Komplett & kompetent? ComBase von Compo

Dateiverwaltungen für den Atari ST/TT gibt es beinahe wie Sand am Meer. Vom Video-Archiv bis hin zum elektronischen Zettelkasten finden sich viele Varianten. Dem professionell ambitionierten Anwender blieb dieser Füllhorn-Segen bisher allerdings verwehrt. Compo versucht, mit »ComBase« frischen Wind in den Datenwald zu bringen.

Waren alle bislang für den ST erhältlichen Datenbanken mehr oder weniger komplette Eigen- und Neuentwicklungen der jeweiligen Hersteller, so ging Compo bei Combase einen etwas anderen Weg. Man griff nämlich beim Datenbank-Kern, dem eigentlichen Herzstück einer jeden Datenbank, auf das bereits auf UNIX- und MS-DOS-Systemen implementierte »FlashAccess« zurück. Da auch die auf ST/ TT-Rechnern als Accessory realisierte Version netzwerkfähig ist (auf Wunsch), lassen sich problemlos gemischte Netze aufbauen, in denen dann ein relativ preisgünstiger ST z.B. auf einen UNIX-Server zugreift. Eine sicherlich gerade für den Profi-Datenbanker recht interessante Funktion. Die »technischen« Daten des Programms klingen imposant, erlaubt Combase doch die gleichzeitige Nutzung von zwölf Haupt- und achtundzwanzig Hintergrunddatenbanken. Der Datenbank-Kern verwaltet auf einem Einzelplatz sogar vierzig, im Netzwerkbetrieb beeindruckende 400 Datenbanken. Eine Datenbank umfaßt maximal zwei Milliarden Datensätze zu je maximal zwei Gigabyte. Ein Volumen, das auf Rechnern der ST/TT-Klasse wohl auch mit den gewaltigsten Festplatten so schnell nicht zu erschöpfen ist. Ein Datensatz darf aus bis zu 8192 Feldern bestehen, die maximale Schlüsselzahl pro Datenbank beträgt ebenfalls 8192. Außergewöhnliche Leistungsmerkmale also, die sich aber in der Praxis zunächst bewähren müssen.

Wähnt man sich nach dem Programmstart von Combase zunächst auf einem normalen GEM-Desktop, belehrt das umfangreiche Handbuch den staunenden Anwender rasch eines besseren. Combase bedient sich nämlich zur Fenster- und Applikationsverwaltung des »Small Systems Windowing Standard«, kurz »SWiSS« genannt. SWiSS ähnelt in seinem Aufbau den von MS-DOS und UNIX her bekannten Windows- bzw. X-Windows-Systemen und stellt neben programmiertechnischen Vorteilen auch noch ein Pseudo-Multitasking (Time-Sharing) zur Verfügung. Da sich die Bedienung der SWiSS-Fenster prinzipiell nicht von ihren GEM-Pendants unterscheidet, entfallen erfreulicherweise längere Einarbeitungszeiten in eine neue Benutzeroberfläche. Neben der bekannten GEM-(SWiSS-)Menüleiste zieren den Desktop zunächst ein mit »Worksheet 'Ohne Namen'« betiteltes Fenster sowie ein »Terminal« und »Worksheet«-Text-lcon am unteren Bildschirmrand. Die Funktion dieser Icons ist rasch erklärt: Sie zeigen an, welche Prozesse (Fenster) zur Zeit aktiv und geladen sind, wobei für SWiSS »aktiv« und »sichtbar« nicht dasselbe bedeutet. Nicht sichtbare Prozesse rufen Sie einfach per Klick auf das entsprechende Icon auf. Wenn Sie also einen Blick auf das Arbeitsprotokoll Ihrer Combase-Sitzung werfen wollen, klicken Sie auf Terminal. Ein Worksheet (zu deutsch: Arbeitsblatt) stellt die oberste Hierarchiestufe in Combase dar, auf ihm organisieren Sie Ihre Arbeitsumgebung. Dabei helfen Ihnen weitere zehn Icons, die die vorhandenen Programmodule repräsentieren und die wir im folgenden kurz vorstellen möchten. Über das Icon »Maske« laden Sie entweder eine Datenbank von Festplatte oder bearbeiten bereits im Speicher befindliche Datensätze. Ein Worksheet ist in der Lage, bis zu zwölf Datenbanken aufzunehmen und untereinander zu verknüpfen. Die Darstellung der geladenen Datenbanken erfolgt durch weitere Icons, deren Anblick unwillkürlich das Stichwort »Mülleimer« aufkommen läßt (das Handbuch spricht von Stapel-lcons...). Erfolgt die Ausgabe der Datensätze per Maske logischerweise in der von Ihnen generierten Eingabemaske, lassen sich die Daten mit dem Pictpgramm »Liste« als ebensolche auf den Bildschirm bringen. Zwar finden in einer Liste nicht alle Felder der Eingabemaske Platz, doch stellt man damit natürlich eine weitaus größere Zahl von Datensätzen dar.

Per Doppelklick auf Worksheet öffnen oder schließen Sie ein Arbeitsblatt, womit die Funktion dieses Icons bereits umfassend beschrieben wäre.

Modularer Aufbau

Interessanter wird es beim nächsten Modul »Init«, das Sie zum Neueinrichten einer Datenbank oder zur Modifizierung einer bestehenden Eingabemaske anwählen. Doch dazu später mehr.

Wie es sich für ein modernes Datenbanksystem gehört, gestattet Combase selbstverständlich Verbindungen zwischen den einzelnen Datenbanken eines Worksheets. Welcher Gestalt diese Verbindungen sind, legen Sie im Modul »COM-Rel« (Rel wie relational) fest. Die Funktion »Export« gestattet die Kommunikation mit anderen Datenbanken, hier lesen Sie entweder Daten aus anderen Programmen ein oder bereiten Combase-Datei-en für den Transfer in fremde Systeme vor.

Das Modul mit dem phantasievollen Namen »Papyrus« widmet sich ausschließlich dem »zu Papier bringen« Ihres Daten bestandes. Doch neben dem reinen Ausdruck von Daten erlaubt es Papyrus auch noch, ausgewählte Datensätze im 1st Word Plus- (bei Bedarf auch Seriendruck) oder ASCII-Format abzulegen.

Als Komplettsystem bietet Combase außerdem den Vorzug eines integrierten Editors, den Sie - wer hätte es gedacht - über das Icon »Edit« aktivieren. Die wichtigste Aufgabe von »ComEdit« ist sicherlich das Programmieren von sogenannten »Jobs«, die Sie in der integrierten Datenbanksprache »Algo-talk« verfassen. Doch auch für kleinere Schriftstücke eignet sich ComEdit noch recht gut. Den Abschluß unseres Schnellrundgangs bildet das »Manual«-Icon, das Ihnen eine Online-Hilfe zur Seite stellt. Eine gerade bei derart komplexen Programmen beinahe unverzichtbare Arbeitserleichterung.

Wie geht nun die Arbeit mit einem derart umfangreichen System vonstatten? Bedarf es für die virtuose Handhabung von Combase eines echten Datenbank-Profis oder kommtauch der nur leidlich EDV-erfahrene Otto Normalverbraucher gut zurecht? Ist die Performance, also die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit, auch für professionelle Anwendungen, wie z.B. eine Krankenhausverwaltung, ausreichend oder eignet sich Combase nur als hochgezüchtete CD-Verwaltung?

Um die erste Frage hinsichtlich der Handhabung zu beantworten, versuchten wir zunächst, eine eigene Datenbank nach Art des TOS-Inhaltsverzeichnis anzulegen, das Sie auf jeder TOS-Disk vorfinden. Nach geglückter Aktion sollte dann das Importieren eben jener Adimens-Exportdatei folgen. Das Generieren der Eingabemaske geriet dank des hilfreichen ersten Handbuchkapitels, das Schritt für Schritt in die Bedienung von Com-Mask einführt, relativ mühelos. Zudem zeigte sich Combase hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten äußerst flexibel. Für jedes Feld stehen alle Varianten des Systemzeichensatzes zur Verfügung. Zur Auflockerungfügen Sie bei Bedarf Grafikflächen in Ihre Maske ein oder versehen inhaltlich zusammengehörige Objekte mit einem Rahmen. Auch die GEM-typischen Füllmuster dürfen hierbei Verwendung finden. Besonders praktisch ist hierbei die Funktion Lasso-Grafik. Die hiermit eingefangenen und umrahmten Datenfelder lassen sich nämlich anschließend als Funktionsgruppe verschieben und man braucht sie fortan nicht mehr einzeln über das Eingabefenster zu bugsieren.

Neben den üblichen Feldtypen wie z.B. Text, Dezimal, Geld oder Zeit gestattet unser Probant auch die Einbindung von Buttons in Ihre Datenbank. So ließe sich beispielweise in einer CD-Sammlung das Feld »Verliehen« mit einem einfachen Ja-Knopf realisieren. Über den Datentyp »Extern« binden Sie externe Programme, wie z.B. die mit Algotalk erstellten Jobs in die Ausgabemaske ein, wobei Sie deren Ausgabebereich (also der Teil der Maske, in dem ein Programm mit Ihnen in Verbindung tritt) frei im Maskenfenster positionieren dürfen.

Ebenfalls für Abwechslung im tristen Büroalltag sorgt die Tatsache, daß ein beliebiges IMG-Bild als Maskenhintergrund Verwendung finden kann. Dafür sieht Combase allerdings nicht die Einbindung von Grafiken als Bestandteil einer Datenbank vor. Ein Manko, das man bei Compo in der nächsten Version in jedem Fall beheben sollte. Welche Bedeutung z.B. der Verbindung von Grafik und Lagerverwaltung zukommt, wird spätestens bei der nächsten Jahresinspektion Ihres fahrbaren Untersatzes deutlich, wenn der freundliche Mann vom Kundendienst die entsprechenden Ersatzteile mit Hilfe von Microfiche und -Computer heraussucht.

Clone-Masken als Stellvertreter

Versöhnlich stimmt Combase aber wieder durch die Fähigkeit, sogenannte »Clone«-Masken zu erzeugen. Clone-Masken repräsentieren keine eigenen Datenbanken, sondern stellen sozusagen Abkömmlinge bereits vorhandener Masken da. Mit den Clones lassen sich z.B. in idealer Weise Komponenten mehrerer Datenbanken in einem Ausgabefenster, sozusagen als Verbundmaske kombinieren. Ein weiteres Einsatzgebiet wären auch Masken, die nicht alle Daten eines Datensatzes zugänglich machen. Als andere Spielform der Maskerade kennt Combase die »virtuellen Masken«, die nur die Ausgabe von Daten beherrschen, dem Benutzer

jedoch den schreibenden Zugriff auf die Datenbank vet-weigern. So wäre es zum Beispiel in einem Krankenhaus wenig sinnvoll, wenn Nachtschwester Hildegard durch eine Unachtsamkeit die Dosierungsvorschrift für die Medikamente auf Station A verändert. Mit Hilfe der virtuellen Masken lassen sich aber auch einfach Menüs für Job-Routinen oder ähnliches erstellen. Eine weitere Besonderheit von Combase ist das Neukonfigurieren der zur Verfügung stehenden Datenbankoperationen wie z.B. Suchen, Einfügen oder Löschen für jede Maske. Diese Funktionen plazieren Sie ebenso wie die Datenfelder innerhalb des Fensters und vermeiden so, daß mehr Bedienelemente als unbedingt nötig für Verwirrung sorgen. Damit Sie auch bei mehrere Seiten umfassenden Masken, nicht für jede Operation durch das Fenster scrollen müssen, sind diese Buttons auch mehrfach verwendbar. Erfreulicherweise reagieren die Elemente nicht nur durch Mausklick, sondern lassen sich auch durch Betätigen der Funktionstasten aktivieren. Beeindruckt das Comlnit-Modul durch Funktionsfülle und große Flexibilität, darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, daß die große Anzahl an Funktionen den Umgang mit dem Programm nicht immer erleichtert. Erschwerend kommt in diesem Fall noch dazu, daß das Handbuch -trotz seines gelungenen Einstiegs -den um schnellen Rat nachblätternden Anwender nicht optimal unterstützt. An zu vielen Stellen ist es einfach zu ungenau und unstrukturiert.

Die ganze Tragweite dieser Tatsache spürten wir bei dem Versuch, die Adimens-Exportdatei in unsere soeben erzeugte Combase-Datei zu transferieren. Nicht nur, daß das Handbuch außer der eher knappen Beschreibung der einzelnen Menüpunkte lediglich einen kurzen Hinweis auf Adimens-Exporte gibt, sogar die dort versprochene Tabelle zur Angabe der zwischen den einzelnen Datensätzen auftretenden Trennzeichen in Dezimalzahlen suchten wir vergebens. Ohnehin scheinen wir Combase bei seinen Außenhandelsbeziehungen etwas auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Zwar gelang es uns nach einigem Probieren, die Export-Datei korrekt in unsere Datenbank zu übernehmen, doch war der Weg dorthin oft mehr als steinig. Combase reagierte nämlich mit größtem Unbehagen - sprich es stürzte empört ab, war die Angabe der Separatoren (eine Zeichenfolge, die der Datenbank mitteilt, wann ein neues Feld oder der nächste Datensatz beginnt) nicht 100% korrekt. Ein etwas betriebssichereres Verhalten unseres Prüflings wäre hier wünschenswert, zumal die Datenbankstruktur häufig nach solch fehlgeschlagenen Versuchen offensichtlich irreparable Schäden aufwies, die sich auch nicht durch Gebrauch des Reorganisationsmoduls beheben ließen. Einziger Ausweg blieb dann nur noch die erneute Initialisierung der Datenbank mit Comlnit. Als lästig entpuppte sich außerdem ein Fehler in der Verwaltung der Fileselektor-Boxen, der gelegentlich für abstruse Pfadnamen und Filekennungen sorgte. Hier war dann nur noch mühsames Eintippen der korrekten Pfade und Identifier möglich. War diese Hürde erst einmal genommen, präsentierte sich Combase wieder von seiner Schokoladenseite. Die Arbeit mit dem nun lauffähigen Inhaltsverzeichnis oder auch mit dem als Demo mitgelieferten Worksheet »Firma« vermochte beinahe uneingeschränkt zu überzeugen. Der enorme Funktionsumfang in Zusammenarbeit mit der Sprache Algotalk dürfte eigentlich alle anfallenden Datenbankarbeiten mit Bravour lösen. Sei es nun, daß Sie Ihr TOS-Inhaltsverzeichnis in Beziehung zu Ihren Lagerbeständen setzen wollen, etwa um für spezielle Werbeaktionen sofort passendes Pressematerial zu einem Artikel zur Hand zu haben, sei es, daß Sie Ihre Datenbestände durch eine Einschränkung des »Ändern«-Kommandos vor Ihrem Buchhalter sichern wollen - nichts ist mit Combase unmöglich. Einzig eine etwas flexiblere Gestaltung des Ausdrucks der Daten durch Papyrus erscheint für das nächste Update wünschenswert, ist doch momentan nur ein Ausdruck als Liste oder Tabelle vorgesehen. Schön wäre es auch, den Druckerfont direkt in Papyrus anwählen zu können. So muß man für eine etwas ansprechendere Präsentation seiner Daten den Weg über eine externe Textverarbeitung wie beispielsweise 1st Word Plus gehen, dessen Format Combase direkt unterstützt. Die Arbeitsgeschwindigkeit der Datenbank ist bei kleineren Dateien durchaus auch auf normalen STs mit einer Megafile 30 zufriedenstellend. Wer Datenverwaltung in großem Stil betreiben möchte, weiß sicherlich bald den Geschwindigkeitsvorteil eines STE, wenn nicht gar TT und einer schnellen SCSI-Festplatte zu schätzen.

Enormer Funktionsumfang

Mit einem Preis von 399 Mark ist Combase sicherlich ein interessantes Angebot für alle, die mehr als nur ihre Privatvideothek oder Plattensammlung archivieren wollen. Mit seinem enormen Funktionsumfang empfiehlt sich Combase geradezu für den Einsatz in Büros, Lagern oder größeren Netzwerken. Hier bekommt man für vergleichsweise wenig Geld viel Leistung geboten. Combase ist z.B. deutlich umfangreicher als Adimens, wenn es auch noch noch nicht an die elegante Benutzerführung des Altmeisters heranreicht. Der professionelle Anwender wünscht sich für die nächsten Combase-Version sicherlich ein übersichtlicheres Handbuch, Grafikeinbindung in Datenbanken sowie eine etwas höhere Betriebssicherheit. Auf kommende Updates sind wir jedenfalls sehr gespannt, (wk)

Name: Combase 1.0
Preis: 399 Mark

Hersteller: Compo Software GmbH

Stärken: äußerst flexible Maskengestaltung * großer Funktionsumfang * netzwerkfähig * Kompatibilität mit UNIX und MS-DOS

Schwächen: Handbuch nicht optimal * beim Import z.T. noch etwas empfindlich * keine Grafikeinbindung

Fazit: Ein interessantes und leistungsfähiges Programm zum günstigen Preis.


Kai Schwinke
Aus: TOS 04 / 1992, Seite 110

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