Soll und Haben

Schon immer ist die Buchhaltung - und alles was damit zusammenhängt - ein klassisches Gebiet für profimäßigen Computereinsatz. Die Firma „Haus der Buchhaltung“ (HDB) ist Anbieter des Programm-Paketes „Administration“.

Obwohl der Atari ST, von der Aufmachung her (Aufteilung zusammengehörender Teile in möglichst viele „Kästchen“ und daraus resultierendes Kabelgewirr), eher zu der Menschengruppe „Freak“ (Untergruppe „Aufsteiger“) paßt, werden zunehmend Programme auch für den professionellen Einsatz entwickelt und angeboten. Eines davon trägt die Bezeichnung HDB-Administration. Wesentlichster Teil ist, gemessen am Preis, der Teil „HDB-Finanz“. Die Teile des Pakets und ihre Preise sind:

HDB-Finanz		DM 1480,-
HDB-Lohn		DM 985,-
HDB-Faktura		DM 485,-
HDB-Kartei		DM 145,-
Scheckschreibung DM 315,-

Für alle Programme zusammen wird ein Preis von DM 1980,- verlangt.

HDB-Finanz

Unser Test (Erfahrungsbericht) beschränkt sich auf die Programme zur Finanzbuchhaltung. Die Prospektangaben zu der Zahl von möglichen Konten und Buchungen wurden nicht überprüft. Auch setzen wir richtiges Rechnen und Saldieren voraus. Vielmehr wird aus der Sicht des Benutzers kritisch über den Ablauf der einzelnen Programme berichtet.

Das Programmpaket „HDB-Finanz“ erreichte uns in Form von 3 Disketten und einem Handbuch. Die Disketten sind mit „A“, „B“ und „Handbuch“ beschriftet und einseitig beschrieben. Diskette „A“ enthält ein TOS nebst einem Ordner mit den Namen „System“, auf Diskette „B“ sind die einzelnen Programme und Datendateien zu finden. Die Handbuch-Disk erweckte natürlich zunächst das größte Interesse. Auf ihr fanden sich 4 Ordner, von denen aber nur 2 gefüllt waren. Was immer in die Ordner „DIR“ und „TABELLEN“ gehören mag - auf unserer Diskette waren sie leer. Den Ordner „Muster“ hätte man sich sparen können, denn er enthält lediglich Outputdateien der verschiedenen Programme, und diese waren auch auf unserer Programmdiskette bereits wohlgefüllt. Bleibt der Ordner „Handbuch“. In ihm betrifft gerade eine von 8 Dateien unser Finanzprogramm. 9 227 Bytes - dafür hätte es keine separate Diskette gebraucht.

Bild 1

Das „echte“ Handbuch (300 Seiten) fällt in mehrfacher Hinsicht unangenehm auf. Es scheint das Handbuch von HDB schlechthin zu sein, denn in ihm werden außer diversen Versionen von Finanzbuchhaltungsprogrammen für Apple und IBM auch noch Lohn-, Faktura- und Hausverwaltungsprogramme und einiges mehr behandelt.

Das Wort „Atari“ konnten wir trotz intensiver Suche nirgendwo finden.

Den ersten Testversuch unternahmen wir mit nur einem Laufwerk, was nach Informationen aus der Handbuchdatei möglich sein sollte. Daß mit nur einem Laufwerk kein vernünftiges Arbeiten möglich ist, wurde schnell klar. Ständig wurde man vom Betriebssystem zum Disketten Wechsel aufgefordert. Aber auch als eifriger „Diskjockey“ hatte man keine Chance. Nach kurzer Zeit gab es einen Absturz.

Anruf per Hotline (positiv: Sogar Sonntagnachmittag erreichbar)! Antwort: „Sie brauchen 2 Laufwerke“. Weil auf Diskette „A“ und „B“ je ein Programm zu fehlen schien, fragten wir bei dieser Gelegenheit auch danach. Über das Programm ZKP (Zeige KontenPlan) hieß es: überflüssig. Das Programm DESK3. ACC soll einen „Buchhaltungsraum“ darstellen und wird, nach Aufkunft der Hotline, erst wieder mitgeliefert, wenn der Streit um’s GEM zwischen DIGITAL RESEARCH und APPLE beendet ist.

Nun aber einiges über die praktische Arbeit mit den Programmen. Nachdem das System mit Diskette „A“ gestartet wurde, ergab sich eine Bildschirmaufteilung wie in Bild 1 dargestellt. Von diesem Bildschirm aus können mit der Maus alle Programme gestartet werden, und alle von den einzelnen Programmen erzeugten Dateien sind in den geöffneten Ordnern sichtbar. Sie können per Mausklick angezeigt oder ausgedruckt werden.

ENA

Programm zum Erstellen des Kontenrahmens

Bild 2

Das Programm „ENA“ wird benötigt, um einen individuellen Kontenrahmen einzurichten. Nach dem Start erscheinen auf dem Bildschirm die diversen Kontengruppen mit den Namen und Nummern der standardmäßig vorgegebenen Konten (siehe Bild Nr. 2). Der Programmnutzer kann nun sowohl vorhandene Konten umbenennen als auch neue Unterkonten einführen. Dabei erscheint die Bedienung zunächst etwas undurchsichtig. Nach Eingabe der Kontonummer zeigt sich in der zweiten Zeile des kleinen Eingabefeldes in der rechten, unteren Ecke des Bildschirms der bisherige Kontoname (falls bisher nicht benutzt, erscheint „vw“). In der dritten Zeile wird nun der neue Name eingegeben und anschließend Return. Jetzt erst haben die drei Zeilen im Miniatur-Menü rechts außen (1 OK,2 OK,3end) eine Bedeutung. Man kann nun wählen, ob der alte oder der neue Name für das gewählte Konto übernommen werden soll. Mit etwas mehr Aufwand beim Programmieren sollte es möglich sein, dieses Menü nur dann erscheinen zu lassen, wenn es auch gerade eine Funktion hat. Der Kontenrahmen, der bei Aufruf des Programms ENA gezeigt wird, muß nicht unbedingt mit dem tatsächlich gespeicherten übereinstimmen. Geänderte Namen werden hier nicht angezeigt. Wenn direkt nach Verlassen des ENA-Programms der Kontenplan ausgedruckt wird, sind auch in ihm keine Änderungen sichtbar. Erst nachdem das Programm BJO (buchen) gelaufen ist, stimmt der Kontenplan (Bild 3). Diese Tatsache wäre ja zu übertragen, aber es sollte nicht dem Spürsinn des Benutzers überlassen bleiben, herauszufinden, warum gerade neu angelegte Konten in der Datei „Konten“ nicht zu finden sind.

Bild 3

BJO

Damit wird gebucht

BJO steht für Buchen JOurnal. Das Buchen ist logischerweise die hauptsächliche Aufgabe dieses Programmpaketes. Es wurde bei der Auslegung des BJO-Programms größter Wert auf Sicherheit gelegt. Das sieht man, wenn nach Eingabe einer Kontonummer der Name und augenblickliche Saldo angezeigt werden. Ist eine Zeile vollständig eingegeben, wird gegebenenfalls die Mehrwertsteuer ausgerechnet und angezeigt, die Buchung zuunterst in eine Liste der schon gebuchten Vorgänge aufgenommen und sofort auf Diskette geschrieben. Das Datum und der Buchungstext der letzten Buchung können immer durch Drücken von Return in das Eingabefeld übernommen werden. Völlig unsinnige Buchungen werden erkannt und nicht angenommen. Bei der Überprüfung des Datums werden zwar Tageszahlen größer als 31 abgelehnt, in Monaten mit nur 30 oder im Fabruar mit noch weniger Tagen sind Fehleingaben jedoch durchaus möglich.

Bild 4

Für das Beseitigen von Tippfehlern in allen Eingabezeilen aller Programme hat man mit dem Sicherheitsgedanken ein wenig übertrieben. Weder Backspace noch Delete lassen das letzte eingegebene Zeichen verschwinden. Korrekturen sind nur auf folgende Weise möglich: Eingabefeld vollständig mit Spaces oder irgendwelchen Zeichen füllen - das gesamte Feld wird dadurch gelöscht und der Cursor steht wieder am Anfang-des Feldes. Ein Schönheitsfehler am Rande: Das eingerahmte Feld für die Texteingabe gaukelt mehr Raum für den Text vor, als tatsächlich vorhanden ist. Bereits vor Erreichen des Feldendes wird die Eingabe gelöscht. Früher oder später wird sich jeder Nutzer wünschen, er könne die letzte Buchung löschen.

Bild 5

Das Programm BJO enthält nämlich einen echten Programmierfehler! Wenn man versehentlich im Feld Betrag drei Nachkommastellen eingibt, erlebt man eine wunderbare Geldvermehrung. Aus DM 100,333 werden DM 100333,-(Bilder 4 und 5)!!! Eine Buchung mit vertauschten Kontonummern ist notwendig, damit der Fehler behoben ist (Bild 6).

Sind alle Buchungen getätigt, wird mit „66“ als Datum der Programmlauf beendet. Erstaunlicherweise passiert daraufhin nicht viel. Einzige Reaktion ist das Erscheinen des Mauspfeiles. Damit kann man nun links oben „anklicken“, und es geht wirklich weiter. Ob das die versprochene GEM-Anpassung ist? Sonst wird die Maus nur noch zum Starten der Programme bzw. zum Ausdrucken von Dateien benutzt (vom Desktop aus).

Bild 6

Nachdem einige Sortierläufe stattfanden, wird der Benutzer gefragt, ob die Datei Journal angelegt werden soll (Monatsabschluß). Die gleiche Frage stellt sich anschließend zu den Themen Kassenbuch, Rechnungseingangsbuch und Rechnungsausgangsbuch (Bild 7). Alle diese Dateien werden als normale ASCII-Daten auf die Diskette „B“ geschrieben. Sie können jederzeit auf dem Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden.

BWA, GUV und BIL

Auswertungen für den Unternehmer und das Finanzamt

Mit diesen drei Programmen lassen sich die Daten, die sich durch das Erfassen aller Geschäftsvorgänge (Buchen) ansammeln, nach verschiedenen Kriterien auswerten. Auch diese Programme schreiben ihren Output in normale ASCII-Dateien. Dadurch ist das Abfragen eines Passwortes (äußerst einfallslos gewählt und offenbar durch den Anwender nicht änderbar) völlig wertlos. Ohne Kenntnis des Passworts kann zwar kein Unbefugter diese Programme starten, aber die Ergebnisse früherer Programmläufe sind für jeden einsehbar. Wer nun versucht, dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, indem er die Bilanzdatei löscht, erlebt beim nächsten Lauf des Bdanz-Programms einen Absturz (des Systems).

LJO

Bereitmachen für neue Daten

Das LJO-Programm dient zum Löschen der Journaleinträge. Jeweils nach einem Monatsabschluß und dem Druck des Journals werden alle Einträge gelöscht und die Journaldatei damit für den neuen Monat vorbereitet. Ferner gibt es bei der Frage nach dem Passwort (dasselbe wie in den anderen Programmen) „versteckte Befehle“, mit denen man alle Dateien, in denen Buchungsdaten gespeichert sind, rücksetzen kann. Dieses Rücksetzen ist auch nötig, bevor mit der richtigen Arbeit begonnen werden kann, denn im „Auslieferungszustand“ enthalten die Dateien „Spieldaten“ für erste Gehversuche mit dem Buchhaltungspaket.

Fazit

Die Firma HDB verspricht für ihre Programme kostenloses Updating (Ausnahme Lohnprogramm). Das erscheint -zumindest für die uns zur Verfügung stehende Version — auch notwendig. Auf der Ce Bit in Hannover wurden bereits einige Verbesserungen und Erweiterungen vorgeführt. Die Verantwortlichen bei HDB sollten sich Gedanken darüber machen, ob völlig überflüssiger Schnick-Schnack, wie das Fensterschließen per Maus nach dem Programmende-Kommando des Benutzers, nicht vielleicht zugunsten einer vernünftigen Menügestaltung des kompletten Programmpaketes über Bord geworfen werden sollte.

Die Preispolitik von HDB ist zumindest ungewöhnlich zu nennen. Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Hersteller bietet einen Computer an für DM 998,-. Den Bildschirm dazu für DM 598,- und eine Floppy für DM 598,-. Wenn nun dieser Hersteller, statt der Summe der Einzelpreise in Höhe von DM 2194,- nur DM 1244,73 verlangte, wäre immer noch alles in Ordnung. Stellen Sie sich nun aber weiter vor, Sie erfahren nach einer Ausstellung (CeBit) davon, daß dort dieses System für nur DM 628,02 verkauft wurde! Exakt die gleichen Preisverhältnisse bestehen bei den verschiedenen HDB Preisen einschließlich „Paket-Messepreis“.



Aus: ST-Computer 06 / 1986, Seite 44

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