Ein Programm mit digitalisierten Klängen verwandelt den Commodore 64 in ein perfektes Schlagzeug.
Es geschah in einer friedlichen und stillen Januarnacht. Das Ehepaar Helga und Michael S. wurde jäh aus dem Schlaf gerissen, als es merkwürdige Geräusche aus dem Zimmer ihres Sohnes vernahm. Dumpf scholl der Klang einer Base-Drum durch das nächtliche Haus, unterstützt von Geklatsche und einem periodisch einsetzenden Gong. Von einem fulminanten Trommelsolo begleitet stürzten die beiden die Treppe hinauf. Beim Öffnen der Zimmertür sahen sie aber nicht das erwartete Schlagzeug. Nein, ihr Sohn saß vor dem Computer, und versuchte »In the Air tonight« von Phil Collins zu intonieren. Geplagten Eltern und musikbegeisterten Computerfans ist schon lange klar, was hier geschehen ist: Microrhythm hat wieder zugeschlagen.
Dieses Musikprogramm aus England hat sich voll und ganz auf das Schlagzeug verlegt. Es enthält sieben digitalisierte Sounds und kann so 13 verschiedene Schlaginstrument spielen. Das fängt an bei der Base-Drum, geht über drei verschiedene Trommeln, klatschenden Händen bis zum Becken. Die Klänge kommen verblüffend echt aus dem heimischen Monitor-Lautsprecher, und verblüffen Freunde und Verwandte, wenn man den C 64 mit der Stereoanlage koppelt. Durch Rob Hubbard und Co. ist man schon so einiges gewohnt, aber durch Microrhythm ist der C 64 jedem Amiga ebenbürtig.
Nachdem man während des Ladens das Titelbild mit einem Schlagzeug spielenden Roboter sehen konnte, bietet der Monitor einen auf den ersten Blick etwas verwirrenden Aufbau. Man sieht zwei Reihen, wobei die obere aus Kästchen und Buchstaben, die untere nur aus Zahlen zusammengesetzt ist. Spätestens hier sollte man sich der Anleitung widmen, die in der uns vorliegenden Cassettenversion, lediglich aus zwei kleinen, engbedruckten Seiten bestand. Der Inhalt steht aber in keinem Verhältnis zur Aufmachung, denn die Beschreibung ist klar und präzise und führt durch viele Beispiele in die Bedienung ein. Die Programmierer haben klugerweise zwei Demostücke eingebaut, die man sich sofort anhören kann. So erhält der Käufer sofort einen Eindruck von den ungeheuren Fähigkeiten von Microrhythm.
Hat man von den Demos genug, geht es ans Experimentieren. Das Programm verlangt nämlich einiges vom Benutzer, und jeder braucht erst ein Weilchen, um sich daran zu gewöhnen. Zuerst sollte man sich mit den verschiedene Sounds vertraut machen. Dazu gibt es einen Echtzeit-Modus, in dem man durch Drücken der entsprechenden Tasten sich jedes Instrument anhören kann. So lassen sich live die ersten Soli spielen, die wegen der Tastatursteuerung aber etwas holprig bleiben.
Die Tastaturabfrage ist zwar relativ flott, man schafft es aber sehr leicht, schneller als der Computer zu sein. So bleibt in einem Lauf auf den drei Tom-Drums durchaus einmal ein Schlag auf der Strecke. Außerdem führt das Drücken von zwei Tasten gleichzeitig zu einer ungewollten Pause. Zum Musikmachen eignet sich der Echtzeit-Modus daher nur bedingt.
Um einen ganzen Song zu schreiben, gibt es den »Bar-Write«-Modus. Jedes Stück setzt sich aus einzelnen Sequenzen, sogenannten »Bars« zusammen. Die entsprechenden Eingabefelder befinden sich in der oberen Bildschirmhälfte. In jeder Bar haben bis zu 16 Informationen Platz, also Schläge oder Pausen. Sollte die Sequenz zu lang sein, läßt sie sich verkürzen, damit ein vernünftiges Stück dabei herauskommt. Man kann jede Sequenz in Ruhe eingeben, indem man mit dem Cursor durch die Liste fährt und eine Instrumententaste drückt. Pausen entstehen einfach durch freigelassene Felder. Für jede Eingabe läßt sich die Tonhöhe variieren, so daß noch mehr unterschiedliche Instrumente zur Verfügung stehen.
Eine weitere Methode zur Verfremdung ist die »Flame«-Funktion, die eine Art Echo erzeugt, indem der Sound mehrmals kurz hintereinander gespielt wird. Wie oft ist variabel, so daß jede Sequenz ein anderes Echo haben kann. Ist dieser Teil fertig, genügt ein Tastendruck, um ihn sich anzuhören. Er wird dabei immer wiederholt, so daß man einen Eindruck der Sequenz als Folge erhält.
Des weiteren läßt sich die Spielgeschwindigkeit variieren. Setzt man sie herunter, werden die Pausen länger, ohne daß dabei die Klangfarbe der Sounds beeinträchtigt wird. Dadurch erlaubt Microrhythm auch Sequenzen mit langen Pausen, ohne daß sie in erster Linie aus Leerzeichen bestehen.
Zum Eingeben braucht man aber nicht unbedingt den geruhsamen Weg einzuschlagen. Beim Abspielen nämlich lassen sich noch immer Änderungen vornehmen. Alles was man eingibt, wird sofort aufgenommen und gespeichert. Ein einschalt-bares Metronom hilft, den Takt zu halten. Setzt man gleichzeitig die Spielgeschwindigkeit herunter,
kann man wesentlich gezielter, quasi in Zeitlupe, die Sequenz aufnehmen. Beim Zurückstellen auf Normalgeschwindigkeit ist von diesem kleinen Trick nichts mehr zu merken. Im Endeffekt arbeitet diese Funktion wie der Echtzeitmodus, nur daß hier alles wie im Tonstudio aufgenommen wird. Diese Methode ist zwar die kompliziertere von beiden, macht aber dem geübten Schlagzeuger sicherlich mehr Spaß, zumal man eine direkte Kontrolle hat.
Insgesamt ist man bei der Eingabe der einzelnen Sequenzen aber beschränkt. Man kann die Länge der Pausen nicht exakt festlegen, da man mit der Spielgeschwindigkeit ein Einheitsmaß vorgibt. Längere Pausen setzen sich immer aus mehreren freigelassenen Punkten auf der Sequenz zusammen. Unregelmäßige Pausen, die kürzer als ein Schlag sind, sind nur schwer zu erzeugen, indem nämlich der Klang durch ein Echo etwas verlängert wird. Was dem Musikneuling also hilft, nicht so schnell aus dem Takt zu kommen, behindert den ambitionierten Schlagzeuger.
Möchte man mehrere ähnlich klingende Tonfolgen verwenden, kann man die ursprüngliche Bar kopieren, und an der neuen Stelle leicht verändern. Das erspart einiges an Tipparbeit. Bei der Eingabe der Sequenzen fehlt eigentlich nur die Insert-Funktion. Denn wenn man eine Pause zu kurz geschätzt oder eine Stimme vergessen hat, muß man die gesamten Eingaben von Hand in der Sequenz verschieben. Um die erste Eingabe zu ergänzen, ist die gesamte Sequenz neu einzugeben.
Eine Sequenz mit 16 Einträgen ist natürlich sehr kurz, und es fällt schwer, daraus ein wohlklingendes Musikstück zu machen. Aber Microrhythm kennt nicht umsonst verschiedene Eingabemodi. Verläßt man den »Bar write«-Modus, gelangt man in den »Song write«-Modus. Darin werden verschiedene Sequenzen zu einem Stück verbunden. Man gibt nur noch die Sequenznummer an. Die entsprechende Sequenz erscheint daraufhin in der oberen Hälfte, wo sie auch eingegeben wurde. Drückt man dann < RETURN >, wird sie in das Stück übernommen und die Sequenznummer steht dann in der Liste. Es ist erfreulich, daß hier Eingaben, die mitten in der Liste erfolgen, korrekt dort eingefügt werden. Genauso leicht kann man auch einzelnen Sequenzen wieder löschen. Das gesamte Stück besteht zum Schluß aus einer langen Reihe von Zahlen.
Die modulare Vorgehensweise macht auch klar, warum die Beschränkung auf 16 Eingaben pro Sequenz kein Nachteil ist. Ein längerer Lauf wird einfach auf zwei oder mehr Sequenzen verteilt. Leider können nicht mehrere Sequenzen parallel ablaufen, so daß immer nur ein Instrument zur gleichen Zeit gespielt werden kann. Die digitalisierten Klänge brauchen aber wahrscheinlich alle drei Soundkanäle, so daß diese Einschränkung zugunsten des überragenden Naturklangs nicht so sehr ins Gewicht fällt.
Nachdem das Meisterwerk fertig ist, kann man es sich in Ruhe anhören und dann speichern. Bei unserer Version funktionierte das leider nur auf Kassette. Microrhythm gibt es nämlich nur auf Kassette, was für den ambitionierten Musiker aber kein Hindernis sein sollte. Die Funktion zum Laden von Stücken fehlt natürlich auch nicht. Was man aber vermißt, ist die Beschreibung einer ganz bestimmten Funktion. Drückt man nämlich im »Song write«-Modus auf den Pfeil nach links, so erscheint in der Liste das Zeichen »RP« für »Re-peat«. Stößt das Programm auf dieses Zeichen, fängt das Stück wieder von vorne an, ohne daß die Musik aufhört.
Microrhythm ist das beste und faszinierendste Drumkit-Programm für den C 64. Wer einige Zeit damit gearbeitet hat, ist begeistert. Es vereint leichte Bedienbarkeit mit hervorragendem Klang, so daß es für den musikalischen Computerfan sicherlich eine lohnende Anschaffung ist, zumal für den sensationellen Preis von 10 Mark! (gn)