Auf Leben und Tod: Der ST in der Herzchirurgie

Dirk Buchwald und Dr. Ulrich Schutt

Herzoperation, Bypass, Schrittmacher - bei vielen von uns lösen diese Worte Erschrecken aus. Mit Hilfe modernster Technik gewinnen Herzchirurgen heute die meisten Kämpfe gegen den Tod. Computer und Datenbanken entscheiden mit über das Leben eines Patienten. Im Herzzentrum Nordrhein-Westfalen ist dafür ein ST zuständig.

Die Datenverwaltung hat in der Medizin längst ihren festen Platz eingenommen. Jede moderne Klinik erfaßt zahlreiche Daten ihrer Patienten, die bei der Diagnose und Therapie helfen. Außerdem müssen die Patientendaten oft jahrelang archiviert werden. Deshalb versucht man, leistungsfähige Computeranlagen mit Netzwerken in den Kliniken zu installieren, um den Krankheitsverlauf von der Einweisung bis zur Entlassung zu dokumentieren. Der nachträgliche, also nicht mit dem Bau der Klinik zusammenfallende, Aufbau eines umfassenden Computernetzes stößt sowohl software- als auch hardwareseitig auf erhebliche Schwierigkeiten. Pauschallösungen für die sehr unterschiedlich strukturierten Krankenhäuser gibt es nicht. Daher finden sich immer wieder Kliniken, die in den einzelnen Fachbereichen Insellösungen mit eigenständigen Computeranlagen aufbauen. Diese Abteilungen sind zumeist mit einer PC-Anlage nach dem IBM-Standard ausgerüstet.

Die Abteilung Kardiologie der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie des Herzzentrums Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen vertraut einem anderen System. Diese Klinik versorgt jährlich herzchirurgisch über 2500 Patienten mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine. Vor und während jeder Operation erfassen die insgesamt zwölf Mitarbeiter der Abteilung Kardiologie zahlreiche Daten, deren EDV-gestützte Verarbeitung sinnvoll ist. Dazu gehören sowohl persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum etc. und operationsspezifische Werte wie z. B. OP-Datum, -Personal und -Dauer, Diagnose, Therapie, Bluttemperaturen usw.

Den Mitarbeitern steht an Hardware zur Verfügung: ein Atari Mega ST2, eine Vortex-Festplatte mit einer Kapazität von 60 MByte, ein NEC Multisync II-Monitor sowie ein IBM-Page-Printer Laserdrucker mit 2,5 MByte Speicher. Die Grundausstattung wurde im Oktober 1988 angeschafft und seitdem stufenweise erweitert. Im Vorfeld gab es ausführliche Diskussionen über die nicht zum Industriestandard kompatible Hardware. Um so mehr, als in der Klinik bereits eine umfangreiche IBM-Rechneranlage installiert ist. Deren Nutzung beschränkt sich jedoch fast ausschließlich auf Verwaltungszwecke. In den Vordergrund der Überlegungen rückten schnell die leichte Bedienbarkeit des ST und die positiven Erfahrungen, die einige Kollegen der Abteilung bereits im privaten Bereich auf diesem Computer sammelten. Letztlich fiel die Entscheidung für den Atari, jedoch immer in dem Bewußtsein, damit eine Insellösung zu wählen.

Bild 1. Bei Herzoperationen hilft modernste Technik im Kampf um das Leben des Patienten
Bild 2. Garantie für einfache Bedienung: Eingabemaske und Hand-Protokoll entsprechen sich weitgehend

Das angestrebte Ziel war nun, ein leicht bedienbares Programm selbst zu entwickeln. Es sollte einerseits den unterschiedlichen Computerkenntnissen der Abteilungsmitglieder entsprechen, andererseits sowohl als Arbeitserleichterung als auch zum Aufbau eines Datenpools dienen. Der erste Schritt beim Aufbau dieses Dokumentationssystems bestand im Entwurf geeigneter Protokollbögen. Sie entstanden auf dem Computer mit »Calamus«. Es folgte eine längere Phase der Praxiserprobung mit mehrfachen Verbesserungen dieser Protokolle. Erst nachdem sich die Bögen bewährt hatten, begann die Entwicklung des entsprechenden Programms. Mit dem zur Verfügung stehenden Basic-Interpreter entstand dann in einer dreimonatigen Programmierphase die Software.

Das unter dem Namen »KardioDat ST« geführte Programm verwaltet seit dem 1 .Januar 1989 sämtliche Patientendaten, welche die Kardiotechnik bei Herzoperationen gewinnt. Da die Vorschriften für den Betrieb von Computern während einer Operation verständlicherweise sehr streng sind, werden die Protokolle bei der Operation handschriftlich geführt und anschließend in den Computer übertragen. Die Bildschirmmasken entsprechen den handschriftlichen Formularbögen. Dies und die konsequente GEM-Einbindung sorgen für eine einfache Bedienung (vgl. Bild 2). Über eine Passwortabfrage gelangt jedes Abteilungsmitglied in die sogenannte Hauptgruppenzusammenstellung. Sie umfaßt unter einem charakteristischen Namen jeweils mehrere Eingabemasken.

Nach vollständiger Eingabe erfolgt ein achtseitiger Ausdruck mit dem Laserdrucker. Zur Archivierung kommen die Protokolle in die Patientenakten (Bild 3). Anschließend erfolgt die Datensicherung auf Festplatte, wobei jeder Datensatz 2400 Bytes umfaßt. Umfangreiche Auswertungsfunktionen erlauben Tagesübersichten mit Angaben über die am vorhergehenden Tag durchgeführten Operationen. Monats- und Jahresstatistiken lassen sich durch einfachen Menüaufruf aktivieren und geben einen differenzierten Überblick über den Leistungsstand der Abteilung. Außerdem besitzt KardioDat ST eine Schnittstelle zur »Adimens«-Daten-bank, welche die Datensätze über die Import-Funktion übernimmt. Die Synthese dieser beiden Programme erlaubt eine effektive Datenverarbeitung.

Seit März 1989 führt das Herzzentrum NRW auch Herztransplantationen durch. Die Mitarbeiter haben deshalb, wiederum mit Calamus, spezielle Protokolle entworfen und unter Adimens eine Datenbank für Organspender und -empfänger angelegt. Sie verwaltet derzeit ungefähr 140 Transplantationen. Als künftiges Projekt steht die Kooperation mit dem Institut für Anaesthesie der Klinik an. Geplant ist ein ständiger Datenaustausch zur gegenseitigen Ergänzung der Datenbestände. (wk)

Bild 3. Ausschnitt aus einem Protokoll für die Patientenakten, die mehrere Jahre archiviert werden


Aus: TOS 03 / 1991, Seite 59

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