Soft-Story: Ocean

Wenn es um Computerspiele geht, ist Manchester eine Reise wert, denn hier sitzt Ocean, eines der größten Softwarehäuser. Bei unserem Besuch erfuhren wir einiges über Probleme und Perspektiven im Spiele-Bereich.

Soft Story

Das Haus, in dem Ocean Software sein Domizil bezogen hat. liegt im Zentrum von Manchester. Die Firma residiert in einem schönen alten Gebäude, das bereits 1828 gebaut wurde. Die vordere Hälfte des Hauses wird übrigens von einer religiösen Glaubensgemeinschaft in Anspruch genommen. Deswegen erhalten aber nicht alle Ocean/Imagine-Spiele einen Standard-Segen, was man in den letzten Monaten mitunter deutlich gemerkt hat. Colin Stokes, der Operations Director bei Ocean, erklärt sich gerne bereit, in einem Interview auch zu einigen Flops des Jahres 1986 Stellung zu beziehen.

Imagine ist ein Label von Ocean; gehört also vollständig zu dieser Firma. Bei Imagine werden vor allem Umsetzungen von Automaten und Sportspiele, aber hin und wieder auch Original-Programme veröffentlicht, wie es bei »Movie« der Fall war. Colin meint; »Als uns das Programm damals angeboten wurde, hatten wir sehr viele Titel für Ocean in Vorbereitung, aber es fehlten uns noch gute Spiele für das Imagine-Label. Also haben wir Movie kurzerhand unter Imagine veröffentlicht.«


Colin wagt eine Runde am Spielautomaten Arkanoid, der bald für die populärsten Heimcomputer umgesetzt wird

Kritischer Rückblick

Ein wunder Punkt in der Firmengeschichte sind natürlich einige sehr enttäuschende Spiele, die in den letzten Monaten erschienen sind. Colin redet bei diesem pikanten Thema nicht lange um den heißen Brei herum: »Unsere drei Programme 'Miami Vice', 'Knight Rider' und 'It's a Knockout' haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind nicht nur ziemlich schlecht, sondern auch vom selben Programmierern!

Wir hatten in der letzten Zeit ein großes Platz-Problem; wir wußten nicht, wo wir unsere In-HauB-Programmierer unterbringen sollten. Vor kurzem haben wir das Lager, das bislang im Keller war, in ein anderes Gebäude verlegt. Jetzt haben wir endlich genug Raum, um alle unsere Programmierer im Haus unterzubringen. Wegen der Platznot mußten wir in letzter Zeit immer mehr Spiele außer Haus programmieren lassen und hatten deshalb nicht die vollständige Kontrolle über die entstehenden Produkte.

Das lief dann ungefähr so ab: Man gibt ein Projekt in die Hände eines Programmier-Teams. Zwei Monate lang hört man dann überhaupt nichts. Wir wollen zu diesem Zeitpunkt aber schon etwas sehen, wie zum Beispiel etwas animierte Grafik, um einen Eindruck zu gewinnen. Die komplette Umsetzung eines Spielautomaten dauert in der Regel etwa drei Monate. Doch die Programmierer haben inzwischen die Gunst der Stunde genutzt, bei anderen Softwarehäusern angeklopft und sich vorgestellt: 'Hallo, wir arbeiten für Ocean. Sollen wir auch was für euch machen?'. Wir werden inzwischen falsch informiert und der Veröffentlichungstermin rückt näher. Wenn wir dann das Spiel sehen und es ist schlecht, müssen wir mit neuen Programmierern von vorne anfangen, was wieder vier Monate Zeit kostet. Bei 'It's a Knockout' war der Veröffentlichungstermin bereits überzogen, der Platz in den Händlerregalen reserviert, die Anzeigen geschaltet und die Händler mittlerweile stocksauer. Wir waren unter Zugzwang und mußten das Produkt veröffentlichen, obwohl wir selber nicht damit glücklich waren.


Colin Stokes, der Operations-Direktor von Ocean, erzählt in seinem Büro In Manchester über Oceans Pläne 1987

1985 haben wir eine Reihe klassisch guter Spiele veröffentlicht und dann wird unser Ruf durch schlampige freie Mitarbeiter und Programme wie 'It's a Knockout' zerstört. Wir machen solche Sachen nicht mehr mit. Wenn wir Spiele von Leuten kaufen, die nicht bei uns im Haus arbeiten, dann wollen wir die Programme zuerst fix und fertig sehen. Wenn ab sofort ein Programm nicht gut genug ist. schmeißen wir es lieber weg, bevor wir es veröffentlichen. Wir setzen sehr auf unsere InHaus-Programmierer: Es gibt Spezialisten für die wichtigen Computer sowie Grafik- und Sound-Experten.«

Ocean/Imagine produzieren momentan Spielautomaten-Umsetzungen und Spiele zu TV- und Kino-Erfolgen in rauhen Mengen. Da muß man natürlich um die Originalität der Programme fürchten. Außerdem wäre es vielleicht sinnvoller, das Geld, das eine Lizenz kostet, lieber in die Entwicklung zu stecken, um ein besseres Spiel zu bekommen. Colin meint: -Das ist prinzipiell richtig, aber durch diese Lizenz-Politik können sich die Käufer noch besser mit dem Spiel identifizieren. Es ist natürlich nicht sinnvoll, einen großen Namen für ein schlechtes Programm zu haben, wie uns das bei 'Miami Vice' passiert ist. Wir haben die Lizenz gekauft und die Programmierer haben uns einen schlechten Spy-Hunter-Verschnitt geliefert. Wir hatten nach eurer sehr guten Zeit jetzt eine Schwache Periode mit ein paar Reinfällen, aber das wird in Zukunft nicht mehr passieren.

Spiele zu aktuellen Filmen haben durch den Wiedererkennungswert einen 'Stop-Effekt': Der Kunde wird durch den bekannten Namen auf das Spiel aufmerksam. Ob die Welle mit den vielen Filmspielen so weitergeht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Man muß sich erst in der Branche umhören, welche interessanten Filme in den nächsten sechs Monaten herauskommen werden«.

Film und Fernsehen

Ein Thema, das wohl jeden interessiert, sind die Trends auf dem Hardwaremarkt. Welche Computer wird Ocean in nächster Zeit mit Spiele-Veröffentlichungen berücksichtigen? Dazu meint Colin: »Ob wir für die Videospiel-Konsolen von Nintendo und Sega Programme anbieten werden, ist noch nicht entschieden. Das Thema wird bei uns gerade diskutiert und ist noch geheim. Wir werden sehen, wie sich der Markt entwickelt, Prinzipiell unterstützen wir auch ganz neue Computer und arbeiten gerne mit den Hardware-Herstellern zusammen. Momentan haben wir alle Hände voll mit C 64, Schneider CPC und Spectrum zu tun, aber bald legen wir auch mit Spielen für andere Computer los. Veröffentlichungen für Schneider PC und Atari ST sind geplant; wir suchen dafür momentan noch Spezialisten.«



Aus: Happy Computer 03 / 1987, Seite 93

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