder Biologe mit der Elektrotechnik anfreunden wollte, konnte es passieren, daß der Versuchsorganismus bereits abgestorben war, bis alle Geräte abgeglichen und Störgeräusche ausgefiltert waren. »Den Abgleich übernimmt jetzt der ST völlig automatisch. Damit besitzt der Forscher ein quasi 'ewig jungfräuliches’ Gerät. Die Meßarbeit kann heute jeder Medizinisch-Technische Assistent machen.« Klar, daß beispielsweise die Kundschaft in der Pharmaindustrie bei gleichem Resultat immense Kosten spart.

Was ist ein Ionenkanal?

Der menschliche Organismus besteht aus rund 200 Billionen Einzelzellen, die untereinander Informationen austauschen. Die Übermittlung der Nachrichten erfolgt spannungsgesteuert über elektrische Impulse oder chemisch gesteuert über sog. Transmitter.

Allerdings lebt jede Zelle zunächst einmal »ganz für sich allein«, isoliert vom restlichen Organismus durch eine doppelwandige »Schale«, die Zellmembran. Diese Membran trennt den Raum außerhalb der Zelle vom Zellinneren. Sowohl die Umgebung als auch das Zellinnere sind mit Flüssigkeit gefüllt, beide Flüssigkeiten enthalten eine bestimmte Konzentration an Ionen und Kationen. Ändert sich dieses Gleichgewicht aus irgendeinem Grund (z. B. durch Gifte, Medikamente oder »Mitteilungen« [Erregungspotentiale] von Nachbarzellen), reagiert die Zelle im Bestreben, den alten Zustand (Ruhepotential) wieder herzustellen.

Bauteile driften

In der Membran der Zelle finden sich Eiweißmoleküle, die durch ihre Molekularstruktur wie winzige Kanäle wirken und bestimmte andere Moleküle (z. B. Natrium- oder Kaliumionen an Wassermoleküle gebunden) bevorzugt passieren lassen. So fanden die Forscher Kanälchen für Kalium-, Natrium- und Kalziumionen.

Reagiert die Zelle auf ihre Umgebung, findet ein Ionentausch durch die Kanälchen in der Zellmembran statt. Dies ergibt eine kurzfristig meßbare Änderung der Spannungsverhältnisse an der Zellmembran — die »Sprache« der Zelle. Die winzigen Ströme liegen im Pikoampere-Bereich (Piko = ein Billionstel, 10 hoch minus 12) und damit nur knapp über der meßbaren Grenze von einem Femtoampere (Femto = ein Billiardstel, 10 hoch minus 15). Die Kanälchen öffnen sich verschieden schnell und bleiben unterschiedlich lange geöffnet (von 1 bis 100 Millisekunden). Ihr Zusammenwirken ermöglicht es dem Zellkörper, auf einen fortdauernden Reiz mit einer Folge von Signalen zu reagieren — die Zelle bringt die Stärke eines Reizes nach dem Prinzip der Frequenzmodulation zum Ausdruck.

Also: Signale (z. B. im Nervensystem) entstehen, indem Ionen durch die Membranen strömen. Kanäle in den Membranen regulieren die Ionenströme, Gifte etc. können sie blockieren. Funktioniert die Summe der Nachrichtensendungen nicht wie gewohnt, kommt es zu Störungen des Stoffwechsels und damit zu Störungen von Herz, Kreislauf, Gehirn und Muskeln.

Schaltschema und Reaktionsverhalten einer Zelle im Meßversuch, Die Fotos zeigen eine Zelle im Ruhepotential und eine Zelle mit angesaugter Membran (rechts).

Mit diesem »Joystick« wird die Zelle angefahren

Nachrichten aus der Zeile

Zu Beginn ihrer Forschungen konnten der Physiker Erwin Neher und der Mediziner Bert Sakmann von einem weitgehend gesicherten Szenario ausgehen: Der Organismus gleicht einer Medienlandschaft, einem perfekt organisierten Kommunikationsnetz mit Sendern, Empfängern und dem Nervensystem als zentralem Datenweg. Zu diesem Verbundnetz aus Nachrichtenerzeugung, -Weiterleitung und -Verarbeitung gehören auch die kleinsten organisch lebensfähigen Bestandteile, die Zellen.

Bereits Mitte der fünfziger Jahre machten die Engländer A. L. Hodkin und A. F. Huxley auf die Möglichkeit elektrischer Kommunikation von Zellen durch Fließen von Atomen mit unterschiedlicher elektrischer Ladung (Ionen) aufmerksam.

Der Weg, auf dem elektrische Informationen die Zelle verlassen, ließ sich lange nicht eindeutig nachweisen. Die Annahme des Forscherteams Neher/Sakmann, daß winzige Öffnungen in der Außenhaut der Zelle, sog. Ionenkanäle, als Nachrichtenleitungen dienen könnten, stieß zunächst auf heftigen Widerspruch bei Fachkollegen.

Der eindeutige Nachweis des Ionenflusses scheiterte daran, daß sich die Informationsströme schlicht und einfach der Meßbarkeit entzogen. Vor allem das Aufspüren einzelner Kanäle in der Zellmembran schien ausgeschlossen.

Erst eine unglaublich fein zugespitzte Glaspipette brachte dem Göttinger Forscherteam 1976 den erhofften Erfolg: Die bahnbrechende Patch-clamp-Technik (eine Eigenentwicklung) erlaubte es erstmals durch eine Mischung aus mechanischer und elektrotechnischer Messung, das »Gespräch« einer Zelle mit ihrer Umgebung zu belauschen. Durch geschicktes Filtern konnten die unvorstellbar geringen Impulse meßbar, hörbar und sichtbar gemacht werden.

Und so funktioniert die Technik: Zunächst wird die als Mikroelektrode eingesetzte Pipette an die Zelle herangeführt. Die Zelle schwimmt in einer physiologischen Kochsalzlösung (Natriumchlorid, NaCl), einer Flüssigkeit, die als Ersatz für die körpereigene Lymphflüssigkeit dient und z. B. auch Rettungssanitätern als kurzfristiger Blutersatz dient, um Schocks durch großen Blutverlust zu vermeiden. Die Pipette selbst ist ebenfalls mit diesen Elektrolyten gefüllt.

Liegt die Pipette an der Zellmembran, isoliert die winzige Öffnung der sich nach unten veijüngenden Glaskapillare ein Membranfleckchen (Patch) der äußeren Zellhülle von den elektrischen Ereignissen der Umgebung — anfangs geschah das jedoch so mangelhaft, daß es immer wieder zu störendem Fremdrauschen kam (also Störströmen), durch die angeschlossenen Geräte noch verstärkt.

Weitere Miniaturisierung der Spitze auf einen Durchmesser von nurmehr einem tausendstel Millimeter und das Ansaugen eines Teils des Oberflächenhäutchens der Zelle (Membran) durch einen leichten Unterdrück sorgten für den endgültigen Durchbruch. Dabei wurden einzelne Ionenkanäle durch Ansaugen mit dem Mund in die Spitze hineingezogen.

Und warum ausgerechnet Ataris? »Weil sie zum damaligen Zeitpunkt das beste Verhältnis von Preis und Leistung boten«, meint Schulze. Der US-Markt ist für das Pfalzer-High-Tech-Unternehmen ein äußerst wichtiger Faktor. Der Geschäftsführer verdeutlicht: »Die Amerikaner akzeptieren den ST unter keinen Umständen. Wir müssen hier auf Apple bzw. IBM ausweichen.« Schulze bedauert, daß die Produktion des Mega ST eingestellt wurde. Die Platine des Mega STE sei einfach zu breit für die 19-Zoll-Schränke seiner Kunden. Nicht nur deswegen ist für ihn der Mega STE »verschlimmbessert«.

ST viel billiger

1984, als anstatt des analogen Reglerparks erstmals Computer eingesetzt wurden, leisteten die Rechenarbeit noch DEC-Computer vom Typ PDP 11 mit 80-MByte-Festplatte und einem reichhaltigen Angebot an Steckplätzen — ein Auslaufmodell mit hohen Einstandskosten, das schließlich doch einen Systemwechsel notwendig machte. Schnell stellte sich heraus, daß die zunächst gar nicht favorisierten Ataris nicht nur rund 57 000 Mark billiger als ihre Vorgänger waren, sondern auch »exakt das gleiche leisteten«. Der, der das sagt, muß es wissen: Frank Würriehausen betreut in der Abteilung Membran-Biophysik Computer und Peripherie, hat selbst auch an der derzeit verwendeten Software mitgearbeitet.

Es ist schon ein wenig ungewöhnlich, Computer mit dem Ruf einer Spielekiste im Labor eines Nobelpreisträgers anzutreffen. Müßten hier nicht eigentlich Computer mit Industriestandard stehen? Würriehausen schüttelt den Kopf: »In unserer Abteilung haben wir lediglich einen einzigen PC. Der ist für Besuch aus den USA reserviert.«

Ist das nicht gerade ein Argument gegen Atari? »Keineswegs. Intel-Prozessoren bieten uns kein ausreichendes Spektrum, verfügen lediglich über einen eingeschränkten Befehlssatz.

Denken Sie allein an die problematische Speicherverwaltung unter DOS. 640 KByte — wer mehr braucht, benötigt Windows. Das ist aber nur eines der Probleme. Wir haben uns deshalb für eine 68000er CPU entschieden. Der Befehlssatz dieser Chips ist eine Grundvoraussetzung. Theoretisch könnte es natürlich auch jeder andere Computer mit diesem Prozessor sein.« Beispielsweise auch ein Amiga? »Sicherlich — der ST war lediglich eher da.«

Blick schräg auf die abgeschirmte Versuchsanordnung
Pipetten-Ziehgerät
EPC-9-Hauptplatine: rechts das Netzteil, vorne Meßanschlüsse
So werden die Meßergebnisse angezeigt
Eine Heizwendel erhitzt die feine Glaspipette

Dann schiebt er ein weiteres Argument nach: »Man darf nicht vergessen, daß es auch um Steuergelder geht. Wir haben gerade diesen Aspekt berücksichtigt, als sich die Frage nach forschungstauglichen Computern stellte. Daß sich der ST auch für andere Einsätze eignet, hat uns die Entscheidung erleichtert. Beispielsweise schreiben unsere Sekretärinnen ihre gesamte Korrespondenz mit 1st Word Plus«.

Zur Zeit entwickelt das Institut an 15 Setups mit verschiedenen Versuchsanordnungen auf etwa 20 handelsüblichen Mega STs. Fast immer zur Zufriedenheit der Forscher. Trotzdem gibt’s kritische Zwischentöne — zunächst off record. Schließlich rückt Frank Würriehausen aber doch mit seiner Wunschliste für die Zukunft heraus: »Wir erwarten in erster Linie schnellere Messungen, bessere grafische Darstellung und On-line-Analyse der Meßwerte. Deshalb sind wir auch von unserem Prinzip abgewichen, lediglich handelsübliche Computer zu verwenden. In einigen Geräten laufen bereits Hypercache-Beschleuniger, die allerdings den A-D-Wandler empfindlich stören.« Pannen gibt’s auch beim VMEbus: »Die Treiberbausteine erfüllen nicht die VME-Spezifikation — wahrscheinlich, weil Atari mal wieder am falschen Ort gespart hat.«

Beim Mega STE traten sogar derart hartnäckige Schwierigkeiten auf, daß Hardwarelieferant Heka Alarm schlug. Derweil steht in einer Ecke des Labors, offensichtlich ungenutzt, ein TT neuester Bauart. Würriehausen zuckt mit den Schultern: »Ein Gerät, mit dem wir aufgrund diverser Inkompatibilitäten nicht weiterkommen. Auf jeden Fall sieht niemand ein, unsere Programme an diesen Computer anzupassen.«

Genau das aber hat Atari bei der Entwicklung intendiert. »Zunächst wissen wir nicht einmal genau, worauf die Inkompatibilität beruht. Bevor wir da Weiterarbeiten, wechseln wir eher das System. Das wäre im Hinblick auf internationale Vermarktungschancen auch ganz im Sinne von Heka Elektronik.«

Systemwechsel

Die Annahme ist sicherlich nicht unbegründet. Leistungsfähige STs sind in den USA die Ausnahme (und werden es wohl bleiben). Lediglich das Modell 520 ST mit Color-Monitor ist leicht zu beschaffen. Wenn überhaupt verfügbar, lagern Monochrombildschirme wie Blei in den Händlerregalen.

Derweil plant Würriehausen schon mal für eine Atarilose Zukunft: »Die Entscheidung ist zwar noch nicht gefallen. Ein deutlicher Trend zum Macintosh zeichnet sich aber bereits ab.« Bleibt abschließend zu bemerken, daß Atari mit der Forschungsarbeit der Göttinger einen beträchtlichen Image-Gewinn verbuchen kann. Der wurde jedoch mit Maschinen erzielt, die mittlerweile nicht mehr produziert werden, die ausgerechnet in den USA nach wie vor in keiner Weise akzeptiert werden und die mit den Mega-STEs durch einen Nachfolgetyp abgelöst wurden, der sich nicht mehr so einsetzen läßt wie der Mega-ST — wirklich schade drum. (hu)

Die Software erlaubt Aufschlüsselung kleinster Vorgänge
Menü zur gezielten Reizvorgabe im Versuch
Hauptmenü mit Oszillatorfenster
Haupt-Screen für Abgleich und Voreinstellungen
## Zell-Fleckchen

Gleichzeitig allerdings verstärkte sich auch das störende Hintergrundrauschen durch Zusatzgeräte und den Computereinsatz: Die Serien-Mega-STs waren für derartig sensible Meßaufgaben nicht ausreichend abgeschirmt und beeinflußten den Rauschpegel negativ.

Eine verfeinerte Kombination von Computern, Verstärkern und A-D-Wandlern gestattete schließlich doch, Nachrichten der Ionen nahezu komplikationslos zu übermitteln. Plötzlich waren — neben wenigen großen (bereits 1976 schlüssig nachgewiesen) — nun auch die zahlreicheren kleinen Ionenkanäle differenzierbar.

Neben dem Theoriebeweis eröffnet das Göttinger Verfahren neue Forschungsmethoden für die Behandlung von Herz- und Gefäß-, Nerven-Muskelerkrankungen, Epilepsie und Diabetes. Insbesondere die Pharmakologie profitiert von der Patch-clamp-Technik durch Erforschung der Zellreaktionen bei Medikamentenzugabe. So ließ sich beispielsweise die Wirkung von klinisch angewandten Calcium-Antagonisten nachweisen, die den Durchstrom von Calcium durch spezielle Ionenkanäle hemmen. Vom Teststadium bis zu ersten gesicherten Aussagen kann allerdings ein Jahr und mehr vergehen.

Die Patch-clamp-Technik trat bereits lange vor der Nobelpreisverleihung (am 10. Dezember in Stockholm) ihren Siegeszug an. Weltweit forschen heute Tausende Labors gemäß der Göttinger Methode. Zahlreiche Wissenschaftler spezialisieren ihre Arbeit mittlerweile sogar ausschließlich auf bestimmte Zelltypen.

An die vollständige Erforschung der unzähligen verschiedenen Zelltypen im menschlichen Organismus mit seinen vielen Billionen Zellen ist vorerst jedoch kaum zu denken — nicht mit diesen Mitteln.

Mikroskopische Aufnahme eines Zellhaufens und Meßpipette


Aus: ST-Magazin 01 / 1992, Seite 122

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