Atari PC, Mega ST und Laserdrucker begeisterten die Besucher des CES in Las Vegas. Der Atari-Stand war der größte Anziehungspunkt für viele.
Atari war die Überraschung gelungen. Die Messebesucher erwarteten einen MS-DOS-Emulator, aber präsentiert wurde ein reinrassiger IBM-Clone mit beachtlichen Leistungsmerkmalen, den wir in der letzten Ausgabe im Messetelegramm bereits kurz vorstellten.
In einem kleinen, fast zierlich zu bezeichnenden Gehäuse taktet ein 8088-Prozessor mit 4,77 oder wahlweise 8 MHz. Daneben sitzt ein freier Sockel, der den Arithmetik-Coprozessor 8087 aufnehmen kann. Selbst für umfangreiche Programme genügt die Grundausstattung von 512 KByte RAM. Wer den vollen Adressierbereich des Prozessors ausnutzen möchte, kann den Atari PC auf 640 KByte erweitern. Maximal ein Laufwerk vom Format Stt Zoll findet Platz im Gehäuse der Platine. Weitere Laufwerke sind anschließbar, sie stehen allerdings neben dem Gehäuse und benötigen zusätzlichen Platz. Dabei muß es sich nicht um 5,25-Zoll-Laufwerke handeln, es darf auch das zukunftsträchtige 3,5-Zoll-Format sein. Selbst die Laufwerke des ST sind kompatibel. Leider kann man die Festplatte des Atari ST nicht anschließen. Als eine kleine Sensation gilt die Grafikauflösung des neuen Atari PC. Monochrom liefert er die Hercules-Auflösung von 720 x 348 Punkten, in 16 Farben aus einer Palette von 64 Farben die EGA-Auflösung von 640 x 350 Punkten. Für die hohe Auflösung verwendet Atari keine Steckkarten, sondern einen speziell entwickelten Grafikbaustein. An eingebauten Schnittstellen bietet der Atari PC RS232, Centronics sowie einen Mausport. Zum Lieferumfang gehört zwar die ST-Maus mit zwei Tasten, aber der Port unterstützt auch die in diesem Bereich etablierte Microsoft-Maus.
Da das Gehäuse des Atari PC relativ klein ist und deshalb keinen Platz für handelsübliche Zusatzkarten bietet, kommt eine Zusatzbox auf den Markt. Diese stellt man links neben den Computer und steckt sie am komplett herausgeführten Systembus an. In diesem Gehäuse findet auch ein Netzteil Platz. Die Zusatzbox — die Entwickler von Atari bezeichnen sie treffend mit »Toaster« — verfügt über fünf Slots, in die sich IBM-kompatible Zusatzkarten einstecken lassen. Begeisterung riefen die Monitore hervor. Atari setzt hier, genauso wie bei der ST-Serie, auf hervorragende Bildwiedergabe. Auf dem Grün-Schwarz-Monitor mit einer Auflösung von 720 x 348 Punkten wurden Grafiken gezeigt. Der Farbmonitor unterstrich seine Qualität mit dem »Flightsimulator«. Beide zeigten ein absolut flimmerfreies und gestochen scharfes Bild.
Als Vorführprogramm wurde der »Flightsimulator« verwendet, den viele als Kompatibilitätsprüfung ansehen. Wie uns Jim Tittsler, der Projektleiter bei Atari für den PC, mitteilte, gilt das aber nicht mehr. Da Microsoft ihren Flightsimulator auch an Besitzer von IBM-Clones verkaufen möchte, die nicht über die nötige hohe Kompatibilität verfügen, wurde das Programm umgeschrieben und alle direkten ROM-Zugriffe entfernt. Da aber Messebesucher erfahrungsgemäß immer nach dem Flightsimulator fragen, wurde dieses Programm zur Demonstration verwendet.
Die Strategie, die zum Atari PC geführt hat, erläuterte uns Chefentwickler Shiraz Shivji: »Wir haben ein gutes Standbein mit dem Atari ST in der 68000-Szene. Ein weiteres schaffen wir uns nun durch den Atari PC im MS-DOS-Bereich.« Atari möchte durch diesen Schachzug die Händler mit einer Alternative zum ST beliefern können.
Nicht die Ausstattung ist ein Superlativ wert, sondern der Preis. Inklusive eines Monitors mit Grün-Schwarz-Darstellung kostet der Atari PC nur 699 Dollar. Damit sprengt Atari die Preisgrenze für Personal Computer namhafter Hersteller.
Die Befürchtungen einiger Messebesucher, damit sei der MS-DOS-Emulator gestorben, wurden schnell zerstreut. Man möchte den ST-Besitzern keinesfalls die »Brücke« zur MS-DOS-Welt vorenthalten. Allerdings nahm die Entwicklung der anderen Produkte viel Zeit in Anspruch, so daß man die serienreife Fertigstellung des MS-DOS-Emulators zurückstellte. Nun wolle man sich aber wieder mit Hochdruck an die Arbeit machen.
Aber Atari hatte noch mehr zu bieten. Auch die neuen ST-Modelle wurden präsentiert und fanden viel Anklang. Drei Versionen des »Mega ST« stehen zur Wahl. Sie unterscheiden sich lediglich durch die Speicherkapazität von 1, 2 oder 4 MByte. Das Gehäuse entspricht dem des Atari PC. Bei der Tastatur vermutet man auf den ersten Blick die bekannte ST-Tastatur mit ihrem zu weichen Anschlag. Tippt man kurz darauf, wird der Unterschied sofort deutlich. Sie gleicht nur optisch der bisherigen ST-Tastatur, unter den Tastenkappen sitzen nicht mehr Gummihütchen, sondern eine ausgereifte Mechanik vom großen Tastaturhersteller Cherry. Bis auf die beiden Mausports wurden alle Schnittstellen an der Rückseite des Gehäuses herausgeführt. Wer einen Umstieg auf einen Mega ST plant, kann sich freuen: bis auf die Festplatte sind alle Peripherie-Geräte der bisherigen Modelle kompatibel. Ebenso wie der PC verfügt der Mega ST über eine batteriegepufferte Echtzeituhr.
Der angekündigte Laserdrucker zum Discount-Preis gab auch sein Debüt. Er wird durch den Atari ST gesteuert und ist ohne diesen nicht lauffähig. Ataris Entwickler gingen neue Wege und lagerten die in jedem Laserdrucker enthaltene 68000-CPU, sowie die nötige RAM-Kapazität zur Bildaufbereitung einfach aus. Diese Arbeit übernimmt jetzt der ST. Daraus resultiert ein großer Vorteil, denn bei einer bisherigen Kombination aus ST und Laserdrucker dauerte es zirka acht Minuten bis das gedruckte Blatt vorlag. Diese Zeit verringert sich jetzt wesentlich. Bereits nach zirka 30 Sekunden beginnt der Druckvorgang. Beinhaltet der ST den Blitter, verkürzt sich die Zeit auf maximal 10 Sekunden.
Atari zeigte ein Desktop Publishing System, bestehend aus Mega ST mit 4 MByte RAM. Diskettenlaufwerk und monochromen Monitor sowie Laserdrucker für nur 3000 Dollar. Der Laserdrucker allein kostet 1500 Dollar. Die vorher geäußerten Befürchtungen einiger Insider, daß der Laserdrucker nur mit einem speziell ausgestatteten ST laufen würde, hat sich nicht bestätigt. Wie uns von Art Morgan, Projektleiter Desktop Publishing, versichert wurde, arbeitet der Laserdrucker mit jedem ST. Dabei spielt auch der Blitter nur eine untergeordnete Rolle, er beschleunigt lediglich die Aufbereitung der Daten.
Lauffähige Publishing-Programme konnte man zur Messe noch nicht demonstrieren. Die Strategie bei der Softwareunterstützung stimmt verwunderlich. Wie aus Insiderkreisen bekannt wurde, plant Atari zur Zeit ausschließlich den hauseigenen Grafiktreiber GDOS zu unterstützen, obwohl alle professionellen Programme in diesem Sektor die Publishing-Sprache PostScript verwenden. Diesen Standard nicht anzubieten, kann für Atari große Probleme bedeuten. Man darf hier auf keinen Fall den Anschluß an den vorhandenen Markt verlieren, falls man in diesem Bereich ein »Bein« in der Tür behalten möchte.
Bald kann Atari einen Diablo-Emulator für den Laserdrucker anbieten. Dave Stauges, der Autor von Neochrome, arbeitet daran.
Der Geschäftsführer von Atari Deutschland, Alwin Stumpf, teilte uns die voraussichtlichen Preise der neuen Computermodelle mit. Ein Mega ST mit 1 MByte RAM kostet zirka 2500 Mark, mit 2 MByte RAM zirka 3000 Mark, und mit 4 MByte RAM zirka 4000 Mark. Der Atari PC soll knapp unter 2000 Mark liegen und ausschließlich mit EGA-Monitor angeboten werden. Alwin Stumpf möchte in Deutschland nicht eine Grün-Schwarz-Version, sondern eine Schwarz-Weiß-Version anbieten. Die Preise konnten zum Zeitpunkt der CES im Januar allerdings nur als Anhaltswert dienen.
Somit sorgte die CES wieder einmal für Überraschungen seitens Atari. Erwartete man lediglich die Vorstellung neuer Software, so erstaunte mit Sicherheit die Vorstellung eines Personal Computers durch Atari. Wohl niemand rechnete mit einem solchen Schritt aus dem Hause eines traditionellen »Heimcomputer«-Herstellers, obwohl er im Grunde doch naheliegt.
Atari demonstrierte mit den Neuvorstellungen allen Computerinteressierten, daß der ST nicht die letzte Überraschung war. Die drei Neuvorstellungen, Atari PC, Mega ST und Laserdrucker, haben zweifellos gute Chancen, im Computermarkt für einigen Wirbel zu sorgen, (hb)