System 3: Die letzten Ninjas


Programmierer sind auch nur Menschen — aber was für welche! Diese Erfahrung machten Jon Dean von Activision (links im Bild) und Tim Best von System 3 (Bildmitte). Sie sollten es wissen, denn jeder von ihnen koordiniert Programmprojekte und stellt die Teams zusammen. Außerdem erfinden sie all das, was für ein Spiel wichtig ist: das Konzept, die Rätsel und die Spielideen. Anatol Locker (rechts) plauderte mit Ihnen über Programmierprobleme und Prügelprogramme.

Stellen Sie sich vor. Sie wurden für Activision oder System 3 arbeiten Dann würden Sie Jon Dean oder Tim Best könnenlernen. Lesen Sie selbst, was die beiden beschäftigt

Happy: Wie arbeiten Activision und System 3 zusammen?

Tim: Activision hat die Vertriebsrechte für alle Systom 3-Produkte. Ein Beispiel: Activision hat jetzt die Rechte zum Schwarzenegger Film »Predator« erworben. Ich habe das Spiel entworfen. Jon leitet das Programmier-Team. Wir arbeiten eng zusammen, sind aber ein unabhängiges Team.

Happy: Predator? Das Spiel zum Kino-Film?

Tim: Ja. Beim Entwerfen war für mich besonders wichtig, die Essenz des Films zu packen. Wir halten uns eng an die Handlung; 20th Century Fox akzeptierte unser Storyboard ohne Änderungen. Ich bekam ein Drehbuch und habe danach das Spiel entworfen.

Predator wird sehr aufregend. Das Spielprinzip ist nicht einzigartig: das Programm hat seitliches Scrolling und viele Screens. Aber die Details sind atemberaubend, das garantiere ich euch.

Jon: Ja, es wird sehr attraktiv.

Tim: Und man wird verdammt viel in dem Spiel schießen.

Jon: Aber keine Kampfszenen

Tim: Sag das nicht; Arnold kann treten. Und springen.

Happy: Glaubt ihr, daß das Spiel so gewalttätig ist, daß es in Deutschland indiziert wird?

Jon: Ist der Film indiziert?

Happy: Nein.

Jon: Wenn der Film durchgegangen ist, dann wird das Spiel auch nicht indiziert.

Tim: Es wird ein Knüller. Vielleicht sogar ein zweites »Ghostbusters«, wer weiß?

Happy: Ghostbusters mit Arnold Schwarzenegger?

Tim: Konnte schon sein. Was für eine Idee! Wie wär's mit »Ghostkillers«? Nein, zurück zum Spiel Wenn Du das Sprite siehst, glaubst Du. Arnold persönlich vor Dir zu haben. Er ist nur zwei Sprites hoch, aber er hat den gleichen Flachkopf, kurze Haare, dicke Muskeln und alles andere.

Einer der wichtigsten Faktoren, die ich ins Spiel eingebaut habe, ist die Detailtreue. Einzige Einschränkung; Im Film gibt es eine Menge Leute, die wir leider nicht ins Spiel bringen konnten. Wir haben eine gute Entschuldigung dafür: Sie sind alle schon tot. Wir haben sie ein wenig früher sterben lassen.

Arnold kann natürlich all die erstaunlichen Waffen benutzen, die er im Film auch verwendet. Ich habe zwei Wochen damit verbracht, herauszubekommen, wie schnell sie feuern und wie schnell man sie wieder laden kann. Diese Erfahrung habe ich ins Spiel eingebaut.

Happy: Habt ihr Arnold schon das Spiel gezeigt?

Tim: Nein. Wir würden das aber gerne machen, das wäre sicher interessant.

Jon: Wir könnten ihn ja unter Venrag nehmen. Kann er den C 64 programmieren?

Tim: Ich weiß nicht. Wenn er einen »Syntax Error« bekommt, zerschmetten er wahrscheinlich das Keyboard.

Happy: Es ist interessant, daß noch vor kurzem alle Spiele von Activision aus den USA kamen. Jetzt ist das ganz anders: mit wenigen Ausnahmen sind die Titel aus England.

Jon: Das sind auch zwei unterschiedliche Markte. Vor ein paar Jahren war der C 64 die Top-Maschine in den Staaten. Die meisten Programme kamen von dort und wurden hier auf die anderen Computer konvertiert. Aber der US-Markt hat sich weiterentwickelt; der Trend geht zu 16-Bit-Computern. Die Benutzer in den Staaten haben sich verändert. In den USA ist es keine Seltenheit, daß sich die 13jährigen an einen IBM-PC oder an einen Macintosh setzen.

Nicht alle amerikanischen Produkte sind für den englischen Markt geeignet. Normalerweise kauft man Spiele in den USA auf Diskette, während hier in England mehr Kassetten vorbreitet sind. Deshalb haben wir umgedacht und uns unsere eigenen Programmierer geholt wir arbeiten mit Leuten aus Spanien, England, Frankreich und Deutschland. Und wir wollen das noch verstärken.

Unsere Software-Studios versuchen gute neue Designs zu finden. Wir sind weder Programmierer noch Manager. Wir stehen irgendwo in der Mitte. Die Software Studios sind also ein schwarzes Brett für Programmierer. Grafiker und Soundspezialisten aller Art.

Tim: Jon hat wahrscheinlich aus Höflichkeit noch einen Punkt verschwiegen: Europäische Programmierer sind einfach besser als amerikanische

Jon: Wirklich? Das finde ich eigentlich nicht.

Tim: Aber ich. In den letzten Jahren sind die europäischen Programmierer vor allem auf dem C 64 viel besser geworden Das hat zwei Gründe Der erste ist einfach Hingabe, der andere ist der Glaube, daß die Maschine keine Grenzen hat. Die einziflo Grenze ist in deinem Kopf. Wenn man das einmal begriffen hat, gibt es nichts, was einen noch stoppen kann.

Happy: Warum ist »The last Ninja« so spät veröffentlicht worden? Gab es Probleme?

Tim: The last Ninja brauchte 14 Monate Wir haben mittendrin das Programmier-Team gewechselt. Allein hätte man zweieinhalb Jahre gebraucht. Unser Team steht und fällt mit John Twiddy. Er ist sehr innovativ und zur Zeit wahrscheinlich der beste Programmierer in Europa. Du sagst ihm, daß du einen bestimmten Effekt brauchst und er bastelt solange rum, bis er genau diesen Effekt hat. Er wird im nächsten Jahr mindesten drei Programme veröffentlichen. John Twiddy hat auch das »Export Cartndge« entwickelt, mit der man Programme knacken kann. Er ist deshalb nicht sehr beliebt bei den Softwarehäusern.

Wir bei System 3 entwickeln zuerst auf dem C 64 und lassen dann die anderen Versionen von Programmierern außer Haus entwickeln. Ab und zu borgen wir uns auch Programmierer von Jon. Manchmal bekommt er sie auch nicht mehr zurück.

Wir haben jetzt ein großes Haus gemietet. Es liegt ein wenig abgelegen. Da gibt es nette kleine Flüsse. Wasserräder und viele Kneipen Das ist wohl alles, wasein Programmierer braucht. Wir erlauben unseren Programmierern, dort zu draußen zu leben — ohne Miete zahlen zu müssen. Sie haben ihre eigenen Zimmer und eine Garage voll mit Spielautomaten. Wenn die Programmierer elwas besonderes brauchen, besorgen wir es. Oder wir borgen es von Jon.

Jon: Stehlen wäre wohl der bessere Ausdruck.

Tim: Ja ja, du bekommst die Commodore-Floppy wieder! Wir kümmern uns um unsere Programmierer — manchmal werden sie in den Fluß geworfen. Nein, wir kümmern uns wirklich um sie, denn wir setzen sie unter großen Druck. Wir haben nun mal die engen Termin-plane und große Probleme, — Jon wird das bestätigen — die Termine von Aciivision einzuhalten. Wir glauben, daß sich ein Spiel erst dann richtig entwickelt, wahrend es programmiert wird. Wir sehen uns die Programme an und sagen: Könnte man da nicht noch das und das einfügen? Deshalb verspäten sich die Programme oft, zum Leidwesen von Activisions Marketing Abteilung.

Jon: Der Ninja war wohl das beste Beispiel.

Happy: Es ist sicherlich schwer, Spielautomaten wie zum Beispiel »Rampage« für kleine Heimcomputer umzusetzen.

Jon: Automaten bringen dem Spieler einen ganz besonderen Kitzel. Du mußt mehr Geld nachwerfen, um weiterspielen zu können. Wenn du aber das Spiel einfach in einen Computer lädst, kannst du es beliebig oft spielen, ohne mehr Geld nachzuwerfen. Vielleicht liefern wir demnächst eine kleine Spardose mit unseren Spielen aus (lacht).

Wir entwickeln etwa zu 50 Prozent Lizenzen und zu 50 Prozent originale Produkte. Wir gehen nicht stur in eine Richtung. Wir wollen, daß die Leute etwas von den Spielen haben. Zum Beispiel war »Aliens« {englische Version). Du konntest es spielen, ohne den Film gesehen zu haben. Wir arbeiten jetzt an einer neuen Idee: »Knightmare« ist in England eine sehr populäre Fernsehshow. Wir versuchen nicht, Filme nachzuahmen. Aber wir versuchen die Essenz herauszufiltern und in das Spiel zu bringen. Für mich ist es wichtig, nicht ein Spiel herauszubringen, das nur den Titel mit dem Film gemeinsam hat.

Tim: Das machen leider viele Softwarefirmen. Sie verkaufen nur den Namen.

Happy: Was macht ihr. wenn ihr von einem Programmier-Team ein Spiel bekommt und merkt, daß es nicht so toll ist. Arbeitet ihr dann nochmal dran oder veröffentlicht ihr es? »Quartet« auf dem C 64 zum Beispiel hätte ja besser sein können.

Jon: Quartet ist ein wenig unterschätzt worden. In dem Spiel steckt eine Menge Arbeit. Wir glauben, daß wir die wichtigsten Punkte des Spielautomaten getroffen haben.

Happy: Bist Du auch mit der dürftigen Sprite-Animation zufrieden?

Jon: Das liegt am Speicherplatz. Man muß immer Abstriche machen. Wir mußten uns also entscheiden: ein oder zwei große Sprites oder viele verschiedene. Ganz ehrlich, man bräuchte Jahre, um ein Spiel perfekt zu programmieren. Ich glaube, wir haben eine gute Umsetzung gemacht und die Kompromisse an den richtigen Stellen angesetzt.

Happy: System 3 programmiert wenig Lizenzen. Ihr steht wohl mehr auf Kampfsportspiele?

Tim: Ja, es sieht aus, als ob wir nur Kampfspiele machen. Epyx produziert 437 verschiedene Versionen von »Summer Games«. Wir finden, daß Kampfspiele toll sind. Sie sind ein wenig wie Ballerspiele: Man gehl hin. setzt sich und prügelt seine Aggressionen am Bildschirm. Das ist viel besser, als auf die Straßen zu gehen und das wirklich mit den Leuten zu machen. The Last Ninja war besonders wichtig für uns Es ist der erste Schritt zu einem neuen Spiele-typ. Von uns aus wird es immer Kampf im Spiel geben. Es ist eigentlich das, worin Computer gut sind. Aber es muß mehr Intellekt ins Spiel kommen. Wir haben mit The last Ninja experimentiert. Es war ein großer Erfolg und »Ninja II« wird neue Grenzen setzen. Das Storyboard ist schon fertig; es wird ein Rätsel in jedem Bild geben.

Jon: Sagt euren Lesern, sie sollen sich schon mal drei Wochen freinehmen.

Happy: Was passiert in Ninja II?

Tim: Man muß gegen die Zeit kämpfen und es gibt spezielle Boni, die davon abhängen, wie du spielst. Wir versuchen, die esoterische und abstrakte Seite anzusprechen und einen Charakter zu entwickeln. Wir denken, daß der Ninja eine echte Persönlichkeit ist. Im neuen Jahr könntet ihr vielleicht schon den System 3-Comic sehen. Der letzte Ninja wird eine der Figuren sein. Wir wollen jetzt ein Ballerspie) machen. Es soll »Dominator« heißen. Wir wollen Multi-Speed-Scrolling. Sprites im Rahmen, digitalisierte Sprache und 30 Sprites auf den Schirm bringen. Man braucht sicher zwei Computer, um es zu spielen und einen ST als Steuerung (lacht). Es wird noch eine Weile brauchen.

Happy: Was haltet Ihr von Amiga und Atari ST?

Jon: Meiner Meinung nach gibt es nicht so viele STs, wie Atari es uns glauben machen will. Wenn Atari die Preise senkt, kann der ST ein zweiter C 64 werden. Der Amiga ist eine superbe Maschine. Er hat leider den Kampf gegen Atari verloren. Es wäre aber eine Schande, wenn der Amiga verschwinden wurde.

Tim: Mein einziger Kommentar zu diesem Thema: Jon hat schon alles gesagt.

Jon: Wie immer. Ich habe auch noch nichts gesehen, das den ST voll ausnutzt.

Tim: Du hast The last Ninja auf dem ST noch nicht gesehen!

Jon: Ich meinte etwas, das den ST wirklich ausnutzt (lacht).

Happy: Was haltet Ihr von Raubkopierern?

Tim: Wo fängt man da an? Wir haben in England inzwischen die »Gesellschaft gegen Software-Diebstahl«. Wir sind nicht naiv genug und glauben, daß wir das jemals stoppen können. Das große Problem ist: Sag mal den Kids, daß kopieren Diebstahl ist. Wenn sie das lange weiter machen, bekommen wir zu wenig Geld, um gute Software zu machen. Ich glaube, sie wollen das einfach nicht verstehen. Ein paar harte Fälle stehen jetzt vor Gericht. Ich begrüße das nicht, aber es ist notwendig.

Zum Thema Kopierschutz: U.S. Gold hat es mit dem Dongle im Joystickport versucht. Das ist daneben gegangen. Lenslock war toll für Leute mit Augenfehlern. Ich habe keine Brille und konnte den Code nicht sehen. Dann gibt es noch die Farbcodes und Paßwörter, aber die sind sinnlos. Die Leute, die das entwickelt haben, übersahen einen wichtigen Faktor: die Kids sind derartig clever, sie kennen ihre Maschinen in- und auswendig. Sie bauen die Routinen einfach aus.

Die ersten, die The Last Ninja geknackt hatten, waren Deutsche. Sie haben uns eine Kopie geschickt. Ich muß leider zähneknirschend zugestehen, daß sie es gut gemacht haben. Zu gut. Sie haben das Spiel in das »Hackers Network« eingespielt, bevor das Spiel in England erschien. Ich glaube nicht, daß die richtigen Knacker, die das aus Sport und Anreiz betreiben, eine große Gefahr sind. Schlimm sind die Leute, die die geknackten Spiele verkaufen.

Jon: Ich sehe noch eine Gefahr. Manche Programmierer geben eine Vorab-Version an ihre Freunde. Und die geben sie weiter an Freunde und schon ist es in der Szene. Also, Programmierer: gebt keine Kopien weiter.

Happy: Gibt es irgend etwas, das ihr unseren Lesern schon immer sagen wolltet?

Tim: Vielen Dank, daß Ihr so viele Ninjas gekauft habt. Wir würden gerne hören, was ihr von den Produkten haltet. Ich hoffe, daß euch »Bangkog Knights« und Ninja II genauso gut gefallen werden.

Jon: Wenn Euch ein Spiel gefällt oder wenn Ihr Ideen habt, wie man ein Spiel besser machen könnte, dann sagt uns das. Und danke für Eure Unterstützung.

Das Interview mit Jon Dean und Tim Best führte Anatol Locker.

Who is who?

Tim Best ist Spiel-Designer bei System 3 und kümmert sich auch um die Programmierer, die für System 3 arbeiten. Er erfand zum Beispiel das Spielkonzept und die Rätsel zu The last Ninja. die ja viele Freaks fast zur Verzweiflung brachten »The last Ninja« ist schon in Planung und wird sicher für Furore sorgen. Es wird angeblich in jedem Bild ein Rätsel geben. Aber bis dahin wird es wohl noch einige Zeit brauchen; Zur Zeit arbeitet Tim nämlich am Computerspiel zum Film Predator.

Jon Dean arbeitet bei Activision England. Er ist Chef der Activision Software Studios und kümmert sich um alle Firmen und Programmierer, die mit Activision zu tun haben. Jon arbeitet deshalb eng mit Tim zusammen. Die Software Studios koordinieren alle Activison-Projekte, suchen die Programmierer aus und stellen die entsprechenden Teams zusammen. Auch Jon hat Pläne: »Knightmare« soll schon bald erscheinen. Hier geht es um die englische Gruselsendung, die nun umgesetzt werden soll.



Aus: Happy Computer 02 / 1988, Seite

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