Das Interview - Jaguar-Einführung in Deutschland & Österreich

Seit dem Herbst 1994 hat Pagedown den bundesweiten Vertrieb des Jaguar übernommen. Welche Konsequenzen und Zukunftschancen entstehen, versuchten wir in einem Interview mit der Firmenleitung zu klären.

Pagedown

Redaktion: Auf der ETCS in London haben Sie den Vertrag zur übernahme der Jaguar-Distribution für Deutschland, Österreich und die Schweiz ratifiziert. Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, sich so sehr für den Vertrieb des Jaguars einzusetzen.

Pagedown: Als ATARI-System Center mit Interessen an allen Produkten. die ATARI auf den Markt bringt, hatten wir von der Entwicklung der Jaguar-Konsole erfahren. Auf dem deutschen Markt wurde dieses sehr interessante Gerät jedoch nicht angeboten. Wir haben daher zunächst mit ATARI in Holland Kontakt aufgenommen. um die Bedingungen für die Einführung des Jaguar auf dem deutschen Markt zu erfahren: 1.440 Konsolen 2880 Spiele wurden uns als Mindestabnahmemenge definiert. Um diese professionelle Konsole dem deutschen Markt nicht länger vorzuenthalten, setzten wir uns mit aller Kraft für den Vertrieb in Deutschland und Österreich ein, den wir nach langen Verhandlungs- und Organisationsmarathon auch bekamen.

Die Schweiz hat einen eigenen Vertrieb.

Redaktion: Mit Sicherheit ist dies ein sehr lobenswerter und mutiger Schritt gewesen. Wie viele Jaguare sind denn bisher in den USA verkauft worden. und wieviele dieser Konsolen werden sich in Deutschland absetzen lassen?

Pagedown: Nach unbestätigten Aussagen sind in den USA bisher ca. 800.000 Konsolen verkauft worden. Im Mai 1994 nannte uns Mr. Paul Welch (Sales Manager ATARI UK) die Zahl von ca. 500.000 Geräten für die USA. Der Absatz in Deutschland sollte leicht 30% des amerikanischen Marktes erreichen.

Redaktion: Aber wenn man von einer tatsächlichen Verkaufszahl von ca. 200.000 Geräten für den deutschsprachigen Raum ausgeht, wieso hat dann ATARI selbst kein Interesse daran, eigenständig den Vertrieb zu leiten?

Pagedown: Der Trend bei größeren Firmen im Computerbereich geht dahin, ihren Vetrieb zu zentralisieren und in die Direktwerbung zu gehen. ATARI hat diesen Schritt mit dein Service-Center in Vianen/Holland getan. jedoch den Direktvertrieb ausgeschlossen, Stattdessen werden die Produkte nach wie vor über den Fachhandel veräußert. Diese Vorgehensweise hat zwei Vorteile:

ATARI hat den Rationalisierungseffekt der Zentralisierung und der Fachhandel hat die Chance, mit ATARI-Spitzenprodukten in den Vertrieb zu gehen. Natürlich verbleibt das alleinige Risiko somit der externen Vertriebsfirma, also im Falle Jaguar bei uns. Für uns ergibt sich jedoch die Chance, den gesamten deutschen Markt zu bearbeiten. Wir können auf jede Marktentwicklung vor Ort sehr viel flexibler und schneller reagieren, als das weit entfernte ATARI-Vertriebszentrum in Holland. Somit garantieren wir eine sensible und erfolgreiche Politik.

Redaktion: Womit ist es zu erklären, dass der Jaguar in Deutschland ca. 599 DM kostet? Schließlich liegt der Preis in den USA bei umgerechnet 399 DM. Selbst das Hinzurechnen von Zöllen und Transportkosten gerechtfertigt einen solchen Preisunterschied nicht. Auch beträgt das Einkommensverhältnis der Amerikaner nicht nur 2/3 dessen der Deutschen. Wir denken, dass es kaum Kinder und Jugendliche gibt, die sich zu Weihnachten ein Geschenk im Werte von 600 DMwünschen können.

Pagedown: Anders als in den USA liegt in Deutschland jeder Konsole bereits ein Spiel bei, wofür wir etwa 120 DM ansetzen müssen. Die verbleibenden 80 DM setzten sich, wie von Ihnen bereits ausgeführt, aus Zöllen, Transportkosten und Versicherungen zusammen. Der Import aus den USA, direkt von IBM, verursacht nicht unerhebliche Kosten.

Redaktion: Aber ist es nicht trotzdem riskant den Preis erst dann zu senken, wenn der Markt vorerst gesättigt ist? Bis zu diesem Zeitpunkt könnte der Verkauf im Vergleich zu anderen Konsolen sehr schleppend voran gehen. Außerdem wird es schon im Jahre 1995 Neuigkeiten von SEGA und im Winter auch von Nintendo geben. Der Vorsprung schrumpft also stetig. Außerdem hat auch ein SEGA Megadrive II, 16-bit bei der Markteinführung nur kurze Zeit 499.- gekostet.

Pagedown: Eine Preissenkung für den Jaguar dürfte kaum möglich sein. Er besitzt einen Vorsprung vor den anderen Geräten, alleine schon durch den CD-ROM-Aufsatz. Sie erwähnten SEGA: Eben diese Firma hat für 40 Millionen US $ Aktien von ATARI erworben. Schon diese Tatsache allein spricht dafür, dass ein hohes Vertrauen in das neue ATARI-Produkt gesetzt wird!

Redaktion: Zu einem anderen Thema: Der Jaguar ist, ebenso wie der LYNX es seinerzeit gewesen ist, ein unschlagbar gutes Gerät. Wie man beim LYNX aber auch hat sehen können, reicht dies alleine nicht aus, um den Verkaufserfolg einer Hardware zu garantieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es „Playstations“ in Kaufhäusern usw. gibt, an denen die Kids vor Ort die Spielsucht entwickeln. Wie uns bekannt ist, sind solche „Playstations“ vorhanden. Als wir einen Test starteten und im Kaufhaus „Karstadt“ nach einem Jaguar fragten, wurden wir in die abgelegenste Ecke der Spielzeugabteilung geführt. Daraufhin wurde ein Gerät aus einem unauffälligen, verschließbaren Glaskasten entnommen.... Werden Sie versuchen, Playstations flächendeckend zu verteilen, oder stehen hierfür nicht genügend Personal und Kapital zur Verfügung?

Pagedown: Auch wir sehen den Jaguar als ein derzeit unerreichbares Gerät. Wir werden darum dafür Sorge tragen, dass Playstations in großem Umfang, z.B. in Kaufhäusern, aufgestellt werden. In Kürze werden wir die von uns konzipierten Playstations jedem Vertreiber des Jaguar anbieten. Auch mit Karstadt haben wir bereits Verhandlungen aufgenommen.

Redaktion: Ein weiteres Kriterium, von dem der Erfolg des Jaguars abhängen wird, ist die Häufigkeit der Präsenz in den einschlägigen Fachmagazinen, von denen es in Deutschland ca. 8-10 Stück gibt. Leider konnte der Jaguar bislang noch nicht überzeugen. Die Markteinführung für Europa hat sich um fast ein Jahr verzögert, so dass Nintendo und Co. mit neuen Ankündigungen und Versprechungen erfolgreich kontern können. Wann wird es auch in Deutschland die von ATARI versprochenen 20-30 Spiele geben?

Pagedown: Laut schriftlicher Vorankündigung von Paul Welch wird es noch in diesem Winter ca. 30 Spiele geben. Zur Zeit sind 8 Spiele lieferbar. Beim Erscheinen Ihrer Zeitschrift sollte sich diese Zahl bereits verdoppelt haben. In England gibt es einen neue Programmierer-Crew namens „Arca Play“, die sich auf die Produktion von Jaguar-Spielen spezialisiert hat. Desweiteren wissen wir von Spielen aus Rußland, die bei ATARI bisher noch nicht registriert wurden.

Redaktion: Wird es Ihrerseits auch Werbeanzeigen für den Jaguar geben, oder verlassen Sie sich darauf, die Ihre Kunden, also die Zwischenhändler, dieses Produkt vermarkten?

Pagedown: Wir haben eine Werbeausstattung für die Fachhändler zusammengestellt. Diese beinhaltet unter anderem Screenshots, Poster, Fensteraufkleber, Videos, Prospekte, Baseballcaps, T-Shirts uvm. Wenn uns der Verkauf des Jaguar in Kürze die Investitionen möglich macht, werden wir in allen einschlägigen Journalen Imagewerbung schalten. Selbstverständlich wird Ihre Zeitschrift in diese Planung mit aufgenommen.

Darüber hinaus wird es in Kürze eine Jaguar-Zeitschrift von uns geben, mit News aus aller Welt und einem Händlerverzeichnis.

Redaktion: Uns ist auch bekannt, das die Herausgeber einiger dieser o.g. Computer- und Videospiele-Zeitschriften gerne über Neuigkeiten aus dem Jaguar-Bereich berichten würden. Leider hat es jedoch kaum sog. „Press-Packs“ gegeben. Diese Pakete beinhalten viele News, neuste Spiele, Screenshots usw. und werden von ATARIs Konkurrenten regelmäßig und umgehend an die wenigen in Frage kommenden Verlagshäuser versendet. Wird es Ihnen gelingen, solche bzw. ähnliche Pakete zusammenzustellen und den Herausgebern der wichtigsten Spielemagazine zukommen zu lassen?

Pagedown: Uns liegen bereits Screenshots vor, mit denen wir die Presse versorgen werden. Alles weitere ist in England geordert. England hat sich in dieser Hinsicht als ein sehr zuverlässiger Vertriebspartner erwiesen, wir werden den zähen Vertrieb über Holland damit umgehen. Wir sind sehr froh, von Mr. Welch betreut zu werden, der uns im Mai diesen Jahres besuchte und uns durch sein Entgegenkommen letztendlich auch den Vertrieb ermöglichte. Abschließend noch ein Wort zum Service für den Jaguar:

Während der Garantiezeit wird jedes defekte Gerät von uns innerhalb 24 Stunden ausgetauscht, soweit das lagermäßig möglich ist. Diese Zusage dürfte am besten unser Vertrauen in die Qualität der neuen ATARI-Konsole widerspiegeln.

Redaktion: ...Was sicherlich nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen ist, dass es sich beim Jaguar um eine echte „Markenproduktion“ aus dem Hause IBM handelt. Wir sind sehr darüber erfreut, dass Sie mit einem solch großen Einsatz und Siegeswillen für die Vermarktung der derzeit wohl besten Spielekonsole der Welt kämpfen und wünschen Ihnen viel Erfolg!

Pagedown: Zuguterletzt ein Wort zu Ihnen: Wir gratulieren zu Ihrem risikoreichen Schritt. Es wird dem ATARI-Markt guttun, wieder eine zweite Zeitschrift zu haben.



Aus: Atari Inside 01 / 1994, Seite 49

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