Wenn der Schachcomputer mit dem Heimcomputer…

Mit seinem außergewöhnlichen Konzept eröffnet der Schachcomputer »Leonardo« ganz neue Aussichten für das »Spiel der Könige«.

Die Spitzengeräte unter den Schachcomputern haben schon seit einigen Jahren das Niveau guter Vereinsspieler erreicht. Schachprogramme für Heim- und Personal Computer lassen hingegen in Spielstärke und Spielkomfort meist zu wünschen übrig. Dafür bieten sie andere interessante Eigenschaften, wie das Speichern und Archivieren von Schachproblemen, Eröffnungsvarianten und kompletten Partien. Nicht zuletzt kann der versierte Programmierer auch selbst in das Programm eingreifen. Mit Leonardo stellt die Schweizer Firma Scisys nun erstmals eine gelungene Lösung dieses Dilemmas vor.

Selbstverständlich bietet Leonardo den bei heutigen Schachcomputern üblichen Bedienungskomfort: Züge werden automatisch durch im Brett befindliche Magnetsensoren registriert. Eigene Züge signalisiert er durch am Brettrand befindliche dreifarbige Leuchtdioden. Der Computer läßt sich ebenso als Schiedsrichter benutzen, wie zur Problemlösung. Auf Wunsch macht er Zugvorschläge oder spielt ganz gegen sich selbst, nimmt Züge beliebig weit zurück und wiederholt ganze Partien. Insgesamt 32 gut abgestimmte Spielstufen stehen zur Verfügung.

Das Herz des Leonardo ist ein mit 12 Megahertz getakteter 6301Y. Das Programm ist in 24 KByte ROM gespeichert, 8,25 KByte RAM stehen für die aktuellen Spieldaten und den programmierbaren Benutzerspeicher zur Verfügung. Das Schachprogramm entspricht der gehobenen Mittelklasse. Sehr gute Vereinsspieler sollten die Anschaffung des Maestromoduls in Erwägung ziehen. Dieses Modul bietet für 198 Mark ein Spitzenprogramm in 40 KByte ROM, einen eigenen 6502-Prozessor und ein Eröffnungsrepertoire mit 36000 Halbzügen. Für Computerfreaks, die Leonardo beim Rechenvorgang genau auf die Finger schauen wollen, wird für 298 Mark das Analysemodul mit einem 16stelligen LC-Display angeboten.

Höhepunkt des Leonardo und absolutes Novum in der Schachcomputerwelt ist seine RS232C-Schnittstelle. Zunächst lassen sich viele handelsübliche Drucker anschließen, die dem RS232- beziehungsweise V.24-Standard entsprechen. Die Steuerung des Druckers übernimmt Leonardo direkt, wobei die Übertragungsrate zwischen 110 und 9600 Baud gewählt wird. Partieprotokolle, Stellungsdiagramme oder Rechenzeitangaben werden dann nach Wahl automatisch mitgedruckt. Der Anschluß eines Modems für die Datenfernübertragung wird die Freunde des Fernschachs interessieren.

Seine ganze Vielseitigkeit eröffnet Leonardo jedoch erst, wenn er über die Schnittstelle mit einem Heim- oder Personal Computer kommuniziert. Für den VC 20, den C 64 und die Schneider CPC-Serie ist für 89 Mark ein spezielles Kabel erhältlich, das den Anschluß an den Userport gestattet. Auch der IBM-PC, Apple- und Atari-Computer lassen sich problemlos anschließen. Vom Computer werden dann alle Funktionen des Leonardo gesteuert. Hierzu wurde eigens die Kommandosprache »BOSAL« (Basic Open System Architecture Language) entwickelt. Hierbei handelt es sich um einen einfachen, 42 Befehle umfassenden Basic-Dialekt. Außerdem wird ein Terminalprogramm benötigt. Die zum Verbindungskabel mitgelieferte Dokumentation enthält dazu einige Beispiele zum Abtippen. Statt auf dem Drucker werden die Züge nun auf dem Bildschirm mitprotokolliert. Mit einem komfortablen Terminalprogramm lassen sich Partien auf Diskette speichern, mit einer Textverarbeitung nachbearbeiten und mit Kommentaren verse-hpn und archivieren.

tan umfangreiches Betätigungsfeld ergibt sich aus der Verwendung von BOSAL für Trainingszwecke. Komplexe Arbeitsabläufe, die bei der Eingabe am Brett Stunden und Tage in Anspruch nähmen, werden in einfachen Befehlsfolgen vorprogrammiert. So lassen sich beispielsweise in einem Atemzug Partien nachvollziehen, auftaktische Varianten untersuchen, und erstrebenswerte Figurenaufstellungen durchspielen. Hierbei wird man Leonardo natürlich die höchste Rechenzeit zubilligen, um dessen volle Spielstärke auszunutzen. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich später bequem auf einem säuberlichen Ausdruck studieren.

Natürlich ist Leonardo auch einfach als Ein/Ausgabegerät für eigene Schachprogramme auf dem Heimcomputer einsetz-bar. Hiermit eröffnen Sie Ihren Programmen die bequeme Bedienung über ein professionelles Sensorbrett. Ebenso ist ein Zweikampf zwischen Leonardo und Heimcomputer denkbar, oder aber beide Programme rechnen parallel an demselben Problem und verständigen sich schließlich über den besten Zug.

Für den Programmierer, der tiefer in die Maschinenebene des Leonardo einsteigen will, werden zwei weitere Sprachen zur Verfügung gestellt: »MOSAL-A« und »MOSAL-B«. Es handelt sich hierbei um Maschinensprachen im ASCII- oder Binärformat, die tiefere Eingriffe in die Steuerung des Leonardo zulassen als mit BOSAL.

Auch rein äußerlich vermittelt die Ausstattung dieses Schach-Boliden einen erstklassigen Eindruck: Das Echthotzgehäuse und die Maße von 52 x 52 cm, mit denen er annähernd Turnier-große erreicht, machen ihn zu einem optischen Schmuckstück, das auch den Ansprüchen gehobener Wohnkultur gerecht wird.

Leonardo ist durch seine Ausbau- und Anschlußfähigkeiten der ideale Trainingspartner für Amateure und Profis. Darüber hinaus ist er ein gefundenes Fressen für schachbegeisterte Programmierer und Tüftler. Mit 798 Mark bietet er ein für Schachcomputer überdurchschnittliches Preis/Leistungsverhältnis.


(H. P. Ketterling/Matthias R
Aus: Happy Computer 03 / 1987, Seite 15

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