Die PCW '87 zeigte die Computer-Trends für das nächste Jahr. Vom Transputer bis zum schnellsten Heimcomputer gab es die neueste Hardware zu bewundern.
Unter der großen Glaskuppel des Olympia und der National Hall in London trafen sich nicht nur die Spiele-Hersteller. In einem großem Bereich wurden PCs. Anwender-Software und neue Computer vorgestellt. Die Messe-Sensation verbuchte BBC Acorn mit dem »Archimedes«. Er ist der bislang schnellste Heimcomputer. Obwohl er »nur« mit 8 MHz getaktet ist, ist er schneller als ein PC mit einer 80386-CPU. Er bringt es auf fantastische 4 MIPS (Million Befehle pro Sekunde). Dadurch stößt er in Bereiche vor. die bislang sündhaft teuren Computern wie der VAX Vorbehalten waren. Doch der Archimedes kostet nur rund 2000 Mark!
Archimedes überzeugt in allen Belangen. Er ist durch seine 32-Bit-CPU nicht nur superschnell. Er bietet auch 8-Kanal-Stereosound. alle Standard-Schnittstellen und eine maximale Auflösung von 1024 x 1024 Bildpunkten bei zwei Farben. Das ist ideal für CAD-Programme oder Desktop Publishing. Wählt man eine geringere Auflösung von 640 x 256 Bildpunkten, stehen einem 256 aus einer Palette von 4096 Farben zur Verfügung. Vor solchen Leistungsdaten müssen alle Konkurrenten kapitulieren.
Das Geheimnis des Archimedes ist eine neue Prozessor-Technologie. Statt den Befehlssatz immer besser und umfangreicher zu machen, wie es bei Intel und Motorola der Fall ist. beschränkt sich die ARM-CPU des Archimedes auf 44 einfache Befehle. Diese werden innerhalb eines Taktzyklus abgearbeitet, weil der Aufbau des Prozessors einfacher ist. Durch diese Spezialisierung erreicht er die unglaubliche Geschwindigkeit. Weitergehende Befehle, die andere Prozessoren besitzen, muß man aber umständlich aus den einfacheren Befehlen zusammensetzen. Das kostet nicht nur Zeit beim Programmieren, sondern auch bei der Ausführung der Befehle. Die Grundbefehle sind die am häufigsten verwendeten. so daß am Ende der Computer schneller ist. Man nennt diese Prozessoren RISC-Prozessoren (Reduced Instruction Set Computer).
Im Inneren besteht der Archimedes nur aus vier Bausteinen: der CPU. dem Videochip, einem Chip zur I/O-Kontrolle und einem zur Speicherverwaltung. Ansonsten findet man nur noch RAM-Bausteine. In der preiswertesten Version besitzt der Archimedes die Zentraleinheit mit einem eingebauten 3%-Zoll-Laufwerk mit 800 KByte Speicherkapazität. eine abgesetzte Tastatur im AT-Design und eine Maus mit drei Tasten. Im Inneren befinden sich 512 KByte RAM und 128 KByte ROM (Betriebssystem und Basic). Im Lieferumfang ist eine Diskette mit einer Benutzeroberfläche und ein 6502-Emulator enthalten. Der Emulator macht den Archimedes zum alten BBC Acorn kompatibel. Das Desktop ist in reinem, uncompilierten Basic geschrieben, aber trotzdem so schnell wie auf dem Amiga oder ST. Das ist ein weiterer Beweis für die Leistungsstärke des Archimedes. In England wird noch ein Basic-Spiel auf der Diskette enthalten sein, das durch fließende 3D-Grafik begeistert Den Archimedes gibt es in einer weiteren Version. Die teuren Geräte besitzen zusätzliche Schnittstellen. wie beispielsweise MIDI. und im Gehäuse ist Platz für Steckkarten. Sie funktionieren ähnlich wie der Amiga 2000. Durch eine Erweiterungskarte wird der Archimedes zum Beispiel MS-DOS-kompatibel. Es gibt aber schon eine lauffähige MS-DOS-Emulation auf Software-Basis.
Auf der PCW meldete sich ein alter englischer Erfinder zurück: Sir Clive Sinclair. Von ihm stammt der Z 88. ein kleiner und leichter Portable im DIN-A4-Format. Im ROM sind eine Textverarbeitung. eine Datenbank, eine Tabellenkalkulation und ein Notizblock eingebaut. Der Z 88 hält alle Daten bis zu einem Jahr lang im batteriegepufferten RAM. Ohne Stromversorgung läuft der Z 88 bis zu 20 Stunden lang. Er besitzt keinen eingebauten Massenspeicher, sondern verwendet nur das RAM. In England kostet der Z 88 299 Pfund, also knapp 900 Mark
Der dritte im Bund der neuen Computer ist der PCW 9512 von Amstrad. Er ist der Joyce-Nachfolger mit einer PC-ähnlichen Tastatur. Schwarz-weiß-Monitor, mehr Speicher und besseren Laufwerken, mit doppelter Speicherkapazität. Auch die Software wurde verbessert. Locoscript 2 ist wesentlich schneller als sein Vorgänger. Für 499 Pfund erhält man einen praktischen Tfextverarbeitungs-Computer und einen Typenraddrucker. Nach Angaben von Schneider wird der PCW 9512 in Deutschland voraussichtlich nicht verkauft.
Während der Messetage sah man gespannt auf die Kontrahenten Atari und Commodore. Im Vorfeld der PCW war das Zusammentreffen der beiden Firmen auf der größten englischen Messe von der Presse und dem Messeveranstalter als großes Duell deklariert worden. Was war passiert? Nachdem Atari im letzten Jahr die »Atari-Welt« auf einer riesigen Ausstellungsfläche präsentiert hatte, kündigte Commodore dieses Jahr den Gegenschlag an. Mit dem »Commodore-Village« sollte die Präsenz auf dem englischen Markt demonstriert werden, da Commodore im Vorjahr viel an Prestige verloren hatte. Doch das Duell fand nicht statt. Statt dessen fand man zu einem friedlichen Nebeneinander, ohne laute Worte.
Das Commodore Village zeigt zwar die Fülle der Amiga-Produkte. Atari gewann aber deutlich durch mehr Aussteller auf mehr Platz. Sobald man die Hallen betrat, war das große Transparent »Enter Atari World« unübersehbar. Vielleicht lag es an den Ständen der Spiele-Firmen, die die beiden Hallen von einander trennten, daß alles so friedlich verlief.
Commodore hatte in seiner Halle alle namhaften Firmen versammelt. Metacomco präsentierte sich als Entwickler des AmigaDOS und zeigte seine Amiga-Produkte. Neben WordPerfect wurde auch Vizawrite für den Amiga gezeigt, das nun endlich fertig ist. Lautstark und imposant stellte Taurus das Drumkit-Programm A-Drum für den Amiga vor. Es spielt vier Stimmen mit bis zu 26 digitalisierten Sounds. Für den Profi-Musiker besitzt es eine MIDI-Schnittstelle. Programmiert wurde es von Druid-Programmierer Andrew Bailey. Mit Acquisition stellte Taurus eine neue Datenbank vor. die auch Töne und Bilder verarbeitet. Aegis präsentierte neben den bekannten Programmen Videoscape und Diga den »Audio Master«. Dieses Programm dient zum Bearbeiten, Verändern und Schneiden von digitalisierten Klängen.
Commodore selbst besann sich auf alte Werte und stellte seine eigene Geschichte aus. In einem langen Glaskasten lagen alle wichtigen Modelle nebeneinander. Die Reihe der Commodore-Produkte beginnt bei kleinen Taschenrechnern, geht über den PET und die 4000er Serie bis zum C 64, den PCs und als neueste Computer die Amiga-Familie.
Auf dem Microprose-Stand fand man Berkely Softworks. Die GEOS-Entwickler hatten GEOS 128 und ein Desktop Publishing-Programm für den C 64 unter GEOS dabei.
Während bei Commodore alles sehr seriös zuging, konnte man bei Atari spielen. In der 1000 Quadratmeter umfassenden Atari-Welt feierte Atari die Rückkehr der Videospiel-Konsolen. Rund ein Viertel des Platzes nahm die Spiele-Ecke ein. Alles stand unter dem Motte »We are back, better than ever« (Wir sind wieder da. besser als je zuvor). Neben den bekannten Konsolen VCS und 7800 standen auch viele Geräte des 65 XE Systems auf den Tischen. Das 65 XE-System ist nichts anderes als ein Atari 800 mit neuem Design, ohne Tastatur, aber mit dem Spiel »Missile Command« auf ROM. Die fehlende Tastatur kann man gegen Aufpreis dazukaufen, wodurch der 65 XE zum vollwertigen Computer wird. Großer Beliebtheit erfreute sich auch die Atari-Lichtpistole für das neue 65 XE-System. Inzwischen gibt es solche Klassiker wie Flight II, Summer- und Winter Games auf Modul.
Die ST-Spiele wurden auch nicht vernachlässigt. An acht über den MIDI-Fort verbundenene STs konnte man das bekannte Midi-Maze spielen. Alle Spieler kämpfen gleichzeitig in einem Labyrinth und versuchen sich gegenseitig abzuschießen. Der Hersteller Hybrid Arts zeigt aber noch mehr nützliche Anwendungen für die MIDI-Schnittstelle des ST. Ein sehr gutes MIDI-Programm macht dem bekannten »Steinberg Twentyfour« Konkurrenz.
Es kann bis zu 20 Tracks verwalten. Musik, die auf einem MIDI-Gerät gespielt wird, aufnehmen und in Notenschrift ablegen und fertige Stücke bearbeiten. Ezay Track kostet in Deuschland 150 Mark. Sein großer Bruder. Midi Track ST, besitzt noch umfangreichere Editier-Funktionen für die Musik-Stücke und eine Synchronisationsbox für alte Se-quencer und Synthesizer, die nicht MIDI-fähig sind. Dieses nützliche Werkzeug, das sich auch zum Nachvertonen von Videos eignet, kostet 799 Mark.
Beim ST tut sich einiges im Bereich Desktop Publishing.
Timeworks von GST, die durch 1st Word bekannt wurden, orientiert sich am Vorbild Pagemaker auf dem Macintosh. Es überzeugt durch schnellen Bildaufbau, Kerning und automatisches Trennen der Ttexte. Mit 99 Pfund ist es auch eine echte Preissensation. Unter anderer Flagge fährt der »Calligrapher«. Computer Concepts nennt ihn eine Textverarbeitung, obwohl er auch viele Funktionen eines Desktop Publishing-Programms beherrscht. Zu den Besonderheiten des 50 Pfund teuren Programms gehören viele Schriftarten, die gleichzeitig dargestellt werden, und ein Online-Spellchecker. der Fehler schon während des Schreibens anzeigt.
Die interessantesten Neuigkeiten gab es bei Atari nur im Hinterzimmer. Dort stand das fertige CD-ROM. Es hält sich an das Standard-Aufzeichnungsverfahren mit knapp 600 MByte, so daß man auch CD-ROMs für MS-DOS-PCs lesen kann. Darüber hinaus verfügt es über einen Audio-Ausgang, so daß es auch als CD-Spieler arbeitet. Sehr praktisch ist die Infrarot-Fernbedienung. die man auch fest ans Gehäuse anstecken kann. In Deutschland soll das CD-ROM um die 1000 bis 1200 Mark kosten.
Tim King verließ nach eigenen Aussagen Metacomco, weil er dort Helios nicht schreiben durfte. Metacomco wollte lieber weiter auf Tripos (das AmigaDOS) setzen, statt die Entwicklung eines neuen Betriebssystems zu finanzieren. King fand die Vorstellung, für die nächsten Jahre weiter am gleichen Projekt zu arbeiten, sehr langweilig und ging. Ihm liegt die Spannung, die in einer unsicheren Zukunft liegt mehr, als das gleichförmige Alltagsgeschäft.
In unserem Gespräch erzählte er noch einige interessante Einzelheiten über Tripos. So dauerte die erste Umsetzung nicht 6 Wochen, wie man bei Metacomco berichtete, sondern nur 3. Die langwierige Anpassung brauchte aber mehr als 7 Monate. Kein Wunder, daß er Tripos nicht mehr sehen kann. Im Moment arbeitet er aber wieder am AmigaDOS, wenn auch nur als Berater. Er war im Sommer 2 Wochen lang in Braunschweig. Ob da eine neue Kickstart kommt? (gn)
Die neue Computer-Generation stellt Atari mit ihrem Transputer vor. Transputer arbeiten mit mehreren CPUs, die man nach dem Baukasten-Prinzip ergänzt. In einem Transputer-Netzwerk nutzt ein Computer nicht nur die Leistung seiner CPU. Wenn an einem anderen Computer noch Rechenzeit frei ist, nutzt das Betriebssystem diese für einen Rechenprozeß in einem anderen Computer. Geregelt wird das alles teils durch das Betriebssystem und teils durch die Hardware. Das Betriebssystem «Helios« schreibt Tim King, der schon das Multitasking-Betriebssystem für den Amiga entwickelt hat.
Der Atari-Transputer, der die interne Bezeichnung Atari TT trägt, besitzt 1 MByte separates Video-RAM. Der spezielle Video-Speicher macht die Grafik-Darstellung sehr schnell. Der TT soll 32 Bitplanes verwalten, was bis zu 16 Millionen Farben bei einer Auflösung von 512 x 480 Pixeln erlaubt. Die höchste Auflösung wird 1280 x 960 Bildpunkte bei 16 Farben betragen. Intern besitzt der Transputer einen Blit-ter zum Verschieben von Speicherblöcken, einen Mathematik-Coprozessor und 4 MByte RAM. Die CPU bedient ein spezieller RISC-Prozessor. Der TT wird offiziell im November auf der Comdex in Atlanta/USA oder im Januar auf der CES vorgestellt werden. Über den Preis herrscht ebenfalls noch Unklarheit. Man rechnet mit ungefähr 5000 Dollar, also knapp 10000 Mark. Der TT soll sowohl als eigenständiger Computer, als auch als Erweiterungskarte für den Mega ST erscheinen, (gn)